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mehr dem Geschlechterverhältnis in therapeutischen Berufen. In Bezug auf Hypnose aber war es außergewöhnlich, denn in der internationalen Hypnoseszene bekannt waren damals nur ganz wenige Frauen und an den Hypnosekongressen nahmen fast ausschließlich Männer teil. In den allerersten Jahren der M. E. G. war ich fast die einzige Frau in den Ausbildungsseminaren, und noch Anfang der 1980er-Jahre galt es als bemerkenswert, wenn sich mal Frauen in die männerdominierten Seminare »verirrt« hatten. Erst Anfang der 1990er-Jahre begann sich das Geschlechterverhältnis anzugleichen und dann umzukehren – in den Seminaren, unter den Mitgliedern der Hypnosegesellschaften, in deren Vorständen und seit wenigen Jahren nun auch im Vorstand der M. E. G.

      So ist es nur konsequent, dass ein Hypnosebuch ausschließlich von Frauen geschrieben und herausgebracht wird. Wie es wohl den Männern damit geht? Werden sie davon etwas übernehmen, werden sie sich angleichen in bemühtem Co-Feminismus oder auf komplementärer Selbstständigkeit beharren? Zeichnet sich etwa eine neue Version von Ferenczis »Vater- und Mutterhypnose« (Martin u. Walter 2013) ab und werden spätere Hypnohistoriker dann eine bedeutsame Bewegung zu Beginn des 21. Jahrhunderts feststellen können? Die von einer »Männer-« hin zu einer »Frauen-Hypnose«?

      Wie Henriette Walter und Marianne Martin bereits 2013 festgestellt haben, gab es schon immer Frauen in der Hypnose. Sie wurden nur selten wirklich wahrgenommen. Das hat sich in der M. E. G. und in den anderen Hypnosegesellschaften gründlich geändert. Dieses Buch legt auf seine Art weiter Zeugnis dafür ab. Mögen auch hypnophile Männer es lesen und Freude daran haben.

       Alida Iost-Peter München, im Oktober 2018

IEinführung

       Einstimmung

       Ghita Benaguid

      Als ich Anfang der 90er-Jahre parallel zum Psychologiestudium eine Ausbildung in klinischer Hypnose bei der Milton H. Erickson Gesellschaft (M. E. G.) machte, unterrichteten in meinen Grundseminaren ausschließlich Männer. Auch die Seminarteilnehmer waren überwiegend männlich. Noch auf der M. E. G.-Jahrestagung 2008 bedankte sich Luise Reddemann, Honorarprofessorin für Psychotraumatologie und psychologische Medizin an der Universität Klagenfurt, nach ihrem Hauptvortrag sehr für die Einladung und endete dann sinngemäß: »Aber mein feministischer Ego-State ist höchst unzufrieden! Schauen Sie sich das Programm an, von all den vielen Hauptvorträgen werden nur zwei von Frauen gehalten. Frauen, so geht das nicht, Frauen erhebt euch!«

      Bereits 2010, als ich die M. E. G.-Regionalstelle Bielefeld von Paul Janouch übernahm, stellte sich das Geschlechterverhältnis in den Kursen zunehmend anders dar. Mittlerweile überwiegt der Frauenanteil in der gesamten Psychotherapie. Seit 2013 haben wir im Vorstand der M. E. G. eine Frauenführungsriege, und ständig kommen weitere sehr talentierte Hypnotherapie-Ausbilderinnen hinzu. Im Psychologiestudium und an den Ausbildungsinstituten werden mehr Frauen als Männer unterrichtet. Auch in der ambulanten Psychotherapie ist der Großteil des Klientels weiblich. Das ist Grund genug, ein Buch mit hypnotischen Texten von und für Frauen herauszugeben.

      Im Jahr 1994, zu Beginn meiner Hypnotherapie-Ausbildung, war gerade das Buch Das Vergessen vergessen von Hildegard Klippstein mit Gruppeninduktionen nach Milton H. Erickson erschienen. Ich schätzte es sehr und lernte, die spezielle hypnotische/hypnotherapeutische Sprache und Erickson‘sche Kommunikation sowie den Aufbau von Tranceinduktionen mit Leichtigkeit zu verinnerlichen. Ebenso half es mir, zu Berufsbeginn in meinen damaligen Rehakliniken die ersten hypnotherapeutischen Gruppeninduktionen anzuleiten. Auch heute freuen sich viele Hypnose-Anfänger, wenn sie etwas Schriftliches in die Hand bekommen, was eine Tranceinduktion erleichtert. Solche Texte sind hilfreich, um mit der hypnotischen Sprache vertraut zu werden und die passenden Worte für eine Induktion zu wählen.

      Anlässlich des M. E. G.- Tagungsthemas 2019 – »Gender, Sex und Identität: Hypnotherapie und Vielfalt« – kam mir die Idee, ein Buch mit Tranceinduktionen von und für Frauen herauszugeben. Meine Anfrage an die Ausbilderkolleginnen, ihre Lieblingstrancen zu veröffentlichen, fand großen Anklang.

      Als ich nach und nach die Texte erhielt, erschien mir jeder wie ein Juwel, einzigartig und auf seine ganz eigene Art berührend. Ein Juwel kann vielfältig zerteilt werden, und doch zeigen dann die geschliffenen Einzelkristalle immer noch etwas von seiner Ursprungsschönheit. Im Gegensatz dazu besteht die Einmaligkeit einer Perle in ihrer Ganzheit. Dabei sind ihre Herkunft und das Material alles andere als edel: Ein Sandkorn oder ein anderer Fremdkörper, der in eine lebende Perlmuschel auf dem Meeresgrund gelangt, bildet den Ausgangspunkt eines langen Prozesses. Die Muschel legt eine Perlmuttschicht nach der anderen um diesen Fremdkörper, bis schließlich die Perle in ihrer ganzen Größe und Schönheit entstanden ist. Sie wächst im Verborgenen auf wundersame Weise Schicht für Schicht über Jahre heran. Erst wenn die Muschel durch Perlenfischer ans Licht gebracht und geöffnet wird, offenbart die Perle ihren besonderen Glanz.

      So entstand der Buchtitel Tranceperlen. Perlen galten schon im Altertum als besonders wertvoll und haben bis heute für Frauen eine hohe Attraktivität. Sie sind auch ein Symbol für Weiblichkeit und Fruchtbarkeit. Die Sandkorn-Metapher spiegelt darüber hinaus die hypnotherapeutische Haltung, das Problem von heute als den bestmöglichen Lösungsversuch der Vergangenheit anzusehen.

      Allen Texten ist ihre Ressourcenorientierung gemeinsam. Sie sind entstanden aus der langjährigen hypnotherapeutischen Erfahrung der Autorinnen. Vier Themenbereiche beschäftigen sich mit Anliegen unserer Klientinnen, die uns häufig im Therapiealltag begegnen:

      •Das Selbst stärken

      •Den inneren weiblichen Anteilen begegnen

      •Beziehungen gestalten

      •Körperliche Ressourcen aktivieren

      Den Schlussteil des Buches, »Trancen selbst gestalten«, bilden zwei Texte, die speziell für Kolleginnen geschrieben worden sind. Sie möchten Lust und Mut machen, selber kreativ zu werden und eigene Trancen zu entwickeln.

      In einem Interview antwortet Milton Erickson auf die Frage, wie man ein guter Hypnotherapeut wird: »Versuchen Sie nicht, meine Stimme zu imitieren oder meinen Tonfall. Finden Sie Ihre eigene. Seien Sie einfach ganz natürlich Sie selbst.«

      Die Vielfalt der Texte verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede im individuellen hypnotherapeutischen Vorgehen und eröffnet Ihnen die Möglichkeit, Ihren eigenen hypnotischen Stil zu finden.

      Die Trancen ersetzen keine hypnotherapeutische Ausbildung oder eine adäquate psychotherapeutische Behandlung. Vielmehr richtet sich dieses Buch an Psychotherapeutinnen mit hypnotherapeutischen Vorerfahrungen, als Ergänzung zu einer Ausbildung. Wie alle therapeutischen Techniken sollten auch die vorliegenden Trancen in ein eindeutiges therapeutisches Setting eingebettet werden.

      Ich hoffe, dass die Texte nicht nur gefallen und inspirieren, sondern auch laut vorgelesen werden. Stimme und Stimmklang sind ein wesentlicher Wirkfaktor bei gesprochenen Tranceinduktionen. Gleichzeitig nimmt es dem Phänomen Stimme seine Mehrdimensionalität, wenn ihre Beschreibung »nur« verschriftlicht wird. Daher haben wir uns entschieden, Ihnen zusätzlich ein Angebot auf dem auditiven Kanal zu machen. Ein Interview mit der hypnosystemisch ausgebildeten Atem-, Sprech- und Stimmlehrerin Ronja Ernsting zum Thema »Trancen lesen« ergänzt diese Einführung (siehe S. 19).

      Alle Autorinnen bewegen sich in der Tradition Milton Ericksons, der vor allem für seine indirekten hypnotischen Techniken bekannt geworden ist. Gerade im fortgeschrittenen Alter induzierte er Trancen vornehmlich indirekt als beiläufige Trancen und weniger mit formalen Verfahren. Seine Tochter Betty Alice Erickson beschreibt diese therapeutische Haltung und sein beiläufiges Vorgehen. So gibt es in diesem Buch doch auch einen Mann. Und natürlich würde es mich freuen, wenn die eine oder andere Perle auch das eine oder andere männliche Wesen anzieht. Denn gelungene Psychotherapie braucht Frauen und Männer.

       Zum Vorlesen der Texte

       Ghita Benaguid

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