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sein täglich Brot.

      |: Der Pfanneflick, der zieht hinaus

      Und ruft sein «Pfanneflick» von Haus zu Haus. :|

      Und als er kam vors Basler Tor,

      eine Jungfrau stand davor.

      Und als er kam vors Basler Tor,

      eine Jungfrau stand davor.

      |: «O Pfanneflick, komm doch herein,

      es wird schon was zu flicken sein.» :|

      Da gab sie ihm ein Pfännelein,

      das war bedeckt mit Russ,

      darinnen war ein Löchelein,

      so gross wie ein Pferdefuss.

      |: «O Pfanneflick, nimm dich in Acht,

      dass du das Loch nicht grösser machst.» :|

      Und als das Pfännlein fertig war,

      das Löchlein war geflickt,

      da hat sie ihm ein Silberstück

      wohl in die Hand gedrückt.

      |: Der Pfanneflick nimmt seinen Hut:

      «Adieu Mamsell, der Flick hält gut.» :|

      Und als er zog zum Tor hinaus,

      da rief sie ihn zurück.

      Und als er zog zum Tor hinaus,

      da rief sie ihn zurück.

      |: «O Pfanneflick, komm doch zurück,

      denn so ein Flick hält ewig nicht.» :|

      1906, Zürich

      Anny Morf, *1894

      —

      Und dann kam der Vater eines Tages nach Hause und sagte: «So, jetzt wird es anders, ich habe eine Stelle in Albisrieden bei ‹Schäppi-Schweizer› in der Maschinenfabrik.»

      «Gott sei Dank!»

      Der Ausruf meiner Mutter, die in die Hände klatschte, liess mich ahnen, dass es bei uns besser werden sollte. Arbeit, Zahltag und ein ruhiger Vater waren ein Glück für uns alle.

      Wir zügelten an die Dennlerstrasse in Albisrieden. Da standen zwei schöne Häuser, die der Fabrik gehörten. Sie hiessen «Gmeumli», und sie stehen heute noch. Eine Dachwohnung war frei für uns. Rings um die beiden Häuser lagen Gemüsegärten, Wiesen, eine Gärtnerei und ein Bauernhof, das «Meierisli». Es sah alles sehr schön aus. Mein Schulweg dauerte allerdings länger, eine halbe Stunde war es zu Fuss bis ins Dorf. Uns ging es gut. Vater kam über Mittag nach Hause, es waren ja keine hundert Schritte von der Fabrik bis zu uns. Wir erhielten auch ein Stück Land, das so gross war, dass wir Kartoffeln und viel Gemüse anpflanzen konnten. Die meisten Frauen in unserem Haus mussten Heimarbeit machen. Eine flocht Männerhüte aus Stroh, sogenannte «Kreissägen», die damals modern waren. Auf einem speziellen Ständer, den sie zwischen ihre Knie spannte, knüpfte sie Halm um Halm, bis der Hut seine Form hatte. Jeden Sonntagmorgen lieferte ihr Mann die Hüte in der Fabrik in Bremgarten im Aargau ab. Die Strohflechterei war dort weit verbreitet. Es war ein schönes Bündel, das er trug, gross, aber leicht. Mit einem Franken zwanzig bis einem Franken fünfzig Rappen kam er heim, das war der Lohn für eine Woche Heimarbeit. Für einen Hut bekam die Frau zehn Rappen. Auch wir Kinder machten alles mögliche, um ein paar Rappen zu verdienen. Jeden Herbst wanderten wir auf den «Stadtmist». Es gab damals noch keine Kehrichtverbrennung. Der Abfall wurde aufgeschichtet und im Spätherbst mit grossen Wagen auf die Felder geführt. Die Bauern pflügten dann den Stadtmist unter die Erde. Wenn der Mist auf den Feldern ausgebreitet war, gingen wir Kinder mit Säcken und Körben, manchmal mit dem Wagen, auf die Suche nach Brauchbarem. Da fanden wir Knochen, Eisenabfälle oder Blech, und das konnten wir dann in der «Lumpi» verkaufen. Für ein Kilo Knochen bekamen wir zwei Rappen, für das Metall anderthalb Rappen. Und das ergab dann manchmal doch etwa fünfzig Rappen, für uns ein Vermögen. In der kalten Jahreszeit hatte es im Stadtmist auch Kohlen. Die sammelten wir, damit wir wenigstens am Sonntag eine warme Stube hatten. Hinter der Fabrik lag immer ein Haufen Eisenabfälle vom Fräsen. Auch den durchsuchten wir, aber das war eigentlich verboten. Am meisten brauchbare Abfälle fanden wir bei Schlechtwetter. Die Arbeiter wollten nicht so lange draussen stehen, leerten die Karren schneller aus, und kein Vorarbeiter kam nachschauen. Dann lag manchmal ein Extrastück im Abfall, und ich merkte wohl, dass das uns galt. Ein mitleidiger Arbeiter hatte es für uns hingelegt. Unsere Wohnung gehörte der Fabrik. Jedem Bewohner der Fabrikhäuser stand so viel Land zur Verfügung, als er bebauen konnte. Wir pflanzten Kartoffeln und Gemüse. Ich setzte Hyazinthen in ein kleines Beet. Auch im Frühling 1906 blühten meine Hyazinthen. «In vier Wochen können wir die ersten Erbsen essen», meinte meine Mutter. Bevor aber die erste Woche vorbei war, kam mein Vater heim und sagte: «Der Streik ist beschlossen! Morgen muss ich schon um fünf Uhr Streikposten stehen.»

      «Was ist das, Vater?», fragten wir.

      «Wir müssen sehen, dass keine anderen Arbeiter in die Fabrik hin­eingehen. Wir wollen mehr Lohn, damit wir euch Schuhe kaufen können, wenn der Winter kommt.»

      Das leuchtete mir ein. Den ganzen Sommer trug ich keine Schuhe, und wenn der erste Schnee fiel, rannte ich meist barfuss von der Schule heim. Ein paar Tage konnte ich dann nicht in die Schule. Meine Mutter musste mir zuerst ein Paar Schuhe kaufen. Die taten immer sehr weh, und meine Füsse schwollen an. Wenn der Frühling kam, waren die Schuhe schon durchlöchert. Die Streikenden forderten den Neunstundentag und wollten zwei Rappen mehr Stundenlohn. Das hätte gerade einen Liter mehr Milch im Tag gegeben. Achtzehn Rappen mussten wir den Bauern bezahlen. Mein Vater verdiente damals zwei Franken fünfundsiebzig im Tag. Die Fabrikherren wollten aber den Lohn nicht erhöhen, darum traten die Arbeiter in den Streik.

      Der grösste Teil der Belegschaft ging nicht arbeiten. Streikposten standen schon frühmorgens vor dem Fabriktor von «Schäppi-Schweizer». Wenn einer doch hinein wollte, wurde ihm der Weg versperrt. Wenig später streikten auch die Arbeiter der Automobilfabrik «Arbenz», die nur einige Meter von uns entfernt war. Die Polizei kontrollierte die Strasse. Erst da erfuhren wir, dass unsere Strasse eine Privatstrasse sei, und wer nichts zu tun hatte dort, durfte weder stehenbleiben noch durchfahren. So wurde unserem Bäcker verboten, mit seinem Wagen vor unsere Häuser zu fahren. Erst als wir an jenem Tag kein Brot bekamen, hörten wir von dieser Massnahme der Fabrikleitung. In der Nähe des Restaurants «Hubertus» holten wir dann das Brot ab. Bei «Arbenz» wurden Streikbrecher eingesetzt. Die riefen Emmy und mich manchmal zu sich. Wir mussten für sie Bier und Cervelats holen und bekamen einen Fünfer dafür. Eines Tages kam ein Korporal und sagte: «Kinder, streikt euer Vater auch?» – «Ja», antworteten wir. «Dann müsst ihr für diese Männer kein Bier holen, das sind Streikbrecher, die sind gegen euren Vater.» Von da an mussten sie ihr Bier selber holen. Der Korporal war, wie ich Jahre danach erfuhr, Jacques Schmid, der spätere sozialdemokratische Regierungsrat von Solothurn.

      Die Bauern des Dorfes konnten nicht begreifen, dass die Arbeiter einfach so nicht mehr arbeiteten, und gingen mit Heugabeln auf sie los. Meine Mutter musste manchen verletzten Arbeiter pflegen, bis Fritz Brupbacher, der Arbeiterarzt aus Aussersihl, kam. Polizisten und Militär wurden eingesetzt. Die Dragoner überquerten hoch zu Ross die Gemüsegärten. Die Hufe der Pferde schleuderten die Setzlinge weit in die Luft. Der Rest wurde in den Boden gestampft. An unseren Häusern kamen sie nicht vorbei, und unser Garten blieb verschont.

      Eines Morgens kam der Fabrikdirektor und sagte meiner Mutter, dass sie bis Mittag die Wohnung räumen müsse.

      «Da haben Sie es schriftlich. Unterzeichnen Sie hier! Die Wohnung gehört der Fabrik, und Arbeiter, die streiken, können wir nicht in unserer Wohnung dulden.»

      Dann ging er die Treppe hinunter, und zu einem Streikbrecher sagte er: «Dort, jener Garten gehört Ihnen.»

      Wir Kinder weinten. Meine Mutter nahm uns bei den Händen und ging mit uns in den Garten. «So, zieht alles schön heraus, was im Boden ist, und legt alles in den

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