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zu Handys und Gehirntumoren in Kapitel 11.

      Herzinfarkt – woher wir die Risikofaktoren kennen

      Framingham, ein kleiner Ort in Massachusetts, USA, Ende der 1940er-Jahre. Auch hier spüren Epidemiologen einer neuen Epidemie nach und wollen herausfinden, wie und warum sie sich verbreitet. Es handelt sich um eine Epidemie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere der Herzinfarkt nahm seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts epidemisch zu, zunächst in den USA und später in Westeuropa.

      

Heute wissen wir, dass Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, Rauchen, Übergewicht, Zuckerkrankheit (Diabetes), Bewegungsmangel und bestimmte Formen von Stress Risikofaktoren für Herzinfarkt sind. Diese Einsicht verdanken wir der Framingham-Studie (mehr über diese Studie erfahren Sie in Kapitel 10).

      Manager oder Revolutionär?

      Sind Sie Manager? Dann befürchten Sie vielleicht, ein besonders hohes Risiko für einen Herzinfarkt zu haben. Schließlich tragen Manager bekanntermaßen Verantwortung und stehen daher unter Stress. Wir können Sie hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen aber beruhigen: Sie leben weniger gefährlich, als Sie vermuten.

      Wenn Sie dagegen zu den vielen Menschen gehören, die gemanagt werden, haben wir eine schlechte Nachricht für Sie: Epidemiologische Studien zeigen, dass Gemanagte mit größerer Wahrscheinlichkeit einen Herzinfarkt erleiden als ihre Chefs, die Manager (wenn alle weiteren Expositionen gleich sind). Auch ein niedriges Einkommen ist ein Risikofaktor: Arme Menschen erkranken häufiger und sterben früher als Reiche – eine bittere Erkenntnis der Sozialepidemiologie (mehr dazu in Kapitel 20). Wenn Epidemiologen Politiker wären, müssten sie zur Revolution aufrufen.

      In den Industrieländern klingt die Epidemie des Herzinfarkts übrigens ab, zumindest bei Männern unter 65 Jahren. Die rauchen weniger und profitieren von einer besseren medizinischen Versorgung des Infarkts. Jüngere Frauen und Menschen in ärmeren Ländern hingegen rauchen immer mehr – ihr Herzinfarktrisiko steigt voraussichtlich an.

      Vitamine einwerfen und gesund bleiben?

      Obst ist gesund. Wenn Sie Früchte und frisches Gemüse essen, versorgen Sie Ihren Körper mit den Vitaminen A, C und E sowie mit Betakarotin, einer Vorstufe von Vitamin A. Das soll vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Aber es kostet Zeit, eine Orange zu schälen. Der klebrige Saft spritzt über den Tisch und die Schale färbt die Fingernägel gelb. Wie viel einfacher ist es doch, ein paar Vitaminpillen einzuwerfen, um gesund zu bleiben.

      

Wir müssen Sie leider enttäuschen, und zwar auf ganzer Linie. Zusätzlich eingenommene Vitaminpräparate verbessern die Gesundheit nicht (wir nehmen mit unserer Nahrung meistens genügend Vitamine auf). Raucher, die sogenannte »Rauchervitamine« in hoher Dosierung einnehmen, erhöhen damit möglicherweise ihr Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken.

      Wie gelangen Epidemiologen zu solchen Einsichten? Sie vergleichen Gruppen von Menschen (auf Epidemiologisch: Bevölkerungen). Sie suchen sich dazu mindestens zwei Bevölkerungen:

       Eine Bevölkerung, die sich auf eine bestimmte, die Epidemiologen interessierende Weise verhält, beispielsweise eine, die Vitaminpillen einnimmt. Auf gut Epidemiologisch ist dies die exponierte Bevölkerung.

       Eine zweite Bevölkerung zum Vergleich, die die interessierende Verhaltensweise nicht hat – in unserem Beispiel: die keine Vitaminpillen einwirft. Das ist die nicht exponierte Bevölkerung.

      Die Epidemiologen beobachten beide Bevölkerungen, oftmals über viele Jahre – sie nennen das Kohortenstudie, siehe Kapitel 10. Sie vergleichen dann die Häufigkeit von Erkrankungen oder Todesfällen (Outcomes) in beiden Gruppen.

      

»Exposition« klingt negativ und gefährlich. Epidemiologen benutzen den Begriff aber auch im positiven Sinne: Wenn sie untersuchen, ob eine »Mittelmeerdiät« (viel Obst und frisches Gemüse, Olivenöl, wenig Fleisch) vor Herzinfarkt schützt, betrachten sie die Menschen mit solchen Essgewohnheiten als »exponiert«. Die Kloß-und-Braten-Fraktion ist in diesem Fall nicht exponiert. Die Epidemiologen messen die positive Wirkung der Exposition Mittelmeerdiät und haben vielleicht auch einmal gute Nachrichten (zumindest für Kloßverächter).

      Eine Definition von Epidemiologie

      Aus unseren Beispielen haben Sie schon eine Menge darüber erfahren, was Epidemiologen tun. Daraus können Sie eine Definition von Epidemiologie herleiten. Hier ist ein Vorschlag:

      

Die Epidemiologie untersucht die Verteilung von Gesundheitsproblemen und Risikofaktoren in der Bevölkerung oder in Untergruppen der Bevölkerung. Sie wendet das dabei gewonnene Wissen an, um die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern.

      Die untersuchten Gesundheitsprobleme sind keineswegs nur Seuchen oder nicht übertragbare Krankheiten wie Herzinfarkt. Epidemiologen untersuchen zum Beispiel auch die Verteilung und die Risikofaktoren von Verkehrsunfällen. Auch hier gibt es »Epidemien«, also Anstiege innerhalb bestimmter Zeiträume über das gewohnte Maß hinaus.

      

Freitag- und Samstagnacht kommt es zu einer Epidemie von Verkehrsunfällen, weil junge Männer nach dem Discobesuch betrunken Auto fahren. Sie können zur Vorbeugung beitragen: Nehmen Sie Ihrem Freund den Autoschlüssel weg und bestellen Sie ein Taxi.

      

Wie kommt die Epidemiologie zu ihrem Namen? »Epidemiologie« setzt sich zusammen aus den griechischen Wörtern epi (über), demos (Bevölkerung) und logos (Wort oder sinngemäß »Lehre«). Epidemiologie ist damit die Lehre von der Bevölkerung – und von den Dingen, die über die Bevölkerung kommen, wie beispielsweise Seuchen.

      Manchmal würden wir Epidemiologen uns gerne im sogenannten »akademischen Elfenbeinturm« (das ist die Universität –

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