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zu verweben.

       Vier Kettfäden: Die Phasen im Verlauf der Erkrankung, das subjektive Leiden der Patienten, die Beziehungsdimension sowie eine therapeutisch wirksame Kommunikation

      Das Weben eines Teppichs beginnt mit dem Aufspannen der sogenannten Kettfäden. Das sind jene Fäden, die auf einem Webstuhl in Längsrichtung verlaufen und sich durch das gesamte Gewebe ziehen. Als solche sehen wir in unserem Buch vier Themen:

      Der erste, in der Mitte ausgespannte Faden strukturiert und gliedert. Er bezieht sich auf die zeitlich-biografische Dimension einer Krebserkrankung und die idealtypischen Phasen ihres Verlaufs. Dieser beginnt bei der Diagnostik, Diagnosemitteilung und Therapieplanung. Es folgt die Zeit der Therapie bis hin zur Heilung und einer notwendigen Neuorientierung als Überlebender oder »Survivor« (Abschn. 8.1.2). Die Krankheit kann aber auch chronisch verlaufen, und Rezidive sind jederzeit möglich. Wenn eine Krebserkrankung zum Tode führt, stellt sich die Aufgabe, Menschen in ihrer letzten Krankheitsphase zu begleiten, die dann auch zur letzten Phase ihres Lebens wird.

      Inmitten einer hochgerüsteten Hightechmedizin und angesichts des Dominierens eines störungsspezifischen Denkens und Vorgehens auch in der Psychotherapie wollen wir die einzelnen Patientinnen und Patienten mit ihrem subjektiven Erleben und Leiden, aber auch mit ihren Sehnsüchten und Zielen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rücken. So durchzieht das Buch als zweiter Kettfaden die Beschreibung des subjektiven Leidens der Patientinnen und Patienten auf den unterschiedlichen Wegstrecken und mit den phasenspezifischen Bedürfnissen. Die stetige Erinnerung an die Bedürfnisbrille soll die Aufmerksamkeit der begleitenden Behandler umlenken: weg vom Fokus auf zu behebende Symptome und Störungen, hin zu bedürfnisorientierten Zielen.

      Der dritte Faden ist ein Menschenbild, das Menschen als soziale und in Beziehungen eingebettete Wesen versteht. So sehen wir jede professionelle Interaktion als eine Begegnung zweier Menschen in ihren Rollen und mit ihrer persönlichen Geschichte. Die Anerkennung der Tatsache, dass beide daran beteiligt sind, bezeichnen wir als intersubjektive Sicht auf jedes Geschehen. Um den Blick auf die Beteiligung der Behandler, insbesondere der Ärztinnen und Ärzte, zu richten, diesen zu schärfen und zur Reflexion anzuregen, bekommt auch deren Perspektive ausdrücklich Raum.

      Der vierte Faden ist jener der Kommunikation, die darüber bestimmt, wie diese Begegnungen verlaufen. Wir beschreiben die wünschenswerte Form des kommunikativen Austauschs mit unseren Patientinnen und Patienten als therapeutisch wirksame Kommunikation. Diese Bezeichnung ergibt sich aus der Annahme, dass sich jeder auch noch so kleine Austausch auf eine wohltuende, stärkende, vielleicht sogar heilsame – eben therapeutische – Weise auswirken kann. Therapeutisch wirksame Kommunikation sollte vier Kriterien erfüllen: Sie ist patientenzentriert und bedürfnisorientiert, sie regt zu einem Perspektivenwechsel an, und sie ist in eine bewusst gestaltete therapeutische Beziehung eingebettet.

      Ein Pyramidenmodell beschreibt fünf Stufen der Umsetzung einer solchen therapeutisch wirksamen Kommunikation (Abschn. 5.1, Abb. 2). Die ersten drei Stufen betreffen den kommunikativen Alltag in der Onkologie. Sie beziehen sich darauf, wie Patientinnen und Patienten angemessen zu informieren sind sowie ein für sie passender Behandlungsplan erarbeitet und im weiteren Verlauf mit ihnen gemeinsam gestaltet wird – eine Aufgabe, wie sie sich auch beim eingangs erwähnten Patienten stellte. Die vierte und fünfte Stufe der Pyramide beschreiben die Möglichkeiten von Hypnose und Selbsthypnose im psychoonkologischen Kontext.

       Drei methodische Schussfäden: Perspektivenwechsel, Hypnose und Achtsamkeit

      Beim Weben eines Teppichs dienen Weberschiffchen dazu, die sogenannten Schussfäden quer zu den Kettfäden einzuweben. In unserem Buch sind es drei methodische Schussfäden, die gemeinsam mit den vier Kettfäden das Gewebe unseres Konzepts bilden: der Perspektivenwechsel, die Hypnose und die Achtsamkeit. Ihre Facetten bilden gemeinsam mit dem in ihnen enthaltenen Beziehungsangebot die Mittel und konkreten Vorgehensweisen, mit denen die Prinzipien einer therapeutisch wirksamen Kommunikation verwirklicht werden.

      Mit Perspektivenwechsel meinen wir das durchgehende Prinzip, eine Umorientierung der Aufmerksamkeit der Patienten und Patientinnen anzustreben: vom Kämpfen gegen etwas zum Hinbewegen auf etwas zu, was ihnen im Leben wichtig und wertvoll ist und Sinn gibt – weg von Vermeidungszielen, hin zu Annäherungszielen; weg von der einengenden Fokussierung auf die Krankheit und ihre Symptome, hin zu einem Blick auf die gesunden Anteile und Ressourcen und auf das, was Gesundheit und Resilienz fördert. Ein weiterer Perspektivenwechsel ergibt sich durch das Kultivieren eines wohlwollenden »inneren Beobachters« im Rahmen der Achtsamkeitspraxis.

      Bei derHypnose legen wir den Schwerpunkt darauf, zwei natürliche Fähigkeiten zu nutzen. Menschen können sich gleichsam selbst hypnotisieren. Das kann zu einengenden »Problemtrancen« führen, die sie wie das sprichwörtliche Kaninchen beim Anblick einer Schlange erstarren lassen. Auf der anderen Seite kann die Wirksamkeit von Suggestionen und Autosuggestionen dazu beitragen, sich eigenen Zielen anzunähern. Die zweite menschliche Fähigkeit besteht darin, Bewusstseinszustände einzunehmen, in denen sich Möglichkeitsräume erschließen, die im Alltagsbewusstsein nicht zugänglich sind. Alle Kulturen in der Geschichte der Menschheit haben Heilungsrituale entwickelt, um diese Räume zu öffnen. Getragen von einer Sicherheit gebenden und Zuversicht vermittelnden therapeutischen Beziehung wird es möglich, sich wieder dem zuzuwenden, was einem im Leben wichtig ist, guttut und Heilungsprozesse anregt. Bei der Anwendung von Hypnose heben wir insbesondere zwei Aspekte heraus: zum einen ideomotorische Phänomene, die dazu dienen, das Vertrauen in unwillkürliche Prozesse und das eigene Unbewusste zu stärken und zu nutzen; zum anderen die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen, die Menschen in ihrer inneren Vielfalt und ihren oft widersprüchlichen Bedürfnissen abholt und begleitet. Hypnose wird als intersubjektiver Austausch verstanden, als Resonanzprozess der Wechselwirkung zweier Individuen – insbesondere auch mit ihren unbewussten Anteilen.

      Achtsamkeit wird als Basiskompetenz von Therapeutinnen und Therapeuten beschrieben. Sie ermöglicht ihnen, sich ihren Patientinnen und Patienten in einem Zustand zur Verfügung zu stellen, der geprägt ist durch eine verkörperte und wohlwollende Präsenz und die Offenheit, sich in sie einzustimmen, einzufühlen und sich auf ihre Welt einzulassen. Im Kern der Achtsamkeitspraxis steht die Kultivierung eines inneren Beobachters, mit dessen Hilfe der Therapeut auch seine eigene Innenwelt und sein Handeln freundlich beobachtet und auf das Patientenwohl ausrichtet. Drei Facetten der Achtsamkeit sind in der Psychoonkologie für die Betroffenen von besonderer Bedeutung. Zum einen die Fokussierung auf den gegenwärtigen Moment, die in der Bemerkung des anfangs zitierten Patienten deutlich wird. Sie trägt bei aller Unsicherheit über die Zukunft zur Lebensqualität in der Gegenwart bei. Die anderen beiden Facetten, die Raum bekommen, sind Akzeptanz und Selbstmitgefühl.

      Das Bild des Teppichwebens könnte fälschlicherweise eine lineare zeitliche Abfolge der einzelnen Fäden und Bausteine suggerieren. Meist sind mehrere, manchmal sogar alle Fäden gleichzeitig wirksam und bedingen einander. Als Metapher für diese Gleichzeitigkeit, Verwobenheit und wechselseitige Bedingtheit bietet sich ein Gleichnis aus der hinduistischen Mythologie an: Indras Netz. Es beschreibt ein unendlich großes Netzwerk von Fäden, das sich über dem Palast der Gottheit Indra auf dem Berg Meru ausspannt. In jedem Knotenpunkt des Netzes findet sich ein Juwel mit unendlich vielen Facetten, in denen sich alle anderen Juwelen widerspiegeln. Eine multiperspektivische Sicht, wie wir sie vermitteln wollen, hat stets mehrere dieser Facetten im Blick und was sich in ihnen spiegelt. Dadurch eröffnet sich die Wahl, welche man aufgreift. Im Sinne der Spiegelung begegnen wir den gleichen Themen stets auf neue Weise, wenn sie sich in unterschiedlichen Juwelen widerspiegeln und sich dabei weitere Bedeutungen enthüllen. Querverweise in diesem Buch sollen darauf aufmerksam machen und dabei helfen, diese Verbindungen zu knüpfen und ihnen nachzugehen.

      Es bleibt Ihnen

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