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beflügeln oder wieder neu anregen. Gleiches gilt für bestimmte Bilder oder Kunstwerke.

      Eine ältere Dame hat mir mal erzählt, dass ihr größter Trost und ihre beständige Verbindung zum Himmel der Anblick des Bildes „Die Rückkehr des verlorenen Sohns“ von Rembrandt sei. In schwierigen Situationen habe sie stets einen Druck des Bildes angeschaut und bei sich getragen, so habe sie wieder inneren Frieden und Ruhe gefunden.

      Und dann ist da natürlich noch die Musik. Einige, oft eher ältere Menschen oder begeisterte Chorsängerinnen und -sänger, führt die klassische geistliche Musik zu einer tiefen Erfahrung von Verbundenheit und Berührung mit dem Heiligen.

      Viele junge Menschen schätzen heute die „Worship“-Musik und erleben durch diese an den Pop angelehnte Art des Lobpreises Gottes eine Ahnung des Heiligen. Ich kenne zwei Studierende, die selbst Worship-Texte schreiben und die Musik dazu komponieren. Allein dieser kreative Prozess ist für die beiden schon eine Berührung mit Gott. Die Stunden, in denen sie an ihren Liedern „arbeiten“, sind für sie heilige Zeiten – wie ein Gottesdienst.

      Manchmal sind es auch aktuelle Songs aus den Charts sowie Lieder aus den Playlists deutscher oder internationaler Künstler, die einen neuen Horizont eröffnen oder eine Atmosphäre vermitteln, die das Alltagsbewusstsein übersteigt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Song „Hallelujah“ von Leonhard Cohen oder bei Trauungen „Sag einfach Ja“ von Tim Bendzko.

      In der Hochschulgemeinde hatten wir vor Kurzem als Semesterthema „Let the music heal your soul“ – Lass die Musik deine Seele heilen. Es wurde deutlich, dass Klänge, Töne, Melodien und Rhythmen Menschen verbinden und Bindungen stärken können. Musik lässt schließlich etwas in uns erwachen und unseren Körper schwingen. Für manche ist Musik eine Tür zu ihrer Seele und damit auch zu Gott, ein Türöffner in neue innere Räume.

      In diesem Zusammenhang bin ich auf die Texte des Geigenbauers Martin Schleske aufmerksam geworden.15 Schleske reflektiert auf sehr tiefgründige Weise die Schritte des Geigenbaus und erkennt darin viele Gleichnisse zum Leben und Glauben. Äußerlich, meint er, gleiche vieles zunächst dem bloßen Gang durch seine Werkstatt, einem technischen Prozedere, aber zugleich sei dies auch ein innerer Weg in die Welt des Glaubens. Immer wieder werden ihm beim Arbeiten in seiner Werkstatt Zusammenhänge zwischen dem Leben und Glauben bewusst. Dabei gehe es beispielsweise um die Suche nach dem richtigen Holz für die Geige, wie bedeutsam es also sei, das passende Holz zu finden. Welche Eigenarten muss es haben, damit das Instrument, das daraus entsteht, am Ende gut klingt? Es geht um Klangfarben, den Duft der Pigmente, die Vielfalt der Harze, die Bedeutung der Formen und Wölbungen.

      Begeistert und selbst sehr ergriffen von den Gedanken Schleskes habe ich einmal im Advent im Paderborner Dom eine Predigtreihe zum Thema „Lauschen auf den Klang des Lebens“ angeboten. Die Resonanz war überwältigend und die Broschüren mit den abgedruckten Predigten wurden uns im Dom quasi aus den Händen gerissen.

      Hier scheint also ein wichtiger Punkt in uns angerührt zu werden: im Vielerlei der äußeren Stimmen sowie der inneren Gedankenfluten ein Gespür für die tiefer liegenden Klänge und Resonanzen zu bewahren oder neu zu erlernen – für die Herztöne und Seelenklänge.

       Augenöffner im Alltag

      Das macht deutlich: Glaube ist nichts, worüber man einfach verfügen kann. Er ist eher etwas, dem man sich zur Verfügung stellt. Glaube ist ein entstehendes Werk. Darin ist er einem Kunstwerk ähnlich, zum Beispiel einem Musikstück.

      Im Leben und im Glauben ist also eine schöpferische Kraft wirksam, eine heilige Gegenwart, aus der man leben kann. Das gilt gerade auch hinsichtlich alltäglicher Erfahrungen: bei der Arbeit, in meinen Beziehungen, in der Freizeit, in der Natur. Es gibt so etwas wie Offenbarungsmomente des Alltags: Erlebnisse, die zum Gleichnis für tiefe Wahrheiten und Einsichten werden können. Augenblicke, die dem Leben einen neuen Klang schenken. Damit bekommt der Glaube etwas Behutsames und Sanftes, eine Ehrfurcht gegenüber dem Heiligen. Die Frage des Glaubens wäre dann nicht nur „Worauf vertraust du?“, sondern auch „Was ist dir anvertraut?“.

      Am Anfang stehen also Ahnungen, „Offenbarungsmomente“ im Alltag oder zu besonderen Zeiten des Lebens eben immer auch ein Vertrauen: ein Grundvertrauen ins Leben und die schöpferische Kraft, die darin und in allen Dingen anwesend ist und uns widerfahren und berühren kann.

      Die Frage ist dann, ob wir offen dafür sind, wie Gott uns begegnen möchte. Dass er uns eben für gewöhnlich nicht mit großen, äußeren Spektakeln überwältigt, sondern uns in alltäglichen und zuweilen unscheinbaren Momenten der Erleuchtung und des Vertrauens anspricht.

      Aber könnte es nicht sein, dass wir manchmal von Anfang an einen Filter besitzen? Das wäre dann wieder wie bei einem Date. Oder anders gefragt: Kann nicht auch mein „Match“ ganz anders aussehen als meine bisherigen Idealvorstellungen, die das Äußere und andere Eigenschaften betreffen, wenn ich mich einfach mal auf „das Andere“ einlasse? Wo unterscheiden sich meine Vorstellungen vielleicht also von dem, wie Gott mir persönlich und „livehaftig“ begegnen möchte?

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