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wird. Stattdessen dominiert ein selektiver Blick, der Menschen und Dinge, Gefühle und Gedanken in Kategorien aus vorgefertigten Meinungen und alten Erfahrungen einsortiert. Die Dominanz solcher »Voreinstellungen« führt zu einer Verformung und Verfärbung der Realität (Cittavritti). Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, sondern durch die Brille unserer vorgefassten Meinungen. Die Gestalttherapie bezeichnet das als »Ego-Prozess«: »Das bin ich, und das bin ich nicht.«

      Schwierig wird es, wenn scheinbar »schlechte« Gefühle in uns aufsteigen, die nicht zu unserer »guten« Identität passen. Diese »unpassenden« Seiten werden dann mithilfe verschiedener Abwehrmechanismen vor der eigenen Identität verborgen. Wir entziehen sie unserem Gewahrsein. Allerdings wird unsere Selbst-Wahrnehmung damit unvollständig, und was wir in unserm Inneren nicht kennen, verstehen wir auch nicht in der äußeren Welt. Im ersten Schritt sind wir uns selbst fremd geworden, im zweiten Schritt entfremden wir uns von der Welt. Je länger ein solches (Persönlichkeits-)System existiert, umso starrer und unbeweglicher wird es.

      Aus der Perspektive einer integrativen Yogapsychologie steht Sattva nicht für ideale Eigenschaften wie Reinheit und Licht. Sattva steht vielmehr für die geistige Fähigkeit und Bereitschaft wertfreier, achtsamer Wahrnehmung und Erkenntnis.

      Weiss: Sat-cit-ananda

      Sat-cit-ananda beschreibt im Sanskrit das Wesen von Brahman: die attributlose, unendliche, transzendente Realität sowie den Urgrund von Materie, Energie, Zeit und Raum. Der Begriff setzt sich aus drei Wörtern zusammen:

      1 Sat (der Körper – »Rot«) bezeichnet den reinen Zustand des Seins, der Existenz an sich. Sat ist der unpersönliche Ausdruck des Lebens und damit Grundlage jeder Pulsation.

      2 Cit (der Geist – »Blau«) bezeichnet das unpersönliche Bewusstsein, das reine Gewahrsein, die Grundlage von Achtsamkeit. Wir erfahren Cit, wenn sich Achtsamkeit in seinem eigenen Licht durchdringt.

      3 Ananda (das Gefühl – »Grün«) bedeutet Freude oder Glückseligkeit. Dieses Gefühl der Wonne entsteht, wenn allumfassendes Mitgefühl in sich selbst eintaucht, von sich erfüllt und umgeben ist. »Lebenskraft, Liebe und Bewusstsein sind von der Essenz her alle eins« (Maharaj 2009).

      Zen-Meister Samy schreibt: »Sambhogakaya, der Körper der Glückseligkeit, ist das im Selbst verweilende Selbst, das Selbst, das sich am Selbst erfreut. Es ist das Selbst im Urgrund seiner grenzenlosen Offenheit und seines Geheimnisses. Das Selbst ist in seinem Körper, seinem Geist, seiner Seele zuhause, es ist in die Natur, wie auch in die Kultur eingebettet« (Samy 2005).

      Eine holistische Perspektive

      MAP: Eine Karte der Orientierung

      Wie wir gesehen haben, können wir Körper, Gefühle und Geist grundsätzlich als interagierende Felder unserer Existenz betrachten. Jedes Feld hat ein eigenes, herausragendes Potenzial: die Pulsation, das Mitgefühl und die Achtsamkeit. Dabei ist die Pulsation nicht nur für den Körper relevant, sondern auch für das emotionale und geistige Feld. Genauso brauchen wir das Mitgefühl für unsere Körperlichkeit und unseren Geist sowie die Achtsamkeit für unseren Leib und unsere Emotionen. Das Potenzial einer Ebene befruchtet und bereichert somit jene der anderen.

      Aus den Interaktionen zwischen den Ebenen und ihren Erlebenspotenzialen ergeben sich neun Felder. Jedes von ihnen bietet uns eine verlässliche Orientierung auf dem Weg in ein ganzheitliches, selbstreguliertes und integriertes Leben. Zugleich ermöglichen die Felder ein erstes Verständnis eventuell vorhandener Blockaden und des betroffenen Lebensbereichs. Zu den neun Feldern, ihren Potenzialen und Aufgaben gehören:

      1 Sich dem Körper, seinen Bedürfnissen und Impulsen hingeben: Aus dieser Fähigkeit entsteht Vertrauen in das Wissen des eigenen Körpers sowie die Freiheit, seinen lebendigen und spontanen Ausdruck zuzulassen. Das ist die Grundvoraussetzung, um uns im eigenen Körper zu Hause fühlen zu können – eine Erdung in unserer organischen und muskulären Existenz. In den Bereichen Atmung und Bewegung können wir dies besonders deutlich erfahren.

      2 Den Körper, seine Bedürfnisse und Impulse annehmen: Das setzt ein warmes, akzeptierendes Einfühlungsvermögen voraus. Dabei geht es nicht darum, unsere Bedürfnisse und Impulse rücksichts- und bedingungslos auszuleben, sondern vielmehr darum, ihr Erscheinen absichtslos anzunehmen.

      3 Unsere Bedürfnisse wahrnehmen: Um unseren Körper bewusst wahrnehmen zu können, müssen wir offen für unser sinnliches Erleben sein, jenseits von Wertung. Auf dieser Grundlage wird es möglich, einzelne Empfindungen den ihnen zugrundeliegenden Bedürfnissen zuzuordnen. Dieses Feld ist die Voraussetzung für unser Körperbewusstsein.

      In den ersten drei Orientierungsfeldern geht es um jede Form innerer, spontaner und mitunter triebhafter Impulse, wie beispielsweise um den Bereich der Sexualität und um die Fähigkeit zur Hingabe an die lustvollen, mit dem Atem verbundenen Rhythmen des Körpers. Entsprechend lassen sich in diesen Feldern auch Formen von sexuellen Blockaden oder einer insgesamt eingeschränkten Impulsqualität nachvollziehen.

      Menschen, die sich von ihrer Körperlichkeit abgespalten erleben, finden in der Auseinandersetzung mit dieser Ebene Ressourcen für die Arbeit mit ihren kognitiven oder emotionalen Blockaden. Allein die Möglichkeit, den Körper bewusst und jenseits von Leistungsansprüchen, Wertung und einer dadurch vielleicht belasteten Sexualität zu erleben, ist für viele Menschen neu und befreiend. Wenn es uns zunehmend gelingt, unsere Körperlichkeit freundlich wahrzunehmen und anzunehmen, können wir allmählich wieder Vertrauen in die eigene Existenz finden und sie stabilisieren.

      Die Felder vier bis sechs sind:

      1 Die eigenen Gefühle zulassen: Im engl. Wort emotion, »Gefühl«, steckt motion, »Bewegung«. Denn jedes Gefühl ist ein Impulsgeber für Handlungen bzw. Ausdruck eines inneren Zustands. In Kontakt mit Achtsamkeit und Mitgefühl entsteht die Fähigkeit zu gesunder Pulsation in sozialen Beziehungen. Auch hier spielen die Qualitäten Hingabe und Regulation eine wesentliche Rolle.

      2 Die eigenen Gefühle annehmen: Gefühle annehmen bedeutet, auch für schwierige, scheinbar unpassende, unangenehme oder sogar schmerzhafte Gefühle eine grundsätzliche Akzeptanz zu entwickeln. Eine dysfunktionale Identifikation bestünde, wenn wir uns stark mit einem aufkommenden Gefühl wie etwa Mut identifizierten, da es uns anschließend schwerfallen würde, ein »gegenteiliges« Gefühl wie Angst anzunehmen. Eine funktionale Identifikation jedoch unterstützt uns in diesem Feld dabei, Mut zu erlernen, wenn er uns als Ressource bislang fehlte.

      3 Die eigenen Gefühle wahrnehmen: Das Wahrnehmen von Gefühlen ist die Voraussetzung für emotionale Klarheit. Es schafft in Verbindung mit Hingabe und Annahme den Zugang zu verdrängten oder verleugneten Gefühlen. Hier liegen häufig große Ressourcen verborgen. Eine Bedingung dabei ist, dass wir lernen, aufkommende Gefühle nicht zu werten.

      Unsere Gefühle wahrnehmen, annehmen und zulassen zu können, ist eng verbunden mit der Impulsqualität unseres Körpers. Die Felder vier, fünf und sechs beschreiben die Ebene der sozialen Beziehung mit allen Themen von Unter- und Übergrenzung, Abhängigkeit und Autonomie.

      Das Wahrnehmen tiefer Emotionen ist Voraussetzung für ein erfülltes Lebensgefühl. Menschen, die nach Sinn in ihrem Leben suchen, leiden häufig darunter, sich leer und abgetrennt zu fühlen. Hintergrund ist dabei nicht selten ein eingeschränkter Zugang zur Emotionalität. Um mit der eigenen Tiefe in Kontakt zu kommen, brauchen wir das gesamte Spektrum unserer Gefühle; wir müssen lernen, sie wertfrei wahr- und anzunehmen.

      Das ist auch eine Voraussetzung für befriedigende soziale Beziehungen. Denn das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse ermöglicht das pulsierende Vor und Zurück, die Regulation von Nähe und Distanz in sozialen Kontakten.

      Die letzten drei Felder sind:

      1 Eigene Gedanken und innere Bilder zulassen: Geistige Inhalte zuzulassen,

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