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schraube; aber der Wagenheber versinkt im Sand. Helmuth bringt ein Brett, jetzt hebt sich der Wagen, das Rad wird frei. Der salzige Sand peitscht gegen unsere Gesichter, läuft unter dem Hemd den Rücken hinunter. Schweiß mischt sich dazu. Die Augen schmerzen und triefen, als wir nach einer halben Stunde das Rad gewechselt haben und in den Wagen zurückklettern.

      Weiter! Mit neuer Kraft stemmt sich der willige Motor gegen die feindliche Natur und spät, spät nachts fahren wir endlich in einen Ort, in eine geschützte Karawanserei ein.

      Der nächste Reisetag bringt eine erfreuliche Abwechslung. Wir besuchen mit einer Empfehlung des Hauptbüros der Anglo-Iranian Oil Company in Teheran Abdul Hussein, den Benzinagenten dieser Gesellschaft in Nischapur. Ein Polizist bringt uns zu einem unscheinbaren Haus. Und wieder erleben wir wie bei Omar Chajjams Grabmal das Wunder, dass sich hinter öden, ausgedörrten Lehmmauern ein wahres Paradies verbirgt. Wasser plätschert, Blumen leuchten und duften. Der Hof ist von einer Säulenreihe umsäumt. Wider Erwarten gelangen wir in einen kleinen Palast.

      Ein Diener bietet uns Platz an, wir übergeben ihm unsere Karten. Vorsorglich sind sie englisch, französisch und arabisch gedruckt. Es dauert nicht lange und der dienstbare Geist kommt zurück: Abdul Hussein lässt bitten. Wir treten ins Innere des Hauses. Der Hausherr erhebt sich von seinem Sitzkissen hinter dem niedrigen Rauchtisch. Sorgfältig studiert er den an ihn gerichteten Empfehlungsbrief. Das Schreiben ist der Länge nach in zwei Hälften geteilt: Auf der linken steht der englische, auf der rechten der persische Text. Auch dieser ist mit der Schreibmaschine abgefasst.

      Abdul Hussein führt uns auf die Terrasse hinaus und wir nehmen in bequemen Stühlen nach westlicher Art Platz. Obwohl wir von stundenlanger Fahrt reichlich verstaubt sind, wagen wir doch nicht, um Wasser zu bitten, denn vorerst muss der unvermeidliche Begrüßungstee getrunken werden, der in winzigen Gläsern dargeboten wird.

      Vor uns lockt der große Teich zu einem Bad, kaum können wir der Versuchung widerstehen, uns hineinzustürzen, um den Wüstenstaub vom Körper zu spülen. Herrlich wäre es – aber es ist unmöglich. »Wenn ich mir wenigstens die Hände waschen könnte«, stöhne ich zu Helmuth hinüber. Er blickt auf seine verstaubten Hände und Arme, über die der Schweiß schmutzige Rillen gezogen hat. Das Haar klebt an der Stirne, der Staub juckt auf der Kopfhaut. Körperliches und auch seelisches Unbehagen erfüllt uns, während wir immer neue Schalen Tee in uns hineingießen müssen.

      Ein Diener bringt die Wasserpfeife. Verfluchtes Ding, denke ich, während ich den langen Schlauch an die Lippen führe: Waschen, waschen wollen wir uns! Das allein und sonst gar nichts! Sollen wir darum bitten? Nein, das dürfen wir nicht, es wäre vielleicht sehr unhöflich. Ergeben wir uns unserem verstaubten Schicksal!

      Neue Gäste kommen: der Polizeikommandant und der Arzt. Der »Hakim« spricht etwas Deutsch, das er aus seinen medizinischen Büchern gelernt hat. »Wir sind sehr glücklich in deinem Haus«, lassen wir Abdul Hussein sagen.

      Darauf er, mit verhaltener Befriedigung: »Mein Haus ist nur klein und Allah war ungnädig, dass er mich eure Ankunft nicht eher wissen ließ.« So plätschern die Lobesbeteuerungen und Entschuldigungen von unseren Lippen. Die »Nargileh« kreist, der Rauch gurgelt durch den gläsernen Wasserbehälter, um dann mit tiefen Zügen in die Lunge eingesogen zu werden. Gewaschen sind wir noch immer nicht.

      So geht das einige Stunden – rauchen und Tee trinken, Tee trinken und rauchen.

      Halt – jetzt tut sich was: Ein Diener bringt ein Kännchen und bleibt abwartend vor mir stehen. Ich begreife, strecke die Hände hin, reibe sie erwartungsvoll: Ein fadendünner Strahl rinnt darüber hin – und schon ist die »Reinigung« vollendet. Ich sehe eben noch, wie Helmuth ein paar Wassertropfen liebevoll in seinen ausgetrockneten Handflächen verreibt, dann hält schon der Hakim seine spitzen Finger hin. Auch er bekommt nicht mehr als einen Teelöffel voll, wie ein Wiesel eilt der Diener weiter zum Polizeioffizier und endlich zu Abdul Hussein. Die Waschung von fünf Personen hat kaum eine Minute gedauert. Doch scheint jedermann sehr zufrieden zu sein – nur wir nicht.

      Mit dieser Zeremonie ist der Auftakt zum Abendmahl gegeben. Fruchtschalen werden gebracht. Leider sind wir nicht sattelfest im persischen Knigge, wissen nicht: Dürfen wir anfangen oder sollen wir noch warten. Wir entscheiden uns für das Letztere. Mit uns aber warten alle! Heimlich spähe ich nach der Uhr. Eine geschlagene Stunde sitzt die Gesellschaft vor den Schalen mit lockenden Trauben, Marillen und Granatäpfeln, ohne auch nur mit einer Wimper zu zucken. Die Unterhaltung beginnt langsam zu stocken. Alles scheint sich nach den Früchten zu sehnen. Der Polizeioffizier hat schon mehrmals danach geblickt, der Hakim rutscht unruhig auf seinem Sessel hin und her. Helmuth und ich tun das schon lange. Verzweifelt sogar. Wie schön war es doch gestern im »Auto-Hotel«, wo man für ein paar Krans tun und lassen konnte, was man wollte.

      Abdul Hussein ist der Einzige, der Würde zu wahren versteht, lässig hat er sich zurückgelehnt, raucht aus der Nargileh. Damit aber ist die Unterhaltung ganz versiegt. Die Stimmung scheint gewitterschwül, ja geradezu feindselig zu werden. Bald muss irgendetwas geschehen, der Hakim hat mich so herausfordernd angeblickt.

      »Zum Teufel noch einmal«, denke ich – und sage es auch und nicht eben leise. Mit dem Mut eines gequälten Tieres reiße ich mich hoch, greife nach der schönsten Marille und beiße herzhaft hinein.

      Alles wartete auf diese befreiende Tat und wie eine Erlösung geht es durch die Reihen. In wenigen Minuten sind die Schalen geleert. In rascher Folge werden nun Reis, Hammelkeulen, Brotfladen, Eier, Hühnerhaschee und Melonen aufgetragen. Abdul Hussein lässt sich stets von mir nötigen zu essen.

      So ist das also in Persien! Gewaschen aber sind wir immer noch nicht und das ausgerechnet in jener Stadt, die den Erlös aus dem Lebenswerk des größten aller persischen Dichter auf seinen Wunsch dazu verwendete, großzügige Bewässerungsanlagen zu schaffen.

      Erlebt hat Firdusi, der »Paradiesische«, ihre Ausführung allerdings nicht mehr. In 60.000 Doppelversen hatte er in seinem ungeheuren Epos »Schah-name« alle alten persischen Heldensagen zusammengefasst und ihnen die unsterbliche dichterische Form gegeben. Von Sultan Mahmud I. war ihm für jeden Doppelvers ein Goldstück versprochen worden – aber seine Neider wussten den Sultan gegen ihn einzunehmen und der greise Dichter fiel in Ungnade. Spät erst erkannte der Sultan seinen Fehler. Zu spät, denn die Karawane mit den 60.000 Goldstücken, die nach Nischapur, Firdusis Heimat, unterwegs war, begegnete bei ihrem Einzug in die Stadt dem Leichenzug des Dichters. Er selbst allerdings hatte keiner äußeren Ehrung bedurft, um ewigen Ruhmes sicher zu sein, denn das Nachwort zu seinem Epos lautet:

      »Wer immer Geist hat, Glauben und Verstand,

      von dem werd’ ich mit Lob und Preis genannt,

      der ich die Saat des Wortes ausgesät.

      Ich sterbe nicht, wenn auch mein Leib vergeht!«

      Fremde Teufel

      Ostpersische Höhlendörfer • Meschhed • Drei Polizisten warten auf den

      Zwischenfall • Helmuth sitzt im Käfig – ein Spaß für alle Beteiligten •

      »Und sie haben doch ein Maschinengewehr!«

      Die Straße, die jetzt so lange Zeit eintönig gerade verlief, bekommt Kurven, sie steigt und fällt, die Wüste wird hügelig. Wir nähern uns Meschhed, dem großen Pilgerort, dem Mekka der schiitischen Welt.

      Auf der letzten Anhöhe zeichnen sich eine Unmenge kleiner Steinpyramiden als Silhouetten gegen den Himmel ab. Was mögen sie bedeuten? Erst als wir oben halten, finden wir die Erklärung dafür: Hier ist die Stelle, wo man Meschhed zum ersten Mal in seiner ganzen Ausdehnung überblickt. Ein Häusermeer, viele Gärten und Bäume dazwischen und alles überragend die vergoldete Kuppel der großen Moschee. Soweit man sehen kann, dehnt sich um die Stadt herum ein Gürtel blühender Felder, Pappelwälder und Dörfer. Kein Wunder, dass dieser Anblick die Pilger trifft wie eine Botschaft aus den Gefilden des Paradieses! Sie haben vielleicht wochenlange Reisen auf dem Rücken der Kamele hinter sich, nichts als Mühsal und Anstrengung, nichts als Hitze, Sand, Staub, eintönige gelbbraune Ebene, trockene Salztümpel. Und nun auf einmal liegt diese strahlende Stadt vor ihren Augen! Dieser Stunde muss

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