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von Seuchen gibt es auch in Deutschland – wir erläutern das in Kapitel 18 am Beispiel von Grippe-Epidemien. Die meisten Infektionskrankheiten verlaufen aber weniger dramatisch als Grippe, COVID-19 oder Ebola, und glücklicherweise sterben heute nicht mehr so viele Menschen daran wie früher. Ist dieser Rückgang eine Leistung der modernen Medizin mit ihren Impfungen und Antibiotika?

      Um das herauszufinden, werfen wir einen Blick in die Gesundheitsberichterstattung, ebenfalls ein Arbeitsgebiet der Epidemiologen. Die Gesundheitsberichterstattung informiert unter anderem über die Häufigkeit von Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung. Um Gesundheitsberichte zu erstellen, benutzen Epidemiologen oft Register von Krankheiten oder Todesfällen als Datenquelle (siehe dazu Kapitel 24). Die Auswertung von Registern ist weniger aufwendig, als neue Daten zu erheben. Außerdem ermöglicht es, auf Daten vergangener Jahre zurückzugreifen. So können Epidemiologen untersuchen, wie sich Gesundheitsrisiken über die Zeit verändern, und Rückschlüsse auf mögliche Ursachen ziehen.

      Aus dem Verlauf der Kurve können Sie einige interessante Beobachtungen ableiten:

       Die Säuglingssterblichkeit sank lange bevor es medizinische Errungenschaften wie Antibiotika (beispielsweise Sulfonamide) und Impfprogramme gab. Ausschlaggebend für einen großen Teil des Rückgangs waren bessere Lebensbedingungen, beispielsweise ausreichende Ernährung und sauberes Trinkwasser – und nicht etwa die Medizin.

       Ein Ereignis wie der Zweite Weltkrieg wirkt sich sichtbar negativ auf die Säuglingssterblichkeit aus – vor allem durch Hunger, schlechtere medizinische Versorgung sowie Todesfälle durch Bombenangriffe und durch die Gefahren des Auf-der-Flucht-Seins. Die Säuglingssterblichkeit gibt also Auskunft über die Situation einer Gesellschaft.

       In den vergangenen Jahren hat die Säuglingssterblichkeit einen sehr niedrigen Wert erreicht. Aber nur die jüngsten Verbesserungen verdanken wir der Hochleistungsmedizin, beispielsweise bei der Betreuung frühgeborener Säuglinge.

       Regelmäßige und lückenlos erhobene Daten zur Säuglingssterblichkeit liegen erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts vor. Vollständige Daten sind keine Selbstverständlichkeit, sie erfordern Bemühungen vieler Beteiligter (siehe Kapitel 24).

       Die vergleichsweise starken Schwankungen der Säuglingssterblichkeit vor 1949 lassen vermuten, dass die früheren Daten weniger zuverlässig waren als heute (zum Teil liegt es aber auch daran, dass es für die Zeit vor 1910 nur Daten aus unterschiedlichen Teilgebieten Deutschlands gibt).

      

Was Sie aus der Abbildung nicht erkennen können: Nicht alle Bevölkerungsgruppen in Deutschland haben eine gleichmäßig niedrige Säuglingssterblichkeit. Bei ausländischen Staatsangehörigen lag sie zeitweilig doppelt so hoch wie in der deutschen Bevölkerung. Das deutet darauf hin, dass diese Gruppe gesellschaftlich benachteiligt war und einen schlechteren Zugang zu Gesundheitsdiensten hatte – ein Thema der Sozialepidemiologie.

      

Es gibt immer noch Länder, in denen die Säuglingssterblichkeit nahezu so hoch ist wie in Deutschland um 1930. Dazu zählen ehemalige Bürgerkriegsgebiete in Afrika wie Sierra Leone und Liberia (81 bzw. 62 pro 1.000, Zahlen für 2019). Auch hier tragen schlechte Lebensbedingungen und Mangelernährung zu einer hohen – und weitgehend vermeidbaren – Sterblichkeit an Durchfall und Lungenentzündung bei. In vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara kommen Malaria und Aids als weitere Gesundheitsprobleme hinzu.

      In Deutschland trug neben der verbesserten Hygiene vor allem eine bessere Ernährung zur sinkenden Sterblichkeit durch Infektionskrankheiten bei. Wohlgenährte Menschen haben stärkere Abwehrkräfte. Sie stecken sich seltener an und haben eine höhere Überlebenschance, falls sie doch erkranken. Diese erfreuliche Entwicklung hat aber eine Kehrseite.

      Gesundheitsrisiken heute

      Die modernen Industriegesellschaften, zu denen auch Deutschland gehört, haben einen »gesundheitlichen Übergang« durchlaufen: Zwar sterben weniger Menschen an Infektionskrankheiten, jedoch gewinnen nicht übertragbare, chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf- Erkrankungen und Krebs an Bedeutung (sie sind heute bei uns die häufigsten Todesursachen). Was sind die Gründe?

       Wir pflegen einen komfortablen Lebensstil mit kalorienreicher Ernährung, zu vielen Zigaretten und viel zu wenig Bewegung.

       Die betreffenden Krankheiten haben meist mehr als eine Ursache, sie sind »multifaktoriell«. Das erschwert Vorbeugung und Behandlung.

       Die Krankheiten verlaufen chronisch, das heißt, viele Menschen leben Jahre oder Jahrzehnte mit ihnen.

       Deutschlands Bevölkerung altert (siehe Kapitel 4), und die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs nimmt mit dem Alter zu.

      Nicht übertragbare Krankheiten und ihre Ursachen sind ein wichtiges Thema für die Epidemiologie. Heutzutage befassen sich Epidemiologen nicht nur mit Ausbrüchen von ansteckenden Krankheiten. In ihren Augen ist die Zunahme eines jeglichen Gesundheitsproblems über das gewohnte Maß hinaus (bezogen auf einen Zeitraum und eine Region) eine »Epidemie«, die sie mit epidemiologischen Methoden untersuchen.

      Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige Krebserkrankungen heute vordringliche Gesundheitsprobleme sind, kommen auch viele unserer Beispiele aus diesen Bereichen. Auf den nächsten Seiten vermitteln wir Ihnen einen ersten Eindruck der Epidemiologie des Rauchens und des Herzinfarkts. Und wir zeigen Ihnen anhand von epidemiologischen Studienergebnissen, dass es gegen diese Krankheiten leider keine Wunderwaffen (wie etwa Vitamintabletten) gibt.

      Warum Epidemiologen die Raucher brauchen

      Epidemiologische Forschungsergebnisse sind nur selten so einfach und eindrücklich wie die zum Thema Rauchen: Ein einzelner Risikofaktor (eben das Rauchen) führt bei Rauchern zu einer Krankheit, die bei Nichtrauchern selten ist – dem Lungenkrebs. Und kaum einen anderen Zusammenhang haben die Epidemiologen so gründlich studiert. Daher bringen wir in diesem Buch immer wieder Beispiele zu Rauchen und Lungenkrebs (und nerven Sie, wenn Sie Raucher sind). Wie heißt es so schön: Die Epidemiologen brauchen die Raucher dringender als die Raucher die Epidemiologen.

      

Auch als Raucher können Sie den Forschungsergebnissen der Epidemiologen etwas Positives abgewinnen. Die zeigen nämlich: Wenn Sie mit dem Rauchen aufhören, geht Ihr Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, wieder zurück. (Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt ist, dass Sie mit weniger Schnaufen die Treppe hinaufkommen.)

      Falls Sie rauchen und sich Sorgen um

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