Скачать книгу

angeschlossenen Nebensatz in der Zeitform Aorist ausschließlich für sich auf eine zurückliegende Ausführung verweisen kann. Die Interpretation des Konj. Präs. μνημονευώμεν ist in der Forschung mit Recht in dem Sinne vorgelegt worden, dass in ihr die Fortführung einer bereits begonnenen Handlung auch in der Zukunft angesprochen werde. Das stärkste Argument für diese Auslegung auf der Ebene des Berichts der Apostelgeschichte war zugleich ihr stärkstes Gegenargument. Apg 11,27–30$Apg 11,27–30 und 12,25$Apg 12,25 sprechen zwar von einer von Barnabas und Paulus wiederum als Delegaten der antiochenischen Gemeinde durchgeführten und in Jerusalem abgelieferten Kollekte vor dem Apostelkonvent. Insofern könnte die Abmachung, auch zukünftig für die Jerusalemer Urgemeinde einzutreten, auf diese zurückliegende Unterstützung blicken und den Wunsch nach zukünftiger Unterstützung (Gal 2,10a) in diesen Kontext einreihen. Gegen diese Lösung spricht für einen Teil der Forscher allerdings4, dass Gal 1,18–2,1 zwischen dem ersten Besuch des Paulus bei Petrus in Jerusalem (vgl. auch Apg 9,26) und dem Apostelkonvent keinen weiteren Jerusalembesuch erwähnt. Es muss also gefragt werden, ob die lukanischen Aussagen die Annahme einer antiochenischen Kollekte zeitlich vor dem Konvent rechtfertigen und wie ggf. das Fehlen der Erwähnung eines diesbezüglichen Jerusalembesuchs in Gal 1 bewertet werden kann.

      Wenn Gal 2,10$Gal 2,10 nicht auf einen Beschluss des Konvents rekurriert oder gar, wie Dieter Georgi vorgeschlagen hat, „ein wesentlicher Bestandteil des verfassungsartigen Vertrags zw. der Antiochener Christusgemeinde und ihrer Schwestergemeinde in Jerusalem war (frgm. in Gal 2,9f. erhalten)“5, sondern sozusagen die Selbstverpflichtung der beiden Apostel als antiochenischer Delegaten erwähnt, auch weiterhin für die Armen unter der Jerusalemer Urgemeinde einzutreten, dann wird die Nicht-Erwähnung einer Kollekte in Apg 15 ein geringeres Problem als etwa die Nicht-Erwähnung des Aposteldekrets in Gal 2. Ein Zweites ist in diesem Zusammenhang anzusprechen. Paulus mag im Rückblick in Gal 2,10a die von ihm und Barnabas übernommene Verpflichtung zu einer Kollekte für die Jerusalemer Gemeinde ursprünglich noch in einer Linie mit der antiochenischen Kollekte gesehen haben. Faktisch wird der Zeitpunkt der Übergabe der Kollekte nach ca. 9 Jahren nicht mehr mit den Absprachen des Konvents auszugleichen sein. Vor allem aber bewegt sich die paulinische Interpretation der Kollekte in den genannten Briefen in eine völlig andere Richtung, so dass man gut daran tut, zwischen der antiochenischen Kollektenaktion vor dem Konvent, auf die Paulus sich rückblickend in Gal 2,10a noch bezieht, und der paulinischen Kollekte nach dem Konvent einen scharfen Schnitt zu setzen.6

      Würden wir ausschließlich auf Gal 2,10$Gal 2,10 blicken, so könnte man sich dieses Denken an die Armen auch in einem umfassenderen Sinn, etwa zugleich als spirituelle und ideelle Ausrichtung auf die Urgemeinde, vorstellen.7 Jedoch wird durch den paulinischen Sprachgebrauch in seinen Erwähnungen der Kollekte deutlich (vor allem 2Kor 8,13f.; 9,12; Röm 15,26), dass die materielle Unterstützung der Ausgangspunkt bleibt, wenngleich andere Interpretationen zunehmend wichtig werden.8 Diese gipfeln in der Vorstellung einer Schuldnerschaft der Heidenchristen in materiellen Gütern gegenüber der Urgemeinde, an deren geistlichen Gütern die Heidenchristen teilhaben (Röm 15,27; vgl. aber bereits die Vorstufen in 2Kor 8,14; 9,13f.).9 Auch die jetzt zu behandelnden Texte in der Apostelgeschichte, die nach meiner Einschätzung in die Vorgeschichte und in die Anfänge der antiochenischen KollekteApostelkonvent gehören, verweisen auf diesen sozialen Ausgangspunkt, der allerdings auch hier nie frei ist von zusätzlichen Aspekten und Interpretationen.

      2. Die Anfänge der antiochenischen Kollekte

      Nach dem Bericht der Apostelgeschichte haben sich im Anschluss an die Verfolgung und Flucht eines Teils der Jerusalemer Urgemeinde (Apg 8,1f.) christliche Gemeinden bis hin nach Phönizien, Zypern und Antiochia gebildet (Apg 11,19). Nachdem sie Heidenmission aufgenommen haben, entsendet die Urgemeinde BarnabasBarnabas aus Jerusalem in die Stadt Antiochia (Apg 11,22). Bis zu diesem Zeitpunkt gehörte Barnabas also zur Jerusalemer Gemeinde und genauer wohl auch zu demjenigen Teil, der von der Verfolgung verschont worden war (Apg 8,1b). Ohne die Vorgänge hier im Einzelnen zu beleuchten: Barnabas erscheint also als eine von der Urgemeinde eingesetzte Vermittlungsperson zwischen der Jerusalemer Urgemeinde und der antiochenischen Gemeinde. Der von Barnabas erwirkte Anschluss des Paulus an die junge Gemeinde findet in Apg 11,26 mit Blick auf die gemeinsame Verkündigungstätigkeit seine Begründung.

      Jerusalemer Propheten, unter ihnen als Sprecher Agabus, der in Apg 21,10 ein deutlich judenchristliches und kein jüdisches Profil hat, sagen nach Apg 11,28 eine große Teuerung an, die über die ganze Erde kommen werde. Der Zeitpunkt des Auftretens der Propheten und der des möglichen Einsetzens der Teuerung bleiben unpräzise. Sowohl das einleitende ἐν ταύταις δὲ ταῖς ἡμέραις (Apg 11,27$Apg 11,27) als auch das abschließende ἥτις ἐγένετο ἐπὶ Κλαυδίου sind offene Angaben und lassen in letzterem Fall einen Zeitraum von 41–54 n. Chr. als denkbar erscheinen. Die Ansage der Hungersnot führt zu einer Sammlung unter den antiochenischen Christen zugunsten der judäischen Christen. Barnabas und Paulus werden entsandt, um diese Gabe den Presbytern zu überbringen. Apg 12,25 hält die Rückkehr der beiden Boten fest, präzisiert aber dahingehend, dass die Gabe auch in Jerusalem und nicht allgemein in Judäa übergeben worden ist.

      Die Diskussion zu diesem kurzen Textstück stand immer vor dem grundsätzlichen Problem, dass diese Reise des Paulus (gemeinsam mit Barnabas) im Widerspruch zu den Aussagen in Gal 1–2 steht, denen zufolge Paulus vor dem Besuch des Konvents nur ein einziges Mal in Jerusalem war (Gal 1,18), aber eben nicht zu dieser Kollektenreise, und dass er im Übrigen den Gemeinden in Judäa vor der Zeit des Konvents unbekannt war (Gal 1,22). Um diese Spannungen und die Widersprüche hinsichtlich Aposteldekret und Kollektenaktion zu erklären oder aufzuheben, wurde gefragt, ob Lukas hier möglicherweise ein Traditionsstück1 oder eine Kombination mehrerer Traditionsstücke wiedergebe2, aber zeitlich falsch einordne3 bzw. mit den falschen Namen verbinde4, oder ob er seinerseits für die getroffene Aussage vollständig verantwortlich sei5, was eine sprachlich und stilistische Überprüfung durchaus nahelegen kann.6 Auch wird erwogen, Apg 11,27–30$Apg 11,27–30 als die eigentliche lukanische Anspielung auf den Apostelkonvent zu betrachten7, nicht aber Apg 15. Daher sei scharf zwischen den hier getroffenen Abmachungen des Apostelkonvents und dieser älteren Kollektenaktion zu unterscheiden.8 Jedoch bleiben bei dieser Lösung neben der gewissen Übereinstimmung in der Kollektenfrage solch erhebliche Differenzen zwischen dem lukanischen und dem paulinischen Bericht bestehen, dass man von ihr besser Abstand nimmt. Apg 11,27–30 trifft überhaupt keine Aussage zu etwaigen Verhandlungen bezüglich der Mission und der Aufteilung der Missionsgebiete. Oft wird die Vermutung ausgesprochen, der Redaktor Lukas habe eine einzige Reise zum Konvent in zwei9 oder gar in drei Reisen zerlegt, wobei Gerd Lüdemann in der Andeutung des dritten Jerusalembesuchs in Apg 18,22$Apg 18,22 den vermutlich sachgemäßen Ort des Apostelkonvents wiederfindet.10

      Es wäre hier in eine dringend gebotene Methodendiskussion zur Exegese der Apostelgeschichte einzutreten, um sodann diesem Textstück eine verantwortete Analyse zukommen zu lassen. Die gegenwärtige Forschung ist sowohl von Quellentheorien als auch von der Fiktion eines recht frei arbeitenden Redaktors abgerückt und hat der Eigenaussage des Textes wieder größeres Vertrauen entgegengebracht.11 Ich beschränke mich zunächst ausschließlich auf die Beantwortung der Frage, ob die sog. zweite Jerusalemreise als von Barnabas und Paulus verantwortete Kollektenreise nachvollziehbar ist.

      Der Zeitpunkt dieser Kollektenaktion ist nicht präzise zu bestimmen. Rainer Riesner12 sowie Martin Hengel und Anna Maria Schwemer haben gezeigt, dass die Regierungszeit des Claudius mit einer Vielzahl von Hungersnöten und Teuerungen durchsetzt war. Nach Hengel/Schwemer kann sich Apg 11,28 am wahrscheinlichsten auf das Krisenjahr 40/41 (Aussaatverweigerung, darauf folgendes Sabbatjahr mit anschließender Teuerung) oder auf die Zeit nach der Verfolgung unter Agrippa I., also die Jahre 44/45 beziehen.13 Die Teuerung betraf nach Lukas den ganzen Erdkreis, wirkt sich aber im Blick auf die judäischen Gemeinden gravierender aus als auf Antiochia. Die Sammlung der antiochenischen Christen hat nicht die Jerusalemer Urgemeinde primär im Blick, sondern umfassend judäische Gemeinden. Sie wird daher den Ältesten (Apg 11,30), nicht aber den Aposteln, deren Anwesenheit doch wohl noch exklusiv für Jerusalem vorausgesetzt ist, übergeben. Sowohl Hengel/Schwemer als auch Riesner kehren die historische Abfolge gegen die lukanische Darstellung um. Diese antiochenische Kollekte sei nach der Hinrichtung des Zebedaiden Jakobus

Скачать книгу