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aufzunehmen, und bot dem Literaturwissenschaftler und Übersetzer klassischer französischer Literatur, Nikolai Ljubimow (1912–92), den Auftrag an. Die ersten drei Bände dieser Übersetzung erschienen noch in einigermaßen enger Folge – 1973, 1976 und 1980 –, Sodom und Gomorrha jedoch, das bereits 1982 fertig übersetzt war, wurde von der Sitten-Zensur bis 1987 aufgehalten, und die Gefangene, die 1988 druckfertig war, konnte erst 1989 nach umständlichen Verhandlungen für einen neuen Vertrag erscheinen. 1990 dann wurde Chudosh zahlungsunfähig, und Ljubimow wechselte zu dem kleinen Privatverlag Krus. Über diesen Verzögerungen ließen Ljubimows Kräfte mehr und mehr nach, so dass seine Übersetzung der Entflohenen, die er vor seinem Tod 1992 noch abschließen konnte, nicht mehr die von den anderen Bänden gewohnte Qualität und zudem erhebliche Lücken aufwies. Ljubimow schrieb deshalb ein Nachwort, in dem er die Mängel seiner Übersetzung auf das Original abwälzte, was ja bekanntlich nicht völlig unbegründet ist, aber bei weitem nicht deren Umfang in seiner Arbeit rechtfertigt; das Manuskript wurde deshalb von Tatjana Sikatschewa für den Krus-Verlag überarbeitet und erschien so 1993 im Rahmen eines Nachdrucks der Ljubimow-Übersetzung, wobei merkwürdigerweise Band V ausgelassen wurde. Kurz danach spaltete sich jedoch der Verleger A. V. Markowitsch vom Krus-Verlag ab und überredete Ljubimows Witwe, ihm das »unverfälschte« Manuskript zu überlassen, das dann 2001 im Amphora-Verlag erschien. Ljubimow hatte noch kurz vor seinem Tod den produktiven Übersetzer Waleri Nikitin mit der Fertigstellung seines Projekts beauftragt, doch auf eine Wiedergefundene Zeit aus Nikitins Hand wartet Russland noch heute vergeblich. Die Abspaltung Markowitschs oder auch das Proust-Projekt hat der Krus-Verlag übrigens nicht überlebt.

      Das Moskauer Verlagshaus Natalis startete Ende der neunziger Jahre eine Übersetzung des noch fehlenden letzten Bandes, doch die Herausgeber nahmen so tiefgreifende Änderungen an dem Manuskript des Übersetzers vor, dass dieser sich schließlich weigerte, seinen Namen dafür herzugeben. Der Text erschien deshalb 1999 unter dem Pseudonym A. I. Kondratjew, fand aber keine Gnade bei der Kritik, die den Text streckenweise eher als Nacherzählung denn Übersetzung wahrnahm. Die Übersetzung von 2009 der anerkannten Literaturübersetzerin Alla Smirnowa für den Alfa-Kniga-Verlag wurde zwar besser aufgenommen, aber dennoch als unbefriedigend empfunden, insbesondere in den Partien mit komplizierterer Syntax, in der sich Smirnowa nach Ansicht der Kritik gelegentlich hoffnungslos verheddert.

      2012 nahm Jelena Bajewskaja, die seit 1998 in den USA unter dem Namen Helen Bayes eine Professur für französische Literatur innehat, eine Neuübersetzung der Recherche in Angriff, da ihr die Gestückeltheit des russischen Textes von verschiedenen Übersetzern aus verschiedenen Perioden missfiel – »Proust hat nicht sieben Romane geschrieben, sondern einen, und er wollte, dass wir ihn auch als solchen lesen können« – und weil sie ohnehin der Auffassung war, dass jedes große Werk der Weltliteratur alle fünfzig Jahre neu übersetzt werden müsse, »da die Meisterwerke das Altern nicht mögen«48. Zudem war sie in den bekannten Übersetzungen auf zahlreiche Probleme gestoßen – auf deren syntaktische Unzulänglichkeiten war bereits hingewiesen worden –, die ihrer Ansicht nach der Bereinigung bedurften; so interpretiert sie schon den ersten Satz im Gegensatz zu Frankowski und zu Ljubimow, aber auch zu der gewohnten Lesart, in dem Sinne, dass der Erzähler sich lange Zeit nicht früh, sondern in der Früh schlafen gelegt habe49 – wie bekanntlich auch der Autor. 2013 erschien im Fremdsprachen-Verlag Azbuka-Attikus der erste Band der Bayes-Übersetzung, für den sie noch im gleichen Jahr den Maurice-Vaksmahera-Preis erhielt.

      Mittlerweile werden im russischen Buchhandel etliche Gesamtausgaben angeboten, die sich aus verschiedenen der oben beschriebenen Bände zusammensetzen, wie auch diverse Ausgaben des ersten Bandes in der einen oder anderen Übersetzung mit immer neuen Vorworten. Die Prophezeiung aus dem Jahre 1924 des Pariser Korrespondenten der Literaturzeitschrift Zveno ([das Verbindungs-]Glied), Georgi Adamowitsch, beginnt, sich zu erfüllen: »Russland wird Proust lieben«.50

      1927 Adrian Antonovič Frankovskij: V storonu Svana. [»Der Weg zu Swann.«] 3 Bde. Leningrad: Academia, 1927. [Nachdr. in 1 Bd. bei Azbuka, 2000.]

      1927 Ljubov’ Gurevič / [unter Mitarb. von] Sofia Parnok (Übers.): Pod sen’ju devušek v cvetu. [»Im Schatten junger Mädchen in Blüte.«] Moskau: Nedra, 1927.

      1928 Boris Grifcov (Übers.): Pod sen’ju devušek v cvetu. [»Im Schatten junger Mädchen in Blüte.«] Tl. 1. Leningrad: Academia, 1928. [Tl. 2 ist nicht erschienen.]

      1934 Adrian Antonovič Frankovskij (Bd. I, III) / Andrej Fëdorov (Bd. II, IV) (Übers.): V poiskach utračennogo vremeni. [»Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.«] Moskau: Goslitizdat, 1934–38.

      1973 Nikolaj Michajlovič Ljubimov (Bd. I–V) (Übers.) / M. Tolmačev (Komm.): V poiskach utračennogo vremeni. Moskau: Chudožestvennaja Literatura, 1973–89.

      1992 Nikolaj Michajlovič Ljubimov (Übers.) (Bd. I–IV, VI): V poiskach utra­čennogo vremeni. Komm. von O. Volček und Sergej Fokin. Moskau: Krus, 1992–93. [Bd. VI fertiggestellt von Tatiana Sikacheva.]

      1992 Adrian Antonovič Frankovskij (Übers.) (Bd. I, III, V) / Andrej Fëdorov (Übers.) (Bd. II, IV): V poiskach utračennogo vremeni. Komm. Neuaufl. der Bde. I–IV von Goslitizdat 1934, 1935, 1936 und 1938, sowie von Bd. V aus dem Nachlass Frankovskijs. Moskau: Inapress, 1992–1998.

      1999 A. I. Kondrat’iev (Pseudonym) (Übers.): Obretënnoe vremja. [»Die wiedergefundene Zeit.«] Moskau: Natalis, 1999. [Im Text illustrierte, komm. Ausg.]

      2001 Nikolaj Michajlovič Ljubimov (Bd. I–VI) (Übers.): V poiskach utra­čennogo vremeni. Moskau: Amphora, 2001. [Bd. VI in der Originalfassung von Ljubimov.]

      2009 Anna Smirnova (Übers. und Komm.): Obretënnoe vremja. Moskau: Alfa-Kniga, 2009.

      2010 Alexej Godin (Übers. und Komm.): Obretënnoe vremja. [Internetpu­blikation, 2010:]

      http://lit.lib.ru/g/godin_a/text_0010.shtml

      2014 Elena Baevskaja (= Helen Bayes) (Übers. und Komm.): V storonu Svanna. [»Die Seite von Swann.«] Moskau: Azbuka-Atticus, 2014.

      Die erste Textseite »Combray« der chinesischen Übersetzung von 2010.

      Inzwischen liegen Übersetzungen in die meisten größeren Sprachen vor, darunter neben den oben genannten insbesondere ins Arabische (Kairo 2006), Koreanische, Hebräische, Japanische, Rumänische (Bukarest 1987) oder Vietnamesische (Hanoi 2013). Übersetzungen in Hindi (600 Millionen Sprecher), Malayisch (200 Millionen Sprecher) oder Urdu (60 Millionen Sprecher) stehen allerdings noch aus. Jedoch muss auch der Subkontinent nicht mehr gänzlich ohne Proust auskommen, denn 1986 wurde immerhin Du côté de chez Swann in die indische Sprache Malayalam übersetzt (Region Kerala, ca. 33 Millionen Sprecher).

      Die erste komplette Übersetzung der Recherche war die ins Tschechische unter dem Titel Hledání Ztraceného Času durch ein fünfköpfiges Team unter der Leitung von Jaroslav Zaorálek, die 1927–30 in Prag bei Odeon erschien (die englische wurde erst 1931 abgeschlossen). Inzwischen ist eine neue Übersetzung von Prokop Voskovec und Jiří Pechar erschienen, die auf dem revidierten Tadié-Text beruht.

      In Italien wurde die Bedeutung Prousts schon früh erkannt; so hatte der Autor und Kritiker Lucio d’Ambra (d. i. Renato Tommaso Manganella, 1880–1939) bereits am 10. Dezember 1913 Prousts Werk in der Rassegna contemporanea der italienischen Öffentlichkeit wärmstens ans Herz gelegt: »Merken Sie sich diesen Namen und diesen Titel: […]. In fünfzig Jahren werden unsere Nachkommen den einen neben Stendhal, den anderen neben Le Rouge et le noir und La Chartreuse de Parme rücken«.51 Dennoch nahm erst 1937 Natalia Ginzburg (1916–91) für Einaudi eine Übertragung von Swann in Angriff. Diese Übersetzung konnte sie, bedingt durch die Verfolgung ihres Ehemannes, der im antifaschistischen Widerstand aktiv war, und die Wirren des Krieges, erst nach Ende des Mussolini-­Regimes fertigstellen;52 sie wurde unter dem Titel La Strada di Swann im Rahmen der Einaudi-Gesamtübersetzung 1946–51 der Recherche herausgegeben und 1990 in einer von der Übersetzerin überarbeiteten Fassung wiederaufgelegt. Als Erklärung für das späte

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