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die Gemeinden in Judäa und nicht die Jerusalemer Urgemeinde exklusiv im Blick sind, dann verliert dieses Argument an Kraft. Apg 12,25$Apg 12,25 hält aber fest, dass Jerusalem in diese Kollektenaktion mit einbezogen war. Sowohl in Apg 11,30$Apg 11,30 als auch in Apg 12,25 ist eine Beteiligung des Saulus an dieser antiochenischen Kollektenaktion vorausgesetzt. Allerdings ist Saulus in der Reihung der Namen immer Barnabas nachgeordnet.15 Nach der Übergabe der Kollekte nehmen die beiden Apostel Johannes Markus mit nach Antiochia. Dass Barnabas diesen bald als Missionspartner anstelle von Paulus auswählt (Apg 15,37), mag bereits für eine Vorrangstellung des Barnabas gegenüber Paulus auf der antiochenischen Kollektenreise sprechen. Die Bewertung dieser Kollektenaktion wird ganz von den sozialen Nöten in Jerusalem einerseits und von den Verbindungen der antiochenischen Gemeinde zur Jerusalemer Gemeinde andererseits abhängen. Diese sind zunächst privater Natur, ist doch ein Großteil der antiochenischen Christen aus der Gruppe der Hellenisten nach Verfolgungen in Jerusalem bis nach Antiochia geflohen. Die Flüchtlinge trafen wiederum auf eine große jüdische Gemeinde und ein Netzwerk sozialer Bindungen. Den Texten ist auch eine Hinordnung der jungen christlichen Gemeinde Antiochias zur Jerusalemer Muttergemeinde und damit verbunden wohl ein gewisser Supremitätsanspruch zu entnehmen.16 Der wesentliche Unterschied zu der späteren Kollektenaktion des Paulus liegt darin, dass diese antiochenische Kollekte die Hilfe einer überwiegend judenchristlichen Gemeinde17 für die Urgemeinde darstellt, während für die paulinische Kollekte gerade der gegenseitige Ausgleich von heidenchristlicher Kollekte und judenchristlichen geistlichen Gütern konstitutiv ist (2Kor 8,13f.; Röm 15,27).

      Die Beteiligung des Paulus an dieser antiochenischen Kollektenaktion vor dem Apostelkonvent ist allenfalls noch mit Blick auf Apg 11,29, nicht aber für Apg 12,25 im Verhältnis zu Gal 1–2 auszugleichen. Dieser Befund wird in der Literatur teilweise unterschlagen18 oder in einer Anmerkung thematisiert19 oder eben als Hinweis für die fehlende Vertrauenswürdigkeit des Lukas oder seiner Vorlagen bewertet. Ich frage jedoch einmal mit Vorsicht: Wäre es vorstellbar, dass derjenige Paulus, der in 1Kor 1,14–16 Gott dafür dankt, in Korinth niemanden außer Krispus und Gaius getauft zu haben, dann aber nachträgt, er habe auch das Haus des Stephanas getauft, und schließlich einräumt, er wisse nicht, ob er noch jemand anderen getauft hat20, in Gal 1–2 im Rückblick auf die Zeit vor dem Apostelkonvent möglicherweise die Beteiligung an der antiochenischen Kollektenreise unterschlagen hat? Der Zielsetzung des Galaterbriefs, möglichst jeden Kontakt zu Jerusalem auszuschließen und den Gang zum Apostelkonvent nicht im Sinne eines durch wen auch immer angeordneten formalen Beschlusses für eine antiochenische Delegation (so Apg 15,2), sondern auf eine persönliche Offenbarung zurückzuführen, kann die Zuordnung der antiochenischen Kollekte für die judäischen Gemeinden nicht willkommen sein. Jedenfalls scheint mir die Beweislast dafür, dass Lukas diese Reise konstruiere oder aber ein Traditionsstück in einen falschen Kontext einordne, genauso gewichtig zu sein wie diejenige, dass Paulus diese Reise vor dem Konvent verschweige.

      3. Die Vorgeschichte der antiochenischen Kollekte

      BarnabasBarnabas, Delegat der antiochenischen Gemeinde zur Übergabe der Kollekte (Apg 11,30; 12,25) und Delegat dieser Gemeinde auf dem Apostelkonvent (Apg 15,2; Gal 2,1), gehört in die Anfangsgeschichte der christlichen Gemeinde Antiochias, ist seinerseits jedoch wohl erst nach ihrer Entstehung von Jerusalem (Apg 9,27) aus nach AntiochiaAntiochia entsandt worden (Apg 11,22–26). Es ist zu überlegen, ob die von der Gesamtgemeinde Antiochias verantwortete, aber durch Barnabas (und Paulus) überbrachte Kollekte nicht in einer Linie zu sehen ist mit einer älteren, von Barnabas allein durchgeführten Hilfe für die Jerusalemer Gemeinde, von der Apg 4,36f.$Apg 4,36f. berichtet. Gewiss sind eine von einer Gemeinde erhobene Kollekte und ein individuelles Mäzenatentum zu unterscheidende Größen. Das Recht, beide Berichte in eine Linie zu bringen, liegt in dem Vergleichspunkt, dass beide Handlungen intentional der Linderung der Not der Jerusalemer Urgemeinde zugeordnet sind.

      Möglicherweise handelt es sich bei dem Ackerverkauf des Barnabas und der Übergabe des Verkaufserlöses an die Apostel nicht einmal um eine einmalige Handlung, da das Imperfekt ἔθηκεν (Apg 4,37$Apg 4,37) an eine sich wiederholende Aktion denken lässt. Lukas ordnet diese kurze Personalnotiz dem Summarium von der urchristlichen Liebesgemeinschaft (Apg 4,32–35) zu und gibt damit eine Richtung an, die Tat des Barnabas angemessen zu interpretieren. Das Verteilen von Gütern und Besitz an Notleidende in der Gemeinde funktioniert, wenn Einzelne wie Barnabas aus ihrem Besitz oder Vermögen der Urgemeinde etwas zur Verfügung stellen.1 Soziologisch wird man die Tat des Barnabas wie auch diejenige von Ananias und Saphira, möglicherweise auch die Gastfreundschaft der Maria (Apg 12,12), in den Rahmen antiker Wohltäterschaft aufnehmen können. Strukturell ist nicht unwesentlich, dass sich der Jerusalemer Barnabas nicht nur privat als Mäzen vor Ort auszeichnet, sondern zugleich in der Diaspora für die Urgemeinde eintritt. Da Barnabas wohl zu demjenigen Kreis der Urgemeinde gehörte, der durch die Verfolgung der Hellenisten nicht betroffen war (Apg 8,1f.; 11,19), ist er in der Kollektenaktion in einer vermittelnden Position zugleich Exponent der antiochenischen Gemeinde als der gebenden wie der Jerusalemer Gemeinde als der empfangenden Seite.2

      4. Die Kollektendelegation der makedonischen und achaischen Gemeinden

      Röm 15,26$Röm 15,26 blickt auf den Abschluss der Kollekte in Makedonien und Achaia zurück. Daher ist jetzt (νυνί Röm 15,25) der Zeitpunkt ihrer Übergabe an die Armen unter den Heiligen in Jerusalem gekommen. Nach 1Kor 16,1–4$1Kor 16,1–4 ist eine Beteiligung des Paulus an der Kollektenreise noch ungewiss. Paulus erwägt, mit Empfehlungsbriefen ausgestattete Vertrauensleute zu entsenden, gegebenenfalls aber selber diese Delegation anzuführen. In 2Kor 8,19$2Kor 8,19 wird ein namentlich nicht genannter Bruder zur Übergabe der Kollekte neben Paulus und Titus erwähnt, der von den Gemeinden dazu bestimmt wurde. Damit kommt an dieser Stelle erstmals der Gedanke einer von den Gemeinden autorisierten Kollekte in den Blick. Die Verantwortlichkeit für die Kollekte ist deutlich von Paulus als dem Vermittler auf die Gemeinden als die Gebenden übergegangen. Dies findet seinen klarsten Ausdruck in der Zusammenstellung einer KollektendelegationKollektendelegation, die aus Apg 20,1–6$Apg 20,1–6 erschlossen werden kann, wenngleich auch dieser Text die Kollekte explizit mit keinem Wort erwähnt. Die in beiden Texten vorausgesetzten identischen äußeren Umstände rechtfertigen, Röm 15 und Apg 20 aufeinander zu beziehen.1 Paulus schreibt den Römerbrief in Korinth (Röm 16,1f.21–23; Apg 20,3) und steht unmittelbar vor der Abfahrt nach Jerusalem (Röm 15,25f.; Apg 20,3). Unter den Grüßenden begegnen in Röm 16,21 zwei Namen, die nach Apg 20,4 zu derjenigen Kollektendelegation zählen, die kurz vor der Abreise von Korinth nach Syrien genannt wird. Diese beiden Personen, So(si)pater und Timotheus, sind in Röm 16,21 allerdings nicht explizit als Reisebegleiter ausgewiesen.

      Dietrich-Alex Koch hat die Vermutung ausgesprochen, dass Lukas in Apg 20,5–21,17 einer Quelle folgt, die sich durch die außergewöhnliche Präzision der in ihr enthaltenen Reisestationen und den in 20,5 einsetzenden Wir-Stil auszeichnet. Als lukanische Einschübe werden u.a. Apg 20,7–12.18–35 bewertet. Koch rechnet jedoch auch 20,4 und 21,18 – wenngleich nicht in der 1. Pers. Plur. verfasst – vermutlich noch der Quelle zu, so dass von der Aufzählung der Gemeindedelegierten über die Reisestationen bis zur Ankunft bei Jakobus ein fester Zusammenhang erkennbar wird. Koch verbindet diese Textbeobachtung mit der „Annahme eines Rechenschaftsberichts der Kollektendelegation“2, der „dazu diente, nach der Rückkehr von den einzelnen Gemeinden Rechenschaft über die Durchführung der Kollektenaktion zu geben.“3 Wir stellen zunächst das Problem, weshalb in dieser Quelle und ihrer lukanischen Bearbeitung bzw. Aufnahme der Zweck, Rechenschaft über die Kollekte zu geben, keine Erwähnung findet, zurück. Vielmehr ist zunächst den Indizien nachzugehen, die darauf schließen lassen, dass Lukas bzw. seine Quelle hier wirklich auf eine KollektendelegationKollektendelegation zurückgeht.

      Apg 20,4$Apg 20,4 ordnet die Reisegruppe, die Paulus auf dem Weg nach Syrien begleitet, nach lokalen Gesichtspunkten, d.h. unter dem Gesichtspunkt der Repräsentation der einzelnen Gemeinden durch Delegaten oder aber auch der Entsendung der Delegaten durch die Gemeinden an. Für Beröa tritt Sopater, der Sohn des Pyrrhus, die Reisebegleitung an. Man wird ihn als den in Röm 16,21 genannten Sosipater identifizieren dürfen.4 Thessalonich wird vertreten durch Aristarch und Sekundus. Apg 27,2 stellt sicher, dass sich Aristarch über die Kollektenreise hinaus in der Begleitung des Paulus befindet (vgl. auch Kol 4,10).5

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