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Integrität der Schreiben aus. Sogar der 2. Korintherbrief23 gewinnt wieder zunehmend Verfechter seiner Einheitlichkeit. Glossen werden in den paulinischen Briefen in geringem Maße noch anerkannt, wiewohl auch in dieser Hinsicht Meiser den Trend als rückläufig einstuft.24

      Walter Schmithals hat seinen „Briefen des Paulus in ihrer ursprünglichen Form“ zwei Zitate von Johannes Weiß vorangestellt, deren erstes mit Nachdruck einen leicht vergessenen kanongeschichtlichen Sachverhalt in Erinnerung ruft. Ich zitiere es hier aus dem Original, einem kurzen Beitrag in den Theologischen Studien und Kritiken aus dem Jahr 1900: „Wir können uns nicht energisch genug mit dem Gedanken durchdringen, daß wir weit davon entfernt sind, irgendwie das Original Paulinischer Briefe zu besitzen. Wir haben nur ein Buch, welches im 2. Jahrhundert, meinetwegen auch schon früher, ‚herausgegeben‘ ist, ein Buch, in welchem sicher echte Paulinische Briefe, aber vielleicht doch auch wohl Pseudepigraphen aufgenommen sind.“25 Michael Theobald hat jüngst dieses Zitat gleichfalls aufgenommen und zugleich darauf hingewiesen, dass innerhalb der gegenwärtigen alttestamentlichen Exegese die Redaktion auf kanonischer Ebene bei der Analyse der einzelnen Teile mitbedacht wird, und Analoges sollte, so Theobald, auch beim Corpus Paulinum gelten.26

      2. Aufsätze zur Literarkritik der Paulusbriefe

      Im Folgenden sollen zunächst diejenigen Aufsätze, die sich direkt mit der Literarkritik der Paulusbriefe beschäftigen, in der Reihenfolge ihres Erscheinens vorgestellt und kritisch gewürdigt werden. Im Jahr 1982 setzte sich Walter Schmithals in dem Beitrag „Die Sammlung der Paulusbriefe“ scharf mit einem Aufsatz Kurt Alands über „Die Entstehung des Corpus Paulinum“ auseinander. Aland hatte hier die Teilungshypothesen bei Paulusbriefen „ins Reich der, wenn auch geistreichen, Erfindung“1 verwiesen und hinsichtlich der Annahme eines frühen Ur-Corpus von sieben Paulusbriefen „Phantasie oder Wunschvorstellung“2 bescheinigt. Walter Schmithals antwortet nicht weniger eindeutig, indem er mehrfach den Thesen Alands Haltlosigkeit3 vorwirft und „Alands Folgerungen […] nur noch als Nachwirkungen jenes Schocks“4 begreifen kann, den die Kollationierung von 634 Minuskeln ausgelöst hatte. Walter Schmithals bezieht sich in diesem Beitrag abschließend auf seine bereits an früherer Stelle geäußerte Sicht: „Der Befund der Handschriften und der Handschriften-Listen legt also weder eine Ursammlung von 13 Briefen (Frede; Rechtschreibung korrigiert, F.W.H.) noch eine Entstehung der Ursammlung gegen Ende des 2. Jahrhunderts aus lauter Einzelteilen nahe (Aland), sondern die Annahme einer UrsammlungUrsammlung von sieben Briefen (1 und 2Kor – Gal – Phil – 1 und 2Thess – Röm), noch im 1. Jahrhundert durchgeführt, die durch zwei selbständige kleinere SammlungenSammlung (Eph – Kol – Phlm und 1 und 2 Tim – Tit) sowie durch Hebr sekundär zu dem Corpus Paulinum von zweimal sieben Briefen ergänzt wurde.“5 Diese selbstständigen Einzelsammlungen seien geschaffen worden „zum Zwecke der ‚Schulung‘. Sie dienten in den Paulus-Schulen als verbindliche Grundlage bei der Unterweisung der Mitarbeiter aus den Gemeinden […]“6

      Ohne den Disput zwischen beiden Gelehrten hier im Einzelnen wiederholen zu wollen, möchte ich auf wesentliche Einwände durch Walter Schmithals verweisen. Nach seiner Sicht ist die Voraussetzung, „daß eine Sammlung, einmal herausgegeben bzw. veranstaltet, nur noch als diese Sammlung – und folglich in der Regel mit einheitlichem Textcharakter – weitergegeben worden sein kann“, undenkbar.7 Zutreffend ist sicher auch die Bemerkung, dass die Rekonstruktion der frühen Überlieferungsgeschichte des Corpus Paulinum keinesfalls die Unhaltbarkeit der vielfachen Teilungshypothesen erweisen kann, da ja die Einzelbriefe vor einer Briefkomposition stehen, die nach Aland den Ausgangspunkt der Überlieferungsgeschichte darstellt.8 Walter Schmithals lehnt schließlich die Charakterisierung der Reihenfolge der Handschriften des Corpus Paulinum als „vollständiges Durcheinander“ bzw. „bunte Reihenfolge“9 kategorisch ab, um auf eine Grundordnung zu verweisen, die mit der Ursammlung des Corpus PaulinumCorpus Paulinum identisch ist.

      Das Literaturreferat zu „Eschatologie und Apokalyptik“ aus dem Jahr 1988 trägt zwar nicht die Methode der Literarkritik im Titel, ist aber ohne sie nicht zu verstehen, da Walter Schmithals hier die Gelegenheit wahrnimmt, die aus literarischen Gründen bereits an anderer Stelle behauptete nichtpaulinische Verfasserschaft von 1Thess 4,15–18$1Thess 4,15–18 und Röm 13,11–12a$Röm 13,11–12a10 nun auch inhaltlich zu begründen. Nach Walter Schmithals steht der zuerst genannte Text „in schroffem Widerspruch zu der Tatsache […], daß Paulus in 5,1–11$1Thess 5,1–11 alle Elemente linearer Zeitlichkeit aus der eschatologischen Erwartung mit Nachdruck zurückdrängt“11, und stellt „einen Fremdkörper im Rahmen von 4,13–14 und 5,1–11“12 dar. 1Thess 4,17f. sei eine sekundär nach 5,10bf. gebildete Dublette, die Einführung des Herrenworts in 1Thess 4,15a sei singulär, die Begrifflichkeit in 1Thess 4,16f. unpaulinisch. In dem Einschub sei Christus das Subjekt der Endereignisse, im Kontext hingegen Gott selber. Der Sachverhalt sei nicht damit zu erklären, dass Paulus sich hier an apokalyptische Tradition anschließt. Vielmehr handele es sich um einen deuteropaulinischen Einschub, der „seinen Blick […] auf Christen, die beanspruchen oder erwarten, nicht zu sterben, sondern die Parusie zu erleben“13, richtet. „Der Autor von 4,15–18 wendet sich folglich an Vertreter einer Naherwartung der Parusie, und ohne sie prinzipiell zu bekämpfen, relativiert er die Naherwartung unter Einbeziehung apokalyptischen Materials, das sie selbst verwendet.“14 Die literarkritische Entscheidung wird also ausschließlich mit inhaltlichen Erwägungen begründet, die wiederum davon ausgehen, dass Paulus auch in unterschiedlichen Ausgangsthemen und in Verwendung unterschiedlicher Gattungen auf jeden Fall absolut konsistent argumentiert hat und sich auch von der Tradition nicht dahingehend hat leiten lassen, Spannungen in Kauf zu nehmen.

      Auch der „Abschnitt Röm 13,11–14$Röm 13,11–14 steht beziehungslos im Kontext“15, und es will nicht gelingen, „diesen Abschnitt überhaupt im Rahmen des paulinischen Denkens zu erklären.“16 Während Paulus das neue Leben den Glaubenden mit dem ‚Schon jetzt‘ des Heils begründe, führe Röm 13,11–12a zurück in das ‚Noch nicht‘ der apokalyptischen Naherwartung. Die literarkritische Lösung, hier nach inhaltlicher Seite ausgeführt, erkennt in Röm 13,11–12a eine redaktionelle Überleitung zu einem paulinischen Fragment in Röm 13,12b–14. Dieses wiederum habe ursprünglich 2Kor 6,1–2 fortgeführt, mehr noch, es stelle die „Schlußparänese eines Schreibens aus der Korrespondenz des Paulus mit Korinth“17 dar.

      Die beiden nachpaulinischen Stücke 1Thess 4,15–18$1Thess 4,15–18 und Röm 13,11–12a gehen auf den Redaktor der Sammlung der Paulusbriefe zurück. Sie führen in eine Zeit beginnender Verfolgung und sind durch eine mit ihr einhergehende akute Naherwartung begründet. Der Redaktor relativiert diese Naherwartung, ohne sie allerdings aufzugeben. Grundsätzlich ist für die Zeit und den Anlass der Redaktion der Hauptsammlung, die sich etwa auch in den o.g. theologischen Zusätzen niederschlägt, die Situation des Aposynagogos18 grundlegend.

      Der Aufsatz „Literarkritik und Theologie“19 widerspricht zunächst einer mittlerweile verbreiteten Sicht, der zufolge nur derjenige, der die literarische Integrität der Paulusbriefe bestreitet, sein entsprechendes Urteil auch theologisch begründen muss. Der integralen Interpretation ist also kein methodisches Prä einzuräumen!20 Die angesprochene theologische Bedeutung literarkritischer Entscheidungen verdeutlicht Walter Schmithals in diesem Beitrag an zwei Beispielen aus dem RömerbriefRömerbrief. Er greift hierbei durchgehend auf an anderer Stelle Gesagtes und auf seine „eigenen Anläufe, das Rätsel des Römerbriefes zu lösen“21, zurück. Röm 1–11 ist eine lehrhafte Epistel an die in Rom verstreut lebenden Heidenchristen, Röm 12–15 hingegen (im Wesentlichen) ein Brief an die neu entstandene heidenchristliche Gemeinde. Walter Schmithals zieht aus diesem literarkritischen Befund ein doppeltes theologisches Urteil:

      1 „Paulus legt also in Röm 12,1–2 einen selbständigen ‚dogmatischen‘ Grund der folgenden Paränese, knüpft aber in keiner erkennbaren Weise an Röm 1–11 an.“22

      2 Somit „entfällt die theologische Schwierigkeit, dem Apostel wegen des Römerbriefs entgegen seiner sonstigen Auffassung ein Nebeneinander von Rechtfertigung und Heiligung zuschreiben zu müssen; die beiden Schreiben nach Rom dokumentieren je für sich und je in ihrer Weise die Einheit von neuem Sein und neuem Gehorsam“23.

      Walter Schmithals schließt mit dem Hinweis, dass der Heidelberger

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