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Daunenjacke, die sie sich vor zehn Jahren gekauft und an die sie einen Fellkragen angenäht hatte, um das Gefühl zu bekommen, dass sie wirklich ihr gehöre. Wie eh und je füllte sie ihre Zigaretten von Benson & Hedges aus der goldenen in die schönere silberne Packung um. Und doch verwirrte mich etwas. Unter der vertrauten Oberfläche glaubte ich etwas Unbekanntes, beängstigend Neues zu spüren. Als habe sie, ohne äußerlich etwas an sich zu verändern, einfach beschlossen, anders auszusehen.

      Wir hatten uns jeder einen Traum gekauft, mit Schokolade überzogene Lakritzstangen, die es im Angebot mit einem Hotdog und einem Kaffee für 399 isländische Kronen gab. Die durch den Sturm aufgepeitschte Gischt hatte sich mit dem Nebel zu einer trüben Wolke verwirbelt, die zwischen der Dunkelheit der Berge und den Lichtern der Stadt hängen blieb. Das Einzige, was noch deutlich erschien, war die sterile Neonwelt hinter den großen Fenstern des Drive-in-Supermarktes – Insel der Klarheit in einer unscharf gewordenen Welt. Unter dem Plakat Isländer essen SS-Würstchen fuhren Autos an die Verkaufsfenster heran, aus denen weiße Arme dreieckige Sandwichboxen und gedeckelte Kaffeebecher reichten, während die Motoren weiterliefen.

      »Wann kommt Milan?«, fragte sie.

      »Morgen.«

      »Schön«, sagte sie. »Dann kann Weihnachten ja kommen.«

      »Genau. Weihnachten kann kommen«, sagte ich und nahm einen Schluck Kaffee. Mit der Wärme breitete sich Vorfreude in mir aus. Wie jedes Jahr bemühte ich mich, den Dezember mit einer milden, fast gleichgültigen Gelassenheit auf mich zukommen zu lassen. Dieses Jahr war ich sogar mehr denn je davon überzeugt, dass es schön werden würde. Ich überlegte noch eine Weile, was wohl dieses Weihnachten schief gehen könnte, doch mir fiel nichts ein. Alles war in bester Ordnung. Warum auch nicht? Ich hatte nichts gegen Weihnachten. Das Problem war, dass Weihnachten oft etwas gegen mich hatte. Vielleicht freute ich mich deswegen so sehr darüber, dass wir ausgemacht hatten, gemeinsam zu feiern, Milan und ich, Matilda und Svend.

      Svend.

      Auf Svend war ich besonders stolz. Er war aus Schweden zu Besuch, als ich ihn damals in einem Café kennen lernte, sofort Matilda anrief und sagte: »Komm her. Ich sitze hier mit dem hübschesten, charmantesten und sympathischsten Informatiker der Welt.« Zehn Minuten später war Matilda da, zwei Tage später bewarb Svend sich um einen Job in Reykjavík. Er hatte für Matilda seine Dozentenstelle an der Universität in Göteborg aufgegeben. Das war vor zwei Jahren.

      Der hehre, ganz und gar vollkommene Svend. Trotz seines Hangs zu Lachsfischerei und Geländewagen teilte er unsere Neigung zu dekorativer Melancholie an endlosen Nachmittagen.

      Nicht nur bei Svend, auch bei Radjif und Tomas, Matildas früheren Freunden, hatte ich meine Finger im Spiel gehabt: Radjif war sehr lange her. Er war das Adoptivkind eines Kollegen meines Vaters und Torwart beim TSV Tornesch, in dessen Handballmannschaft ich mich meine D- und C-Jugendjahre hindurch bemüht hatte, das Tor zu treffen. Als Matilda mich einen Sommer in Tornesch bei Hamburg besuchte, hatte sie fast nur Augen für Radjif. Dennoch war ich es, der dafür sorgen musste, dass Radjif und Matilda sich schließlich alleine mit ein paar Decken und zwei Flaschen Saurer Apfel am Elbstrand wiederfanden, während ich in das Kino an der Kieler Straße ging.

      Einige Jahre später dann Tomas. Er kam, wie auch Svend, aus Schweden und versuchte zwei Jahre lang, die schwedische Wodkamarke Polar auf dem isländischen Markt zu etablieren. Da er Wodkaproben im Reykjavíker Nachtleben ausschenkte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er Matilda kennen lernen würde. Doch auch mit Tomas und Matilda wäre es ohne mich nicht weitergegangen: So leicht es Matilda fiel, Männer kennen zu lernen, so schwer fiel es ihr, sich zu verlieben. Obwohl sie gern flirtete, bestand jederzeit die Gefahr, dass sie plötzlich in eine Art grüblerische Leichenstarre verfiel. Sie konnte nichts dagegen tun, ihr fielen die Männer der ganzen anderen Frauen ein, die alle irgendwie Autos fuhren und Brillen hatten, zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig waren und sich am Wochenende betranken; die alle ihre Vorzüge hatten und ihre Fehler. Darüber dachte sie so lange nach, bis es ihr vollkommen egal erschien, mit wem sie sich einlassen sollte, und dann konnte sie es auch gleich lassen. Was Matilda fehlte, waren Kriterien.

      Um so glücklicher war ich darüber, dass die dritte von mir vermittelte Liebe nun gehalten hatte. Svend hatte sogar sein Segelboot von Göteborg nach Reykjavík überführt. Seit ich Matilda kannte, träumte sie von einem Segelboot. Im vergangenen Sommer waren wir oft zu dritt auf die Faxa-Bucht hinausgesegelt.

      Matilda riss die Verpackung des Traums auf und sagte:

      »Ich habe mit Svend Schluss gemacht.«

      »Was soll denn das?«

      »Woher soll ich wissen, was das soll?«

      »Als wir vor drei Wochen telefoniert haben, hast du noch gesagt, es sei schön.«

      »Na und?«

      »Ihr wolltet euch ein Landhaus kaufen, in Småland.«

      »Ja. Mit Kamin. Pff.«

      Ich sah sie an, sie sah hinaus, in die gleiche Richtung wie der Taxifahrer. Dann kurbelte Matilda das Fenster herunter, so weit die verbeulte Fahrertür es zuließ. Kaffeeschlürfende, Asche in den Sturm schnippende Verachtung. Mehr hatte sie nicht übrig für den hehren, vollkommenen, von mir handgecasteten Svend. Einen Moment lang überlegte ich, ob Matilda eine neurotische, glücksunfähige Diva sei, der man es nie recht machen könne. Doch dieser Gedanke tat mir weh, woraufhin ich mich noch mehr ärgerte, denn es war ihre Schuld, dass ich nun schlecht über sie dachte.

      »Es war eben einfach nur schön. Genau wie er. Er war so schön und intelligent … «

      »… und sympathisch«, sagte ich.

      »Das auch noch! Und dauernd dieses Segeln.«

      »Segeln ist doch … schön.«

      »Pff!«

      »Du hast dir immer jemanden gewünscht, der segeln kann.«

      »Das ist es ja gerade. Er kann segeln, hat Stil und ist trotzdem kein Snob. Er hat Geld und ist trotzdem nett; aus guter Familie, aber kein Spießer; lieb und trotzdem cool; kann immer trinken, muss aber nicht. Er ist alles, was ich mir immer gewünscht habe. Alles gleichzeitig!«

      Ich schwieg. Der arme hehre, ganz und gar vollkommene Svend.

      »Und daneben dann ich!«, fuhr Matilda fort. »Wie ein beflecktes Detail, das man vergessen hat, aus der sauberen, schönen Prince-Denmark-Werbung rauszuschneiden.«

      »Du hast mit ihm Schluss gemacht, weil du nicht in eine Prince-Denmark-Werbung passt?«

      »Ich habe Schluss gemacht, weil er reinpasst.«

      »Das kannst du doch nicht ernst meinen.« Ich wusste, dass sie das sehr ernst meinte.

      »Svend ist noch nicht einmal Däne«, sagte ich dann.

      »Schwede. Noch schlimmer. Bei denen ist alles immer so … perfekt.«

      »Er war ja auch perfekt für dich.«

      »Er war nicht perfekt für mich, er war einfach nur perfekt. Das ist ein Unterschied.«

      »Sei nicht albern.«

      »Was regst du dich eigentlich so auf? Ich kann doch Schluss machen, mit wem ich will.«

      »Nicht mit Svend!«, sagte ich und ärgerte mich über den Nachdruck, den ich gerade diesem Satz verliehen hatte. Es hätte bessere Sätze dafür gegeben.

      »Du hättest mir zumindest vorher Bescheid sagen können. Immerhin habe ich euch zusammengebracht.«

      »Ach das ist es! Dir tut es überhaupt nicht leid, dass ich wieder allein bin. Du bist nur beleidigt, weil du ihn ausgesucht hast. Dabei hast du das nur gemacht, weil du es nicht aushalten konntest, dass ich allein war und du verliebt.«

      »Und du hast dich natürlich nur aus Höflichkeit mir gegenüber in Svend verliebt.«

      »Du musstest mich eben unter die Haube bringen.«

      »Ich

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