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die bis dahin nur im Ganges-Delta (dem heutigen Bangladesch) bekannt war. 1849 kamen bei einem großen Ausbruch in London 15.000 Menschen ums Leben. Die Symptome können dramatisch sein:

       bis zu 20 Liter wässriger Stuhlgang pro Tag,

       dadurch extremer Flüssigkeitsverlust (Dehydrierung),

       in der Folge Herzversagen,

       hohe Sterblichkeit (ein großer Anteil der Erkrankten verstarb).

      Im 19. Jahrhundert starben so viele der an Cholera erkrankte Menschen, weil die Ärzte noch nicht verstanden, welche Mechanismen zum Tode führten. Auch waren die verfügbaren Therapiemethoden nicht wirksam. Sie beschränkten sich auf Aderlass (im Fall der Cholera mit Sicherheit schädlich) und Abführmittel (bei der Cholera nicht wirklich erforderlich).

      

Cholera wütet heute immer noch in ärmeren Ländern und in Katastrophenregionen. Die Ärzte heute haben ihr aber wirksame Behandlungsmethoden entgegenzusetzen. Erkrankte erhalten Flüssigkeit in genügend großen Mengen, um den Wasserverlust auszugleichen. Damit lässt sich die Letalität (der Anteil der Fälle, die versterben) auf etwa 1 Prozent senken.

      Die Miasma-Theorie

      Heute wissen wir, dass Cholera durch Bakterien mit dem Namen Vibrio cholerae ausgelöst wird. Mitte des 19. Jahrhunderts jedoch stritten Ärzte und Wissenschaftler noch heftig darüber, wie Cholera entsteht und übertragen wird. Besonders populär war die sogenannte Miasma-Theorie. Sie besagt, dass Krankheiten durch das Einatmen schädlicher Dämpfe (Miasmen) entstehen, die vermeintlich aus feuchtem Erdreich aufsteigen. Dementsprechend waren die Vorschläge zur Prävention:

       das Einatmen von Miasmen vermeiden (beispielsweise, indem sich die Menschen eine Riechflasche unter die Nase halten)

       den Boden in Wohnvierteln trockenlegen (indem die Städte Entwässerungssysteme bauen)

       Talismane tragen

      Sie können sich vorstellen, dass solche Maßnahmen Ausbrüche der Cholera nicht verhinderten. Dennoch beharrten selbst ausgewiesene Wissenschaftler auf der Miasma-Theorie. »Gestank macht krank« klingt halt sehr einleuchtend.

      Gesundheitsberichterstattung

      William Farr (1807 bis 1883)

      William Farr arbeitete zunächst als Gehilfe eines Chirurgen im ländlichen England des 19. Jahrhunderts. Er studierte Medizin in Frankreich und der Schweiz und eröffnete 1833 eine Praxis in London. Zunehmend interessierte er sich für Medizinalstatistik. Seit 1838 arbeitete er im neu eingerichteten »General Register Office«. Seine Aufgabe war, Daten für gesundheitsbezogene Statistiken in England und Wales zusammenzutragen und auszuwerten. Er entwickelte daraus eine Gesundheitsberichterstattung und eine vorbildliche nationale Todesursachenstatistik. Sie ermöglichte es nicht nur, Statistiken über die Bedeutung verschiedener Todesursachen aufzustellen. Farr arbeitete auch Tabellen aus, die die Sterblichkeit unterschiedlicher Berufsgruppen zeigten. Damit war er einer der Vorläufer der Sozialepidemiologie (mehr darüber erfahren Sie in Kapitel 20).

      Farr musste später erkennen, dass er falsch lag. Es gab eine andere Erklärung, die sich als die richtige entpuppte. Die Menschen in den tiefer gelegenen Stadtvierteln bezogen ihr Trinkwasser direkt aus der Themse. Es war, wie wir heute wissen, mit Cholera-Erregern aus den Abwässern verseucht. Menschen in höher gelegenen Stadtvierteln bezogen ihr Wasser aus anderen Quellen, die nicht verseucht waren. Farr hatte also eine andere Erklärung übersehen.

      

Epidemiologen nennen eine solche alternative Erklärung heute »Confounder«. Das englische Verb »to confound« bedeutet »durcheinanderbringen« oder »verwirren«.

      Farrs Zeitgenosse John Snow (der größte Held der Epidemiologen) klärte Farrs Irrtum auf. Übrigens auch dank der Hilfe von Farr, der ihm seine Daten zur Verfügung stellte. Mehr zu Snows wissenschaftlicher Detektivarbeit erfahren Sie im nächsten Abschnitt.

      William Farr war gleichzeitig einer der ersten Epidemiologen, die soziale Ursachen für Krankheiten untersuchten. Er begnügte sich nicht damit, Zahlen zusammenzutragen. Vielmehr wurde er zu einem Vorkämpfer für eine bessere Gesundheitsversorgung, insbesondere für die ärmere Bevölkerung.

      

Farr stellte fest, dass ein großer Teil der vielen Todesfälle unter Kindern auf Hunger zurückzuführen war. Hungernde Kinder erkranken leichter an Infektionskrankheiten, weil ihr Immunsystem geschwächt ist. Zudem mussten schon kleinere Kinder in Fabriken oder Bergwerken arbeiten. Farr konnte mit seinen Statistiken belegen, dass diese Kinder eine hohe Sterblichkeit hatten. Er veröffentlichte seine Zahlen und erreichte damit eine Gesetzesänderung zum besseren Schutz der Kinder.

      John Snow war ein Phänomen. Er arbeitete als Armenarzt in den südlichen Stadtteilen von London. Zugleich wurde er Leibarzt von Königin Victoria. Grund waren seine erfolgreichen Experimente mit Chloroform als Narkosemittel, die ihn bekannt und berühmt machten. Die Königin bat ihn 1853, ihr bei der Geburt ihres achten Kindes eine Narkose zu geben. Snow war damit erfolgreich und erhielt höchste Anerkennung. Er hat die Individualmedizin ohne Zweifel einen großen Schritt nach vorn gebracht.

      Unter Epidemiologen ist John Snow aus anderen Gründen berühmt. Aufgrund seiner Tätigkeit als Armenarzt kannte er die von der Cholera besonders stark befallenen Stadtteile Londons sehr gut. Er untersuchte die Cholera-Ausbrüche Mitte des 19. Jahrhunderts und wendete dabei Methoden an, wie sie die Epidemiologen auch heute noch einsetzen. Dadurch konnte er – lange, bevor der Cholera-Erreger entdeckt wurde – die Übertragungswege nachvollziehen und erstmals wirksame Vorsorgemaßnahmen vorschlagen.

      Bei seiner Arbeit ging Snow ähnlich wie ein Detektiv vor. Er folgte dabei den Schritten einer jeden epidemiologischen Untersuchung:

      1 Beobachten (im Lichte bestehender Theorien)

      2 Hypothesenbildung

      3 Datenerhebung: Wer? Wo? Wann?

      4 Datenanalyse und Präsentation

      5 Schlussfolgerungen

      6 Intervention zur Verbesserung der Gesundheit

      Heutige Epidemiologen setzen immer noch ähnliche Methoden wie John Snows ein.

      Beobachten im Lichte bestehender Theorien

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