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und verliert früh seinen Vater, der Leinenweber war. Bemerkenswert ist, dass Wolfgang sich nicht an seinen Vater und dessen Handwerk erinnert, sondern an das Lied, das der Vater über sein Handwerk zu singen pflegte, ja, die Erinnerung an den Vater ist einzig in diesem Lied aufgehoben (IS I: 393–394), und obwohl es sich dabei um ein recht derbes Spottliedchen7 handelt, wird doch auch hier Leben zu Kunst transformiert und damit vor dem Vergessen bewahrt. Wolfgang erlebt als Kind den Einfall der Türken in Wien, den unter anderem auch ein „tapferer dänischer Capitain“ (!) vergeblich aufzuhalten versucht (IS I: 398). Wolfgang muss fliehen, er wird von dem berühmten Bruder Herz gerettet und erhält vom polnischen König, der Wien befreit, eine goldene Kette, die ihm und seiner Mutter aus aller materiellen Not hilft. Nach dem Tod der Mutter geht er als Student nach Tübingen, gerät dort in schlechte Gesellschaft, verspielt die goldene Kette und tötet einen Falschspieler, der ihn betrogen und dann zum Duell gefordert hat. Wolfgang muss wieder fliehen. Mitten in der Erzählung bricht er ab, da er nicht erleben wolle, wie seine Freunde aus Höflichkeit ihre Schläfrigkeit unterdrücken müssten. Diese Zäsur schliesst zugleich den ersten Teil des Romans.

      Nach dieser Unterbrechung, die wie ein „Cliffhanger“ wirkt, wird der zweite Teil mit der Fortsetzung von Wolfgangs Biographie eröffnet. Der Protagonist fährt nun zur See, bringt es vom Matrosen bis zum Kapitän und wird Opfer einer Meuterei auf seinem eigenen Schiff; die Mannschaft setzt ihn mitten im Ozean auf einem kleinen Boot aus. Er strandet an einem ungeheuren Felsen und ist gerettet. An diesem Punkt seiner Erzählung hat auch die gegenwärtige Reisegesellschaft die Insel Felsenburg erreicht, weshalb Wolfgang endgültig abbricht, um so dem aktuellen Geschehen gewissermassen das Wort zu überlassen. Explizit meldet sich nun der auktoriale Erzähler, der die Landung nicht beschreiben mag, da er, wie bereits im ersten Teil der IS ausführlich dargelegt, keine „Wortgemälde“ verfassen will (IS I: 123–124). Stattdessen bringt er ein Fragment aus Eberhards Tagebuch, das die Landung auf der Felsenburg und die erste Begegnung mit Albert Julius in Hexametern besingt. Auf Eberhards poetische Schilderung folgt im Stil einer nüchternen Chronik ein Bericht über das Leben auf der Insel Felsenburg, über die verschiedenen Ämter, welche die Neuankömmlinge übernehmen, und über den geplanten Kirchenbau. Dann beginnt Albert Julius mit der Erzählung seiner Lebensgeschichte; diese füllt, abgesehen von den ersten beiden Kapiteln, den zweiten und dritten Teil der IS, sowie über ein Drittel des vierten Teils. Sie nimmt also noch weitaus mehr Raum ein als in den WF; allerdings umfasst sie einige weitere Biographien, so z.B. jene von Lemelie, aber auch Cyrillos ausgedehnte Lebensgeschichte, die, anders als bei Schnabel, nicht im Anhang steht, sondern in den Erzählzusammenhang integriert ist. Wie aus der Erzählsituation implizit hervorgeht, ist der Kreis der Zuhörer grösser als in den WF, und das Lesepublikum (samt dem auktorialen Erzähler) wird in die Zuhörerschaft einbezogen (IS II: 49).

      Zu Beginn seiner Erzählung macht Albert den Zuhörern bewusst, was für ein Abstand ihn, den fast hundertjährigen Greis, von den Ereignissen seiner Kindheit und Jugendzeit trennt, indem er darauf hinweist, dass er „wohl jetzt nur die Erinnerung der Erinnerungen“ erzähle (IS II: 50).8Moritz, Karl Philipp Er beginnt nicht mit der eigenen Geburt, sondern mit dem gewaltsamen Tod seines calvinistischen Vaters, der im Dreissigjährigen Krieg von den Katholiken an seinem Geburtstag Frau und Kindern entrissen, ins Gefängnis geworfen und hingerichtet wird. Im Unterschied zu Schnabel werden die Umstände dieses Todes, besonders die Trauer der kleinen Familie, mit deutlichen Zügen der religiösen Empfindsamkeit in aller Breite ausgemalt.9Arnim, Achim von Nach dem Tod ihres Mannes zieht die mittellos gewordene Witwe mit Albert und dessen älterem Bruder Rudolf nach Eisenach zu ihrer Schwester Ursula; diese ist als komische Figur gezeichnet, die fast nur in Bibelzitaten spricht und beim Kochen und Essen immer einschläft, so dass Albert sich nach der Trauer um den Vater in einer possenhaften Szenerie wieder findet. Mit Rudolf besucht er oft die Wartburg, besonders die Stube, in der LutherLuther, Martin das Neue Testament übersetzte; Albert glaubt, „einige Anlage zur Dichtkunst“ in sich zu entdecken, wie Eberhard, an den er sich nun in der Inselgegenwart wendet: „Ich höre, du, mein Eberhard, seyst auch ein Dichter. Das haben wir beide von unserem Luther, dem Verfasser der herrlichen Kirchenlieder, geerbt“ (IS II: 89–90). Zwischen Albert und seinem Bruder entspinnt sich ein längeres Gespräch über den Sängerwettstreit auf der Wartburg, über die Minnesänger und ihre Lieder, die Rudolf als formelhaft und monoton verspottet; er findet, es sei „eine französische Mode, den Frauen gar zu viele geschnörkelte Artigkeiten zu sagen“ (IS II: 98) – ein Seitenhieb auf französisches à la mode-Wesen –, während Albert an den Minneliedern auch Schönes entdecken kann, aber die Volkslieder bei weitem mehr schätzt (IS II: 106), – eine Vorliebe, die sein Urgrossneffe Eberhard teilt (IS I: 140–141).

      Bei der Hochzeit seiner Tante Ursula, einem mit allen Ingredienzen des Schwanks ausgestatteten Ereignis, trifft Albert auf einen alten Meistersinger, von dem er sich Erkenntnisse über das Wesen der Dichtkunst erhofft. Doch als dieser ihm erklärt, Dichtkunst sei nichts anderes als „gute Gedanken in guten Reimen vorzutragen“ (IS II: 132), und ihm die normativen Grundbegriffe des Meistergesangs beibringen will, flieht Albert entsetzt vor diesem „langweiligen Wortkrame“ (IS II: 135).

      Nachdem Mutter und Tante gestorben sind und der Bruder Rudolf sich vom protestantischen Herzog für den Kriegsdienst hat anwerben lassen, verlässt Albert Eisenach und gesellt sich zu Seifert und seinen Freunden, einer Gruppe herumziehender Jenaer Studenten (IS II: 157–158). Seifert wird in einem ausführlichen Porträt dargestellt, das gleich zu Beginn auf seine Beziehung zur Dichtkunst eingeht: „Obschon er selten Gedichte las, und eigentlich die Poesie wenig liebte […], war doch sein ganzes Wesen sehr poetisch“ (IS II: 193). In diesem poetischen Geist gründet er mit seinen Kameraden eine wandernde Schauspieltruppe. Nachdem sie dieses Leben eine Zeitlang ausgekostet haben, tritt Seifert mit seinen Getreuen in Gustav Adolfs Dienste, während Albert sich von einem Dorfpfarrer als Vertreter des Küsters anstellen lässt.

      Im dritten Band lernt Albert dank Seiferts Vermittlung Gustav Adolf persönlich kennen; der König ist von einem Gedicht Alberts angetan und ermöglicht ihm ein Studium in Wittenberg, als Gefährte seines Sohnes. Bald darauf fällt Gustav Adolf in der Schlacht bei Lützen, sein Sohn kehrt nach Stockholm zurück, und auch Albert möchte nach Norden reisen. Er schifft sich nach Kalmar ein, wird jedoch von einem Sturm zu einem Zwischenhalt auf der Insel Öland gezwungen, wo er durch Krankheit längere Zeit festgehalten wird. Ein zweiter Sturm lässt das Schiff der Holsteinisch-Gottorpschen Gesandtschaft, die im Auftrag des Herzogs von Schleswig-Holstein nach Russland und Persien unterwegs ist, an der Insel scheitern. Zur Gesandtschaft, die in dem Wirtshaus unterkommt, wo auch Albert wohnt, gehört neben ihrem Sekretär Adam OleariusOlearius, Adam auch der Dichter und Arzt Paul Fleming,Fleming, Paul der Albert kuriert und mit ihm Gespräche über Arzt- und Dichtkunst führt (vgl. Kap. 7.1.2). Nach dem Hochzeitsfest eines armen Mädchens, dem Albert und Fleming zu einer Mitgift und zur gewünschten Heirat verholfen haben, reist die Gesandtschaft weiter. Albert dagegen tritt in die Dienste van Leuvens, eines holländischen Adligen, der in den IS in Kalmar stationiert ist und sich nach Ostindien einschiffen will. Sie reisen zunächst nach Kopenhagen, wo sie den Ankerschmied Mats Hansen kennenlernen, der am Hof Christians IV. in einem Trinkduell auftritt (vgl. Kap. 8.2) und den Anker für van Leuvens Schiff schmiedet. Albert soll sich aus Gründen, die er erst später erfährt, als Frau verkleiden, was zur Begegnung mit Carl van Mandern, einem holländischen Porträt-Maler führt, der gerade daran ist, Christian IV. zu malen, und der für Albert eine holländische Frauentracht besorgt hat. In seinem Atelier hängen Genre-Bilder von flämischen Meistern, an deren Betrachtung sich ein ausgedehntes Gespräch über Malerei knüpft, das teilweise an die Reflexionen über die holländischen Gemälde erinnert, die der auktoriale Erzähler dem Leser während Eberhards Reise durch Holland anstelle des realen Naturerlebnisses empfiehlt. Van Mandern vergleicht die Genre-Bilder der flämischen Maler mit den Heiligen- und Märtyrerdarstellungen der zeitgenössischen Italiener und kommt zum Schluss, nicht der Gegenstand eines Bildes sei das Wesentliche, sondern die Kunst der Darstellung, weshalb die Gemälde der Flamen trotz der einfachen Sujets den neueren Italienern weit überlegen seien, welche „das Grosse und Erhabene auf eine conventionelle kleinliche Art“ behandelten. Ihre Bilder seien bloss „mittelmässige Nachahmungen der Kunst“ statt „schöner Nachahmungen der Natur“ (IS III: 165). Das

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