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oder unverhältnismäßig erscheinen (Dimsdale / Levenson 2013).

      Für die Diagnose einer somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 müssen die Kriterien A, B (mindestens eine der drei aufgeführten psychologischen Dimensionen) und C aus Abb. 1.6 erfüllt sein.

      In der ICD-11 werden die diagnostischen Kriterien zum aktuellen Zeitpunkt wie folgt beschrieben:

      ICD-11: 6C40 Bodily Distress Disorder (somatische Belastungsstörung, übersetzt nach WHO 2018)

      Die Somatische Belastungsstörung ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein belastender körperlicher Symptome, auf die eine übermäßige Aufmerksamkeit gerichtet ist, was sich in wiederholtem Kontakt mit medizinischen Leistungserbringern manifestiert. Wenn eine andere Erkrankung die Symptome verursacht oder dazu beiträgt, ist der Grad der Aufmerksamkeit in Bezug auf die Natur und den Verlauf der Symptome eindeutig übertrieben.

      Die übermäßige Aufmerksamkeit wird auch nicht durch geeignete klinische Untersuchungen und angemessene Beruhigung abgemildert. Die körperlichen Symptome sind andauernd, d. h. an den meisten Tagen mindestens über mehrere Monate vorhanden. Typischerweise treten mehrere körperliche Symptome auf, die über die Zeit variieren können. Möglicherweise liegt auch nur ein einzelnes Symptom – oftmals Schmerzen oder Müdigkeit, die mit den anderen Merkmalen der Störung assoziiert sind – vor.

      Erste empirische Überprüfungen der neuen DSM-5-Diagnose ergaben, dass sowohl die Reliabilität, die Validität als auch die klinische Nützlichkeit bei der somatischen Belastungsstörung den Gütekriterien der somatoformen Störungen nach DSM-IV überlegen sind (Dimsdale et al. 2013).

      Reliabilität

      Die Beurteiler-Übereinstimmung (Interrater-Reliabilität), in dem Sinne, dass sich verschiedene Beurteilerinnen und Beurteiler zuverlässig über das Vorhandensein einer Erkrankung einigen können, kann bei einer Zugrundelegung der neuen Kriterien der somatischen Belastungsstörung als gut bis sehr gut bezeichnet werden (Freedman et al. 2013).

Valide bedeutet im Zusammenhang mit klinischen Diagnosen vor allem, dass ein klinisches Syndrom klar genug beschrieben ist (deskriptive Validität), der Symptomverlauf der Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit vorhergesagt werden kann (prognostische Validität) und ähnliche Erkrankungen zuverlässig ausgeschlossen werden können (differenzielle Validität). Darüber hinaus sollten valide Diagnosen das Ansprechen der Patientinnen und Patienten auf die Behandlung vorhersagen (Robins / Guze 1970; Voigt et al. 2010).images

      Obwohl die Diagnosekriterien der somatischen Belastungsstörung bereits als „überinkludierend“, mit dem Potenzial für zu viele falsch-positive Diagnosen kritisiert wurde (Frances 2013), deuten erste Untersuchungsergebnisse darauf hin, dass die neue Diagnose im Gegenteil restriktiver als die somatoforme Diagnose nach DSM-IV sein könnte.

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      Eine Studie mit Patientinnen und Patienten mit Symptomen, die als „medizinisch unerklärt“ eingestuft wurden (n=325), ergab, dass doppelt so viele Patientinnen und Patienten die diagnostischen Kriterien für eine somatoforme Störung (DSM-IV) erfüllten als die einer somatischen Belastungsstörung (DSM-5; 93 versus 46 %; Dessel et al. 2016).

      Darüber hinaus erfordert die Diagnose der somatischen Belastungsstörung, wie in den B-Kriterien beschrieben, dass die Patienten „übertriebene“ oder „unangemessene“ Gedanken, Gefühle oder Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den somatischen Symptomen aufweisen. Dadurch lässt sich eine Gruppe von Patienten identifizieren, die sich durch eine größere psychische Beeinträchtigung im Vergleich zu Patienten mit einer somatoformen Störungen kennzeichnet (Voigt et al. 2012).

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      Aktuelle Studien aus anderen Settings berichten teilweise aber auch gegenteilige Befunde. Zum Beispiel konnten Limburg et al. bei Patientinnen und Patienten mit Schwindelsymptomen in einer neurologischen Ambulanz feststellen, dass die Kriterien der somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 fast doppelt so häufig erfüllt wurden wie die DSM-IV Kriterien der somatoformen Störungen (Limburg et al. 2016). Dass es sich um eine in bestimmten Settings häufig erfüllte Diagnose handelt, zeigte sich auch in einer Studie aus einer psychosomatischen Ambulanz: hier erfüllte mehr als die Hälfte der untersuchten Patientinnen und Patienten (54,6 %) die Diagnosekriterien der somatischen Belastungsstörung (Hüsing et al. 2018).

      Insgesamt gibt es leider erst wenige Resultate aus Studien, die sich empirisch mit den neuen Diagnosekriterien beschäftigen. Hier besteht dringend weiterer Forschungsbedarf.

      1.5 Zusammenfassung

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      1.Was sind drei der häufigsten körperlichen Beschwerden in der Allgemeinbevölkerung?

      2.Wie hoch wird der Anteil unerklärter Körperbeschwerden in der allgemeinmedizinischen Versorgung geschätzt?

      3.Welche diagnostischen Begriffe für anhaltende Körperbeschwerden werden in unterschiedlichen Kontexten benutzt?

      4.Die somatische Belastungsstörung gemäß DSM-5 und ICD-11 ist das aktuellste diagnostische Konzept für belastende und anhaltende Körperbeschwerden: Welche früheren Konzepte kennen Sie und worin bestehen die Hauptunterschiede zwischen diesen Konzepten?

      5.Für die Diagnose einer somatischen Belastungsstörung nach DSM-5 müssen eines oder mehrere beeinträchtigende somatische Symptome über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten vorliegen. Welches weitere diagnostische Kriterium muss erfüllt sein?

      2 Epidemiologie

      2.1 Prävalenz

      Anhaltende Körperbeschwerden sind ein weit verbreitetes Phänomen. Genaue Schätzungen zur Prävalenz und Inzidenz klinisch relevanter Körperbeschwerden lassen sich nur schwer bestimmen. Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, existieren zahlreiche unterschiedliche Begrifflichkeiten und diagnostische Konzepte zur Klassifikation anhaltender und medizinisch unerklärter Körperbeschwerden, somatoformer und funktioneller Störungen und somatischer Belastungsstörungen. Die Prävalenzzahlen lassen sich entsprechend nur bezogen auf die jeweils zugrunde liegenden diagnostischen Kriterien

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