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mit dem Gedenken an Oehlenschlägers Tod zu sehen, der sich 1900 zum 50. Mal jährte, – ein Ereignis, das u.a. Vilhelm Andersen veranlasste, seine bereits erwähnte, umfassende Monographie über Oehlenschlägers Leben und Werk herauszugeben.

      Abb. 3: Titelblatt der Ausgabe von 1904 (Foto privat)

      Eine Neuausgabe hat der Roman – trotz des Verdikts von Jens Kistrup und Jurij Moskvitin in Weekendavisen – in jüngster Zeit wieder erlebt: der online-Verlag eBibliotek 1800 hat Øen i Sydhavet 2013 im epub-Format herausgebracht. Als Grundlage für die Publikation diente nicht etwa Gyldendals verhältnismässig modern anmutende Ausgabe, sondern jene Liebenbergs von 1862, d.h. dessen Version der gekürzten Romanfassung. Der Verlag gibt an, er nehme für seine Publikationen aus der Zeit zwischen 1800 und 1945 jeweils eine „schonende Bearbeitung“ vor, indem er die „typographischen Hindernisse“, wie „altmodische Rechtschreibung und gotische Schrift“ beseitige und „in gewissen Fällen“ auch Teile des Textes sprachlich modernisiere.20 Die epub-Ausgabe von Øen i Sydhavet wurde mit einem farbenprächtigen Cover geschmückt: Das Gemälde Miranda – The Tempest des präraffaelitischen Malers John William Waterhouse von 1916 prangt nun als virtueller Buchdeckel auf Oehlenschlägers Werk, eine Wahl, die der Autor vielleicht gebilligt hätte, besonders angesichts der wichtigen Rolle, die ShakespeareShakespeare, William – und nicht zuletzt The Tempest – in seinem Roman spielt. Es ist zu hoffen, dass das dramatische Coverbild21 und die veröffentlichte „Leseprobe“ attraktiv genug sind, um das Interesse der Lesenden zu wecken und festzuhalten, auch wenn man es bedauern mag, dass nicht die ungekürzte Fassung für diese neue Publikation gewählt wurde; in deren Impressum wird die Erstausgabe von 1824–1825 immerhin noch aufgeführt.

      Abb. 4: Buchcover der dänischen e-book-Ausgabe. © eBibliotek 1800

      Was nun die deutsche Kurzfassung betrifft, so wurde sie im Jahr 1911 nochmals ediert, zu einer Zeit also, da Oehlenschläger im deutschen Sprachgebiet kaum mehr zu den bekannten oder gar berühmten Dichtern zählte.22 Das literarische Umfeld dieser Publikation scheint darauf hinzuweisen, dass sie mit dem seit einiger Zeit wieder erwachten Interesse an Schnabels Insel Felsenburg zusammenhängen könnte. Ausschlaggebend für diese neue Aufmerksamkeit dürfte einerseits gewesen sein, dass der Literarhistoriker Adolf Stern in einem längeren Artikel Näheres zu Schnabels bis dahin im Dunkeln gebliebener Biographie veröffentlicht hatte (Stern, A. 1880: 317–366), andrerseits wurde die Insel Felsenburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend als historischer Roman gelesen, eine Gattung, die sich gerade in jener Zeit ausserordentlicher Beliebtheit erfreute.23 Auch Stern selbst sah Schnabels Roman teilweise als historiographisches Dokument, was allein schon die Veröffentlichung seines Artikels, der sich mit der Insel Felsenburg ebenso befasst wie mit der Person ihres Verfassers, im Historischen Taschenbuch zeigt,24 was aber auch in seiner Auffassung deutlich wird, Schnabel habe durch die vielen eingeflochtenen Biographien ein prägnantes Bild der bürgerlichen Welt Deutschlands in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gezeichnet (Stern, A. 1880: 342). Mit Sterns Artikel setzte eine eigentliche Forschungstätigkeit zu Schnabel und seinem Werk ein, die zu einer neuen Edition von Band 1 der Erstausgabe der Insel Felsenburg führte,25 sowie in den Jahren 1911/12, also gleichzeitig mit dem Erscheinen der Neuausgabe von Oehlenschlägers Inselroman, erste Dissertationen hervorbrachte.26 Zudem erschien, ebenfalls 1911, unter dem Titel Der deutsche Robinson, eine stark gekürzte und sprachlich vereinfachte Lebensgeschichte des Albert Julius, bearbeitet und herausgegeben von Wilhelm Fischer (Stach 1991: 117).

      In der Einleitung des Berliner Literaturwissenschaftlers Richard Moritz Meyer zur Neuausgabe von Oehlenschlägers Inseln im Südmeer wird die vermutete, vom Interesse für Schnabel und sein Werk ausgehende Motivation für die Neuauflage von Oehlenschlägers Roman greifbar, denn diese Einleitung befasst sich viel ausführlicher mit Schnabel und der Insel Felsenburg als mit dem Roman, dem sie vorangestellt ist. Zunächst jedoch beschreibt Meyer das äussere Erscheinungsbild der verschiedenen Werke, die er in seinem Aufsatz behandelt:

      Vor mir liegen die „Wunderlichen Fata einiger Seefahrer“ in drei Bearbeitungen. Da ist zunächst die Originalausgabe oder vielmehr eine der Originalausgaben mit dem schön in Rot und Schwarz gedruckten Titel, Band drei mit einer zweiteiligen Abbildung von Sarg und Grabpyramide des Albertus Julius verziert; dann die beiden Erneuerungen, auf schlechtem Papier und in grauem Druck: TiecksTieck, Ludwig „Insel Felsenburg“ in sechs und Öhlenschlägers „Inseln im Südmeer“ in vier Bänden, jene von 1828, diese von 1826. (Meyer [1911]: VII)27

      Der Aufsatz offenbart die Hochschätzung Meyers für Schnabels Roman, während er die damals noch allgemein Tieck zugeschriebene Bearbeitung weitgehend negativ beurteilt, vor allem in Bezug auf die sprachlichen Neuerungen, die ein „ziemlich mattes Deutsch zweiter Hand“ ergeben hätten (Meyer [1911]: XIII). Diese Einschätzung Meyers scheint eine Entsprechung in der äusseren Gestaltung der Ausgaben zu finden: Das schön geschmückte und mit einer Abbildung verzierte Buch repräsentiert Schnabels Werk in würdiger Form, der „graue Druck“ auf „schlechtem Papier“ dagegen passt zu „TiecksTieck, Ludwig unzureichender Modernisierung“ ([1911]: XIV). Ganz anders verhält es sich bei Oehlenschläger, in dem Meyer den „einzige[n] wirkliche[n] ‚Bearbeiter‘ des Buches“ sieht ([1911]: X), der durch seine Erneuerung Schnabels Werk gewissermassen zu neuem Leben erweckt, ja, eigentlich zu höherer Vollendung geführt habe, indem er „in die planlose Fülle der Erlebnisse des alten Buches ein ordnendes Prinzip einzufügen“ vermochte ([1911]: XV). Auch Meyer liest Schnabels Insel Felsenburg stellenweise als historischen Roman, wie schon Adolf Stern, den er explizit erwähnt. Oehlenschläger hat in Meyers Augen die Gattung im Vergleich zu Schnabel weiterentwickelt, da er sich auf Walter ScottScott, Walter, den grossen Lehrmeister auf diesem Gebiet, stützen konnte. Ausserdem hebt Meyer die Fähigkeit Oehlenschlägers hervor, das Kunstgespräch, ein Hauptelement des romantischen Romans, auf natürliche Weise mit den Figuren und der Handlung zu verknüpfen. Was aus Meyers Einleitung implizit hervorzugehen scheint: Das „schlechte Papier“, der „graue Druck“, sind Oehlenschlägers Werk nicht angemessen. Deshalb erscheint dieses jetzt – was Meyer allerdings nicht erwähnt – analog zur schönen Ausgabe der Insel Felsenburg in einer sorgfältig gestalteten, der Erscheinungszeit entsprechend mit Jugendstilelementen verzierten Edition, deren meerblauen Einband goldene Lettern und eine goldfarbene Vignette mit Schiffsmotiv schmücken. Weitere Vignetten zeigen auf den reich ornamentierten Vorsatzblättern neben Titel und Autornamen eine Burg auf felsiger Insel im Meer – eine graphische Umsetzung der Bezeichnung „Insel Felsenburg“ also. Dass dieses Buch aber nicht etwa die vierbändige Erstausgabe von 1826, die Meyer eingangs erwähnte, sondern einen orthographisch modernisierten Neudruck der gekürzten Version von 1839 enthält, darüber wird der Leser nicht informiert.28

      Abb. 5: Buchdeckel der Ausgabe von 1911 (Foto privat)

      Die Ausgabe von 1911 wurde von Franz Deibel ganz im Sinne von Meyers Einleitung rezensiert; er nennt den „eben den Staubkammern der Weltliteratur entrissene[n] Roman des Dänen Adam O e h l e n s c h l ä g e r“ (gesperrt im Original) ein „verschollenes Werk […], das wohl von einem nordischen Autor stammt, aber von den Quellen deutschen Geistes und deutscher Dichtung gespeist ward“ (Deibel 1911: Sp. 1515–1516). Hier wird also Oehlenschläger weniger als Vermittler zwischen deutscher und dänischer Kultur gesehen, sondern als ein von deutschem Schrifttum abhängiger Dichter.29Andersen, Hans Christian In enger Anlehnung an Meyer, auf den Deibel sich explizit beruft, spricht er von Oehlenschläger als dem „GoetheGoethe, Johann Wolfgang von des Nordens“ (Sp. 1516). (Meyer nannte ihn den „dänischen Goethe“ [1911: XIV).30Goethe, Johann Wolfgang vonAndersen, Hans Christian Auch Deibel befasst sich in aller Ausführlichkeit mit der Insel Felsenburg, und auch er hält, wie Meyer, die Inseln im Südmeer für eine Aktualisierung, teilweise sogar Verbesserung von Schnabels Werk.

      Nur am Rande sei erwähnt, dass Arno SchmidtSchmidt, Arno seit 1959 ein Exemplar der Ausgabe

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