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      Die englische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel African Europeans bei C. Hurst & Co. Publishers Limited in London.

      Die Arbeit der Übersetzerin am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert im Rahmen des Programms »NEUSTART KULTUR« aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

      Dieses Buch erscheint im Rahmen des Förderprogramms des Institut français und des französischen Außenministeriums, vertreten durch die Kulturabteilung der Französischen Botschaft in Berlin.

      E-Book-Ausgabe 2022

      © Olivette Otele, 2020

      Authorized translation from the original C. Hurst & Co.

      Publishers Ltd. Edition. German edition published by arrangement with Eulama Lit. Ag.

      © 2022 für die deutsche Ausgabe: Verlag Klaus Wagenbach

      Emser Straße 40/41, 10719 Berlin www.wagenbach.de

      Covergestaltung Julie August unter Verwendung eines Gemäldes von Annibale Carracci (Öl/Lw, 1580) / ART collection / Alamy stock photo

      Datenkonvertierung bei Zeilenwert, Rudolstadt.

      Alle Rechte vorbehalten. Jede Vervielfältigung und Verwertung der Texte, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für das Herstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet sowie Übersetzungen.

      ISBN: 9783803143372

      Auch in gedruckter Form erhältlich: 978 3 8031 3712 8

       www.wagenbach.de

       EINLEITUNG

      Über Schwarze Lebensgeschichten und Erfahrungen in ganz unterschiedlichen geografischen Kontexten sind bereits unzählige wertvolle Bücher geschrieben worden.1 Allerdings behandelt nur ein relativ geringer Teil von ihnen speziell die Erfahrungen von Menschen afrikanischer Abstammung im Europa vor den Weltkriegen. Zwar sind eine Handvoll individueller Lebensschilderungen am Rande in die europäische Geschichtsschreibung integriert worden, diese stehen aber zumeist in Verbindung mit der Geschichte der Versklavung oder mit kolonialen Begegnungen ab dem 15. Jahrhundert. Die bisher veröffentlichten Arbeiten kombinieren den Begriff »Schwarze Präsenz« oftmals mit einem spezifischen geografischen Gebiet. Von der »Schwarzen Präsenz in Europa« bis zur »Schwarzen Präsenz in Wales« skizzieren diese Werke das Leben von Menschen afrikanischer Abstammung an den jeweils genannten Orten.2 Außerdem handeln die verfügbaren Bücher häufig von bekannten Männern und Frauen. Selbstverständlich verdienen solche Individuen Forschung, und die Biografien liefern interessante Interpretationen und werfen ein neues Licht auf ihre Lebensgeschichten. Beispielsweise widmeten sich in den letzten Jahrzehnten mehrere Werke ehemals versklavten Personen. Von Olaudah Equiano bis Mary Prince, die beide in Großbritannien lebten, scheint der Fokus dabei auf Abolitionist*innen des 18. Jahrhunderts und ihren Verbindungen zu verschiedenen anderen gesellschaftlichen Gruppen zu liegen.

      Schwarze Abolitionist*innen und andere Schwarze Männer und Frauen wurden betrachtet in Bezug auf ihre Rollen als Modelle für berühmte Gemälde oder als Bedienstete, die in der Reiseliteratur und anderen künstlerischen Werken auftauchen. Werden diese Männer und Frauen individuell untersucht, dann erscheinen sie generell als Ausnahmefiguren, deren Leben durch komplexe Begegnungen mit europäischen Menschen transformiert wurden. In solchen Berichten wird ihre »Einzigartigkeit« als plausible Erklärung für ihren Ruhm angegeben. Einige dieser Geschichten sollen aufgrund ihres außergewöhnlichen Beitrags zu den europäischen Gesellschaften überlebt haben. Über weitere Aspekte ihres Lebens, wie etwa die enge Verbindung, die sie zu anderen Menschen afrikanischer Abstammung gehabt haben mochten, wurde dagegen nur wenig bekannt gemacht. Manche Geschichten sind dem Vergessen anheimgefallen oder in ihrer Bedeutung unterschätzt worden. So werden etwa der afrikanische Widerstand gegen die Versklavung an den afrikanischen Küsten oder der Kampf gegen den transatlantischen Sklavenhandel in Afrika in Werken über die Versklavung in der europäischen Kolonialgeschichte kaum erwähnt. Dabei war Widerstand nichts Ungewöhnliches, die Beispiele umfassen etwa die beeindruckende Geschichte der Königin Nzinga im 17. Jahrhundert, die zahlreichen Sklavenrevolten auf den Schiffen entlang der afrikanischen Küsten und die Sabotage des Plantagenlebens durch Maroons und versklavte Menschen, die in der Nähe ihrer Herren lebten. In der Geschichte des Schwarzen Widerstands gegen die Versklavung gibt es ein Kontinuum, das einen Bestandteil dessen darstellt, was Cedric J. Robinson als die »Wurzeln des Schwarzen Radikalismus«3 begreift. Laut Robinson brachte der Westen Schwarze Körper durch Gewalt unter seine Kontrolle, um Reichtum zu schaffen, zugleich kündigte sich damit jedoch auch das Ende der kapitalistischen Staaten an. Tatsächlich sei in die Mittel zur Anhäufung von Reichtum die Saat der Zerstörung bereits eingebettet gewesen.

      Jene Schwarzen Figuren, an die erinnert wird, sind ihm zufolge immer nur ein Teil der größeren Geschichte des Kampfes gegen die Ausbeutung. Die Verbindungen zwischen diesen verschiedenen Geschichten sind in Vergessenheit geraten, da die physische Unterwerfung nicht nur von einem Umschreiben der Geschichte der Unterdrücker begleitet wurde, sondern auch die Geschichte der Unterdrückten prägte. Robinson untersucht, auf welche Weise bestimmte Geschichten übersehen worden sind – selbst solche, die bereits lange vor der transatlantischen Sklaverei von wichtigen Denkern enthüllt wurden. So erinnerte sich etwa der klassische Historiker Herodot an Begegnungen mit Äthiopiern und Kolchern, von denen er glaubte, sie stammten von den Ägyptern ab.4 In Robinsons Analyse stellen jene Begegnungen fehlende Puzzleteile dar, die zwar von Historiker*innen aufgezeichnet wurden, jedoch im Globalen Norden der Moderne und Gegenwart größtenteils unerzählt blieben. Am Beispiel der amerikanischen Sklaverei demonstriert Robinson ebenfalls, wie frühe europäische Reisende die gesellschaftlichen, kulturellen und agrarwirtschaftlichen Systeme protokollierten, die sie in Gegenden von Westafrika sahen. Dennoch prägte im 18. Jahrhundert das Narrativ von den unkultivierten »Negroes« die Ideologie der Kolonialisten. Robinson bemerkt, »die Zerstörung der afrikanischen Vergangenheit« sei ein Prozess gewesen, der mehrere Stadien durchlief.5 Beispielsweise spielte die Namensgebung eine wichtige Rolle im Prozess der Auslöschung. »Das Konstrukt des Negro verwies, anders als die Begriffe ›Afrikaner‹, ›Maure‹ oder ›Äthiopier‹, auf keine Situiertheit in der Zeit, also der Geschichte, oder im Raum, also der Ethno- oder politischen Geografie. Der Negro verfügte über keine Zivilisation, keine Kultur, keine Religion, keine Geschichte, keinen Raum und schließlich keine Menschlichkeit, die hätte berücksichtigt werden müssen.«6 Robinson weist darauf hin, dass »die Erschaffung des Negro, die Fiktion eines unintelligenten Lasttiers, geeignet ausschließlich zur Versklavung, in einem engen Zusammenhang stand mit den ökonomischen, technischen und finanziellen Erfordernissen der westlichen Entwicklung vom 16. Jahrhundert an«.7 Afrikaner*innen, die wertvoll genug waren, um erinnert zu werden, waren jene, die demgegenüber als Ausnahmen galten.

      Die Vorstellung des Exzeptionalismus ist allerdings dennoch ein interessantes Werkzeug, um Geschichte zu verstehen. Mit ihm lässt sich in der Historiografie Aufschluss über Entwicklungen geben, in denen sich Klasse, Gender, Religion, race und so weiter überschneiden. Ein Fallstrick dieses Begriffs liegt gleichwohl in der ihm impliziten Behauptung, eine Geschichte, ein Umstand oder eine Figur stünde über einer anderen. Allerdings können diese Vergleiche, wie Philippa Levine argumentiert, Platz schaffen für transnationale, interkulturelle Analysen, die dazu beitragen mögen, zwischen verschiedenen Geschichten und Ländern Brücken zu bauen, um gegensätzliche Ideen zu vereinen.8 Das Problem liege stattdessen vielmehr in den verallgemeinernden Aspekten, die viele vergleichende Studien begleiten und die implizieren, wir zögen unsere Lehren aus den Geschichten aufgrund von Leitprinzipien, die wir angeblich alle teilten. Nach Levine versucht der Exzeptionalismus an mancher Stelle, eine Geschichte, einen Kontext oder eine Figur zu »humanisieren«, wie man beispielsweise an Niall Fergusons Darstellungen des British Empire sehen kann. Ebenso kann er eine Geschichte »dämonisieren«, wie Studien zu Diktatoren

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