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Grundkurs Organisation(en) in der Sozialen Arbeit. Petra Mund
Читать онлайн.Название Grundkurs Organisation(en) in der Sozialen Arbeit
Год выпуска 0
isbn 9783846352564
Автор произведения Petra Mund
Жанр Документальная литература
Серия Soziale Arbeit studieren
Издательство Bookwire
Fehlende Lagerfähigkeit: Durch ihre Immaterialität und die Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum sind Dienstleistungen vergänglich. Daher können sie nicht auf Vorrat produziert und auch nicht gelagert werden. Auch personenbezogene soziale Dienstleistungen wie die Suchtberatung können nicht auf Vorrat erstellt werden, um z. B. krankheits- oder urlaubsbedingte personelle Engpässe zu überbrücken. Nachtdienste in einer stationären Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe können ebenfalls nicht auf Vorrat erbracht werden. Dies muss bei der Koordination, Planung und Finanzierung der Arbeit und ihrer Abläufe berücksichtigt werden.
Begrenzte Standardisierbarkeit: Dienstleistungen und insbesondere personenbezogene soziale Dienstleistungen zeichnen sich durch Individualität aus. Sie können zwar standardisierte Bestandteile enthalten, wie z. B. den generellen Ablauf einer Erstberatung im Suchtbereich. Letztlich jedoch sind personenbezogene soziale Dienstleistungen Unikate, da sie koproduktiv und damit in Abhängigkeit vom Einzelfall jeweils individuell und neu erstellt werden. Sie weisen daher mit hoher Wahrscheinlichkeit in Ausführung und Ergebnis unterschiedliche Qualitäten auf.
„Aus den jeweils einzigartigen, in genau derselben Form nicht vollständig reproduzierbaren Produktionsbedingungen ergeben sich wiederum unterschiedliche Ergebnisqualitäten“ (Dahme /Wohlfahrt 2015, 27).
Diese nur begrenzte Standardisierung und das Merkmal der Koproduktion stellen hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit personenbezogener sozialer Dienstleistungen und die Überprüfung ihrer Effektivität.
Diskutieren und reflektieren Sie die typischen Merkmale personenbezogener sozialer Dienstleistungen und ihre möglichen Auswirkungen auf konkrete Leistungen und Angebote der Sozialen Arbeit in unterschiedlichen Praxisfeldern.
2.4 Personenbezogene soziale Dienstleistungen: Diskurslinien und Spannungsfelder
Die Perspektive der personenbezogenen sozialen Dienstleistungen ist eng mit dem Diskurs um die Dienstleistungsorientierung in der Sozialen Arbeit verknüpft. Diese Debatte, die bereits seit längerer Zeit geführt wird, ist eine der zentralen der Sozialen Arbeit (Oechler 2018). Sie schwankt zwischen den Extremen Reduzierung der Leistungen der Sozialen Arbeit durch Ökonomisierung und Neoliberalisierung einerseits und Professionalisierung der Sozialen Arbeit durch eine stärkere Subjektorientierung andererseits. Um zu verdeutlichen, welche Herausforderungen mit dieser Debatte verbunden sind, soll sie in ihren Grundzügen skizziert werden.
Grundsätzlich lassen sich innerhalb dieser Debatte sowohl sozialwissenschaftliche als auch ökonomische Bezugspunkte ausmachen (Olk et al. 2003; Oechler 2018): Zunächst war der Diskurs um personenbezogene soziale Dienstleistungen insbesondere sozialwissenschaftlich geprägt. Den Ausgangspunkt in diesem Zusammenhang bildete die in den 1950er Jahren aufgestellte Theorie des Ökonomen Jean Fourastié zum gesellschaftlichen Strukturwandel (Fourastié 1954). Von seinen Überlegungen zum zukünftigen Verhältnis von primärem, sekundärem und tertiärem Sektor ausgehend, wurde unter makroökonomischer Perspektive die Bedeutung von Dienstleistungen und des Dienstleistungssektors für die Sicherung und Optimierung der Gesellschaft und ihres Fortschrittes diskutiert (Grunwald 2013b). Nachdem diese Debatte auch in Deutschland zunächst ohne expliziten Bezug zur Sozialen Arbeit stattfand, setzte Mitte der 1970er ein mikrosoziologischer Diskurs über staatliche Strategien zur Bewältigung von sozialen Problemen und die Rolle von sozialen Dienstleistungen in diesem Kontext ein (Badura / Gross 1976). Ein Fokus lag dabei auf den charakteristischen Merkmalen und der damit verbundenen spezifischen Eigenlogik von sozialen Dienstleistungen (Kap. 2.3). Diese Diskursphase, die in einer Zeit des wirtschaftlichen Wachstums und des Ausbaus staatlicher Leistungen stattfand, fokussierte insbesondere die Bedeutung, die Funktion und das Interaktionsgeschehen von personenbezogenen sozialen Dienstleistungen generell und in der Sozialen Arbeit.
Eine weitere Diskursphase setzte zu Beginn der 1990er Jahre ein. Seitdem wird vor dem Hintergrund schwindender finanzieller Handlungsspielräume einerseits und staatlicher Ausgabensteigerung andererseits nicht nur in Deutschland der Um- und Abbau sozialer Sicherungssysteme und sozialer Dienstleistungen diskutiert und auch realisiert. Ausgangspunkt der Reformen bildete dabei das Modell des „New Public Management“, das als Oberbegriff die international entstandenen Reformkonzepte zur Verwaltungsrationalisierung zusammenfasst. Kerngedanke all dieser Konzepte ist, die als unzureichend angesehene Effizienz und Effektivität in der Erbringung öffentlicher Leistungen durch eine stärkere Orientierung an den Gesetzen des Marktes und mit Hilfe von privatwirtschaftlichen Unternehmen zu optimieren und grundlegend neu zu strukturieren. Die Folge des New Public Management, das in Deutschland unter der Bezeichnung „Neues Steuerungsmodell“ eingeführt wurde, waren umfassende Umstrukturierungen im Bereich der öffentlichen Verwaltungen und ihrer sozialstaatlichen Leistungen. Neben einer Optimierung und Straffung der Mittelverwendung sollte eine grundlegende Neuorientierung des Handelns innerhalb des öffentlichen Sektors eingeleitet werden. Seitdem wird zunehmend versucht, marktförmige und unternehmerische Prinzipien auf die öffentliche Verwaltung und damit auch auf die Soziale Arbeit zu übertragen. In der Sozialen Arbeit herrschen jedoch keine marktförmigen Bedingungen. So gibt es in den wenigsten Fällen eine aktive Nachfrage der AdressatInnen nach den Angeboten und Leistungen der Sozialen Arbeit. Vielmehr bestehen viele Angebote gerade weil die Menschen oftmals nicht über ausreichende Ressourcen verfügen. Daher ist der KundInnenbegriff, der auch in der Sozialen Arbeit verwendet wird, problematisch (Galuske 2001).
„Wer bestimmt beispielsweise, was die Ergebnisqualität einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung mit einem mehrfachstraffälligen Jugendlichen ausmacht? Die Öffentlichkeit, die morgens ihre Autos und Autoradios unversehrt vorfinden will? Die Politik, der Öffentlichkeit durch Wahlen verpflichtet und durch die Finanzkrise in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt? Die Jugendamts- bzw. Sozialverwaltung als Geldgeber [...]? Der Anbieter der Hilfen, d. h. der kommunale, freie oder privatgewerbliche Träger, der sich einer bestimmten Tradition, einer bestimmten Philosophie, einem bestimmten Menschen- und Gesellschaftsbild verpflichtet fühlt [...]? Die SozialpädagogInnen, die mit ihrem Wissen und Können „vor Ort“ die Arbeit erledigen? Die Personensorgeberechtigten, im Regelfall die Eltern, die laut Gesetz Adressat „erzieherischer Hilfen“ sind? Oder gar der Jugendliche selbst? Wer ist also der Kunde, dessen „Bedarf“ die Soziale Arbeit zu befriedigen hat?“ (Galuske 2001, 357 f.)
Die nicht bestehenden Marktbedingungen und die mit dem KundInnenbegriff verbundenen Schwierigkeiten werden ganz besonders deutlich im Kontext von Leistungen, die in einem Zwangskontext wie dem Strafvollzug oder in Kinderschutzfällen stattfinden. Hier haben die betroffenen Menschen in den meisten Fällen weder die Möglichkeit, sich gegen die Inanspruchnahme einer Leistung zu entscheiden, noch zwischen verschiedenen Leistungen souverän zu wählen. Beides wäre im Rahmen eines klassischen Kundenverständnisses möglich.
Parallel zu diesem ökonomisch motivierten Diskursstrang findet seit den 1990er Jahren in der Sozialen Arbeit zudem auch eine fachpolitisch motivierte Dienstleistungsdebatte statt (Oechler 2018). Ausgangspunkt des Diskurses hier war der 9. Jugendbericht der Bundesregierung, durch den das Prinzip der Dienstleistungsorientierung auf die fachpolitische Agenda der Kinder- und Jugendhilfe gesetzt wurde. Dabei geht es der Theorie der Dienstleistungsorientierung darum,
„den professionellen Erbringungszusammenhang, den sie auf beschreibender Ebene als Kern der Sozialen Arbeit definiert, so zu verändern, dass die Souveränität derjenigen Personen gestärkt wird, welche die als „Soziale Arbeit“ erbrachten Leistungen in Anspruch nehmen“ (Sandermann / Neumann 2018, 106).
Vor dem Hintergrund dieser nur in Ansätzen skizzierten Vielschichtigkeit, Ausdifferenzierung und Verwendung des Dienstleistungsbegriffs in der Sozialen Arbeit ist es nicht verwunderlich, dass die damit verbundenen Debatten kontrovers geführt werden, da sie in ihrem Kern auch das Selbstverständnis der Sozialen Arbeit berühren. Dies unterstreicht das Erfordernis der weiteren Auseinandersetzung. Diese muss jedoch an anderer Stelle geleistet werden. An dieser Stelle standen mit der Orientierung auf personenbezogene soziale Dienstleistung