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Berufsabschluss für Erwachsene in der Schweiz. Markus Mäurer
Читать онлайн.Название Berufsabschluss für Erwachsene in der Schweiz
Год выпуска 0
isbn 9783035503548
Автор произведения Markus Mäurer
Жанр Учебная литература
Серия hep praxis
Издательство Bookwire
In einigen Ländern verbreitet ist der direkte Zugang zum Zertifikat nach der Anerkennung vor allem bei kürzeren Ausbildungen. Ein Beispiel dafür ist die Validierung im Bereich der arbeitsmarktlichen Massnahmen in Schweden (→ Abschnitt 8.4.3).
Anerkennung eines früher erworbenen Abschlusses
An die Stelle der Anerkennung von informell erworbenen Kompetenzen («Erfahrungen») kann auch die Anerkennung von früher oder in einem anderen Bildungssystem erworbenen Abschlüssen treten. Üblich ist dies bei einer Reform eines Bildungssystems, so geschehen unter anderem bei der Aufwertung von höheren Fachschulen zu Fachhochschulen und bei der Ablösung der Regelung der Pflegeausbildung durch das SRK.
Spezielle Regelungen wurden zudem für die Anerkennung von Abschlüssen geschaffen, die im Ausland erworben wurden. In der Schweiz wird nicht ein Schweizer Abschluss abgegeben, sondern eine Gleichwertigkeitsbestätigung ausgestellt. Für Abschlüsse der Berufsbildung und von Fachhochschulen ist dafür das SBFI zuständig (SBFI, 2015a).
Auch im Rahmen eines Validierungsverfahrens können bereits erworbene Abschlüsse berücksichtigt werden, indem abgeklärt wird, welche Kompetenzen durch die bereits besuchte Ausbildung abgedeckt sind (Teilzertifizierung) (→ Abschnitt 5.2).
2.4.2 Methoden der Anerkennung von Kompetenzen bei Erwachsenen
Kompetenzen sind nicht direkt messbar. Damit erworbene Kompetenzen anerkannt werden können, müssen sie sichtbar gemacht werden. Im Bildungswesen geschieht dies üblicherweise durch schriftliche und mündliche Prüfungen oder Arbeiten (z. B. eine individuelle praktische Arbeit, IPA) während oder am Schluss einer Ausbildung. Damit lässt sich evaluieren, ob die angestrebten Kompetenzen wirklich vorhanden sind.
Vor allem für Erwachsene gibt es seit einiger Zeit auch alternative Methoden der Kompetenzevaluation, die in der Schweiz zum Teil im Rahmen des Validierungsverfahrens zur Anwendung kommen (vgl. als Überblick: Annen, 2012). Diese Methoden können unterschiedlich stark strukturiert sein, je nachdem, ob eine formelle Anerkennung der Kompetenzen angestrebt wird oder nicht.
Ein Teil der fraglichen Methoden fokussiert auf Selbsteinschätzung. Dies ist etwa bei der Portfoliomethode der Fall. Dabei geht es um die Darstellung der Kompetenzen in einem Dossier, das biografische Informationen, Abschluss- und Arbeitszeugnisse, aber auch Reflexionen zu beruflichen Handlungsabläufen enthalten kann. Ein Beispiel eines solchen Portfolios ist der Europass der EU, in dem der Lebenslauf und berufliche Kompetenzen online standardisiert dargestellt werden (Cedefop & Europäische Kommission, 2015). Bei dieser Form des Portfolios geht es lediglich darum, vorhandene Erfahrung und Kompetenzen sichtbar zu machen, nicht um deren formelle Anerkennung im Hinblick auf den Erwerb eines Berufsabschlusses. Das Portfolio wird jedoch auch eingesetzt, wenn genau dies das Ziel ist, zum Beispiel in der Bilanzierungsphase des Validierungsverfahrens in der Schweiz (BBT, 2010a, S. 11). Wie gerade dieses Verfahren zeigt, können im Rahmen von Portfolios weitere Methoden der Selbsteinschätzung verwendet werden. So fordern einige Kantone sogenannte Lupen ein (→ Abschnitt 5.2).
Wird durch die Kompetenzevaluation eine Anerkennung von Kompetenzen angestrebt, ist selbstverständlich auch Fremdeinschätzung wichtig, zum Beispiel durch die Beobachtung von Arbeitsproben, auch als Augenschein bezeichnet. Im Rahmen solcher Proben überprüfen Expertinnen und Experten berufliche Handlungskompetenzen möglichst realitätsnah. Dies kann direkt in der Arbeitswelt geschehen, zum Beispiel in Form einer Probezeit, durch einen kürzeren Praxisbesuch oder durch die Einforderung eines Werkstücks innerhalb einer bestimmten Zeitspanne. Wenn die Überprüfung im realen Arbeitsleben nicht möglich oder wenn sie zu aufwendig ist, können Assessments durchgeführt werden. Sie können auch Simulationen von Berufssituationen beinhalten, zum Beispiel in Form nachgestellter Kundengespräche oder – wie etwa für die Automobildiagnostik – computergestützt (Gschwendtner, Abele & Nickolaus, 2009).
Zu den Methoden der Fremdeinschätzung gehören ferner Beurteilungsgespräche. Dabei lassen sich theoretische Inhalte prüfen, aber auch Reflexionen von Selbsteinschätzungen (z. B. eines Portfolios) oder das Verhalten in gestellten Situationen.
2.5 Modularisierung in der Berufsbildung
Das Konzept der Modularisierung hat sich in verschiedenen Teilen des Bildungssystems durchgesetzt: Zentral ist dabei die Idee, Ausbildungen in voneinander verhältnismässig unabhängige Teile (Module) zu zerlegen. In der Schweiz sind modularisierte Ausbildungen vor allem in der Hochschulbildung verbreitet, aber auch in der höheren Berufsbildung kommen sie vor.
Es gibt jedoch verschiedene Spielarten modularisierter Ausbildungen. Unterschiede bestehen im Hinblick auf die zeitliche Flexibilität: In manchen Systemen sind alle Module innerhalb einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Reihenfolge zu absolvieren (Beispiel: Informatiker/in EFZ). In anderen Systemen – etwa in vielen Bologna-konformen Studiengängen – bestimmen die Kandidatinnen und Kandidaten selbst, wann sie die einzelnen Module belegen möchten.
Modulsysteme (oft spricht man von «Baukästen» oder «Bausätzen») unterscheiden sich auch mit Blick auf den Abschluss der einzelnen Module: Jedes Modul vermittelt eine oder mehrere Kompetenzen – die möglichst arbeitsmarktrelevant sein sollten (modules of employable skills) – und wird mit einem Leistungsnachweis (z. B. einer Prüfung) abgeschlossen.
Weiter unterscheiden sich modularisierte Ausbildungen in Bezug auf den Abschluss. Bei manchen Systemen gilt der Lehrgang als erfolgreich abgeschlossen, wenn die Leistungsnachweise aller Module bestanden sind. Häufiger sind die erfolgreichen Abschlüsse der Module jedoch nur ein Zulassungskriterium (→ Abschnitt 8.1.2) zu einem den ganzen Lehrgang umfassenden Qualifikationsverfahren (QV), das man bestehen muss, damit der Lehrgang erfolgreich abgeschlossen ist. Das QV konzentriert sich oft auf modulübergreifende Kompetenzen; dabei muss beispielsweise eine Fallstudie erstellt werden. Typisches Beispiel für diese Variante sind viele Berufs- und höhere Fachprüfungen.
Der entscheidende Unterschied zwischen den verschiedenen Modularisierungskonzepten dürfte sich auf die Frage beziehen, ob damit auf ein definiertes Berufsbild vorbereitet wird und das abschliessende Zertifikat die Kompetenz bescheinigt, einen Beruf auszuüben, oder ob es sich um ein offenes, nicht auf einen bestimmten Beruf bezogenes System handelt.
Letzteres ist zum Beispiel in England oder Australien der Fall (Deissinger, 2009), wo die traditionelle Berufsausbildung durch die National Vocational Qualifications (NVQs) abgelöst wurde. Im deutschsprachigen Raum – auch in der Schweiz – wird dieser Unterschied häufig übersehen, weshalb die Modularisierung auf einige Skepsis stösst (Kloas, 1997). Oft wird argumentiert, dass Ausbildungen und Berufe durch eine konsequente Modularisierung fragmentiert würden. Arbeitnehmerverbände befürchten weitreichende Folgen für die wirtschaftliche Arbeitsteilung und somit auch für Gesamtarbeitsverträge, die sich zurzeit stark an Berufen orientieren.
Wie die Beispiele zeigen, lassen sich gewisse Elemente der Modularisierung durchaus mit der schweizerischen Berufsbildung vereinbaren. Wie wir in Abschnitt 5.2 ausführen, ist sie für das Validierungsverfahren bereits sehr zentral – und in unserer Vision nimmt sie eine Schlüsselrolle ein (→ Abschnitt 10.3). Was uns vorschwebt, ist aber eine Modularisierung, die auf Berufsabschlüsse vorbereitet, nicht