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ein Pudel. Dieser Rasse kann ich aber leider nichts abgewinnen. Ich entschied mich für einen Jack Russel-Welpen, den ich bei meiner ausgiebigen Interneterfahrung bei einem Züchter in unserer unmittelbaren Nähe entdeckte. Es war ein kleiner Rüde mit einem weißen Streifen von der Schnauze über die Stirn. Links und rechts davon lagen die Augen in schwarz-braunen Flecken, die sich hinter den Ohren herzförmig vereinten. Der Rücken war im Wesentlichen weiß. An der rechten Seite befand sich ein großer schwarzer Fleck und deshalb nannte ich ihn Nobby. Auch das ist wieder eine meiner persönlichen Unkorrektheiten. Zu Deutsch sollte er Knöpfchen heißen. Ich dachte mir, zu einem englischen Hund, noch dazu ein Terrier, passt ein englischer Name. Das abgeleitete englische Wort von Knopf ist knob. Im Englischen heißt Knopf heute nicht mehr knob, sondern button. Aber das sollte man bei einer so weitreichenden Entscheidung wie der Namensgebung nicht so eng sehen. Daraus habe ich dann großzügigerweise Nobby gemacht. Gelegentlich ist mir dann eingefallen, dass Nobby auch die Abkürzung für Nobbody sein könnte. Es könnte auch die Abkürzung für das klassische Zitat von Shakespeere „To be or Not to bby“ sein. Meine einfältigen Landsleute meinten gelegentlich, Nobby sei die Abkürzung von Norbert. Das habe ich dann stets kategorisch mit der Bemerkung verneint: „Wenn das so wäre, müsste ich meinen Hund Norby nennen.“ Diese Variante war mir dann doch nicht recht, denn ich konnte den Namen Norbert nicht mit einem Hund assoziieren. In meiner Welt assoziiert man den Namen Norbert mit einer politischen Persönlichkeit, die uns Deutschen eines Tages verkündete: „Die Renten sind sicher …“ Da hatte er wohl Recht. Was er als erfahrener Politiker damals verschwieg, war der Nachsatz: „… aber die Höhe nicht.“ Nur die ganz Einfältigen haben sich damals mit dem ersten Halbsatz zufriedengegeben.

      Mit diesem acht Wochen alten Welpen stand ich eines Tages unverhofft in der Tür unseres Hauses. Dazu gehörten Mut und Erfahrung eines 20-jährigen Ehelebens, Frau und Tochter vor vollendete Tatsachen zu stellen, dass es nun ein neues Familienmitglied gab. Dass ich einen Hund kaufen wollte, hatte ich gelegentlich schon einmal erwähnt und beide, meine Frau Gabi und meine Tochter Verena, hatten sich auch schon darauf geeinigt, mir das auszureden. Dazu war es jetzt allerdings zu spät, denn auch diese Geschichte endete so ähnlich wie die mit dem Motorrad. Meine Frau Gabi war enttäuscht, weil sie sich ihr zukünftiges Leben mit mir anders vorgestellt hatte. Jetzt, wo ich nicht mehr arbeiten würde (wie sie meinte), ohne Einschränkung reisen zu können, diese Aussicht war ihrer Meinung nach damit hinfällig. Aber ähnlich wie bei meinem Motorrad war ihr klar, dass diese Schlacht nicht mehr zu gewinnen war. Meine Tochter beschwerte sich darüber, dass ich ausgerechnet jetzt, wo sie das Haus verlassen würde, um zu studieren, mit einem Hund ankäme, wo sie doch schon immer einen Hund haben wollte. Das empfand sie als unfair.

      Jetzt, vor Reisebeginn, ist Nobby ein vollakzeptiertes Familienmitglied und allseits geliebt und daher eben kommen die vierbeinigen Freundschaften so vieler Menschen besserer Art: denn freilich, woran sollte man sich von der endlosen Verstellung, Falschheit und Heimtücke der Menschen erholen, wenn die Hunde nicht wären, in deren ehrliches Gesicht man ohne Misstrauen schauen kann (Arthur Schopenhauer: Zur Ethik 2/3).

      Kapitel 2

      Heute ist Freitag, ein Tag vor unserer Abreise. Vorgestern, der Mittwoch, war chaotisch. Am Morgen gab es drei Termine. Erstens ein Arzttermin und eine elektrische Therapie meines lädierten Schultergelenks, dann hatte ich in der Universität eine Promotionsprüfung, bei der die Kandidatin sehr aufgeregt war. Das war eine knifflige Situation, in der man eigentlich nicht prüfen kann und als Prüfer nur froh ist, wenn der Prüfling ohne große emotionelle Ausfälle die Prüfung übersteht, wobei ich anmerken muss, dass es fast unmöglich ist, bei einer Promotionsprüfung durchzufallen. Dann gab es noch eine Klausurbesprechung, die noch das angenehmste Ereignis für mich war, denn die Studenten wurden für voll genommen und hatten gezeigt, dass sie etwas gelernt hatten. Schließlich kam noch Martina in meinem Büro vorbei, meine ehemalige Assistentin, die bei mir promoviert hatte, und bat mich um ein Gutachten. Was macht man so alles als Professor im Ruhestand?

      Zwischendrin war dann immer auch noch Nobby an der Reihe, der in meiner Abwesenheit immer geduldig in meinem Büro auf mich wartete, um mich anschließend bei meiner Rückkehr stürmisch zu begrüßen. Mit ihm zog ich dann immer aus der Universität und den Kliniken auf die Neckarwiese, wo es ein Stelldichein mit allen Heidelberger Hunden gab, ein Ereignis, das mein kleiner Hund immer freudig herbeisehnte. Anschließend fuhr ich auf dem Heimweg noch bei meinem Weinberg vorbei, dem Ort, an dem ich mich in den vergangenen Jahren immer körperlich austoben konnte, wenn ich meinen Schreibtisch verlassen hatte.

      Gestern kam ich erst gegen Mittag aus dem Universitätsinstitut, nachdem ich morgens mit Nobby über die Neckarwiese getollt war. Er hatte ein Windspiel als Sparringpartner gefunden, mit dem er ausgelassen über die Wiese rannte. Zurück in meinem Büro musste ich noch Martinas Gutachten fertigstellen. Es war ein mörderisch heißer Tag mit Temperaturen über 30 °C. Anschließend ging es nochmals zum Weinberg, denn ich war tags zuvor mit meinen Arbeiten nicht fertig geworden. Vor der Abreise mussten noch Laubarbeiten gemacht werden, damit bei der Hitze genug Luft an die Reben kommt, um den Infektionsdruck zu verringern. Im Zusammenhang damit stand auch noch ein Reduktionsschnitt auf dem Programm, bei dem die überzähligen Trauben abgeschnitten werden, um die Qualität des Weins zu steigern.

      Heute also musste ich noch auf dem Weinberg die Bodenarbeiten zu Ende bringen. Also rannte ich hinter meinem Mulcher her, um das Gras und das Unkraut zwischen den Rebenzeilen des Weinbergs auf eine akzeptable Höhe zu reduzieren. Nobby konnte in dieser Zeit frei in den Weinbergen streunen. Er fand immer etwas, das ihn interessierte, sei es ein Mausloch, das er aufgrub und hineinpustete, die Spur eines Hasen und solange bei mir eine Maschine ratterte, ließ er sich nicht blicken. Nicht, dass er davor Angst gehabt hätte, Lärm machte ihm im Prinzip nichts aus, aber er wusste, dass ich nicht mit ihm spielen konnte, wenn ich irgendein lärmendes Gerät betätigte. Gelegentlich sah ich auch einen Hasen im Zickzack durch die Weinberge rasen, den mein Hund aufgestöbert hatte, aber so richtig gejagt hat er ihn dann doch nicht.

      Schließlich mussten die Reben noch gespritzt werden. Mit dem 50 kg schweren Spritzgerät auf dem Rücken ging es dann die Reihen hoch und runter. Das nennt man im normalen Sprachgebrauch: Ordnung machen, denn der Weinberg würde mich jetzt eine Woche nicht mehr sehen. Es war 20:15 Uhr, als ich endlich nach Hause kam.

      Mit meiner Frau konnte ich kaum ein Wort wechseln, weil ich meine Sachen noch packen musste. Es war 23:30 Uhr, als ich endlich ins Bett kam.

      Heute begann der Tag um 6 Uhr. Meine Reise wollte ich in meinem alten Porsche antreten, der noch gepackt werden musste. Dann war es schließlich 8 Uhr, als die Abfahrt angesagt war. Eine liebe Umarmung meiner Frau, „alles Gute und kommt heil und gesund wieder nach Hause und sieh zu, dass Nobby nicht unter die Räder kommt.“ Dann waren wir weg. Ein bisschen schlechtes Gewissen hatte ich schon, aber ich wusste, für das, was ich vorhatte, konnte ich Gabi nicht begeistern und sie war klug genug, mir das nicht mies zu machen. Die Fahrt war kalt und regnerisch. Ich fuhr über die A5 nach Karlsruhe und von hier aus über die Landstraße nach Lauterburg.

      Da sitze ich nun mit Nobby in einem Porsche 911, Bj. 1991, einem Auto, das mir in den vielen Jahren meines Lebens nicht gefehlt hat. Eigentlich wollte ich mir als „Rentnerbeschäftigung“ einen alten englischen Oldtimer kaufen, so einen, wie den eines Freundes, einen Triumph Stag. Ein Blick ins Internet eröffnete mir eine Reihe von erschwinglichen Angeboten in verschiedenen Variationen. Also befragte ich meinen Freund nach seiner Meinung. Seine Frau war begeistert, wenn ich das machen würde. Dann müsste sie nicht mehr alleine zu den langweiligen Stag-Treffen fahren und hätte nette Gesellschaft, wenn meine Frau und ich mit dabei wären.

      „Muss es denn ein Stag sein?“, fragte mein Freund lakonisch. Es gäbe in Deutschland noch 30 solcher Autos und sein Modell wäre zurzeit das einzige fahrtüchtige Auto dieser Marke. Teure Ersatzteile und die zunehmende Inkompetenz entsprechender Werkstätten, ein solches Auto auch zu reparieren, waren ein weiterer Einwand. Das war er also, ein richtiger Freund, der mich vor einer lausigen Fehlentscheidung bewahren wollte. „Aber“, meinte er, „meine Cousine Konstanze ist gerade in Scheidung und besitzt ein altes Mercedes Benz Cabrio, 190 SL, schwarz mit roten Ledersitzen,

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