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gelangte, laufen auch gegen Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste Ermittlungen … Trotz der Verwicklung der Privatfirmen in die Misshandlung von Gefangenen wurde die Zusammenarbeit … fortgeführt, zumal die US-Armee auf die Unterstützung von privaten Sicherheitsdiensten zunehmend angewiesen ist.“

      Loic Wacquant („Bestrafen der Armen: zur neoliberalen Regierung der sozialen Unsicherheit“) zeigt eindrücklich, wie der Neoliberalismus nicht nur den Sozialen Wohl-fahrtsstaat atomisiert, sondern auch das Gefängnis-wesen, das integraler Bestandteil seiner Ideologie resp. deren Umsetzung ist, okkupiert. Das „Law-and-Order-Karussell“ – fleißig stricken die Lobbyisten der privaten Gefängniswirtschaft weltweit an einer Verschärfung der Strafgesetze – sei für die Kriminalität das, was Pornographie für eine Liebesbeziehung sei: „ein die Realität bis zur Groteske entstellender Zerrspiegel, der das delinquente Verhalten aus dem Geflecht der sozialen Beziehungen … [herausreißt und] seine Ursachen … bewusst ignoriert.“

      Elend und Ende des Wohlfahrtsstaats sind mit der hyperinflationsartig steigenden Zahl von Gefängnisinsassen eng verknüpft; allein erziehende arme Mütter z. B. werden in neoliberaler Diktion nicht mehr als bedürftig bezeichnet, sondern als deviant, mithin als (potentiell) kriminell rubriziert, „als eine Problemgruppe, deren Integrität … suspekt ist und deren … Arbeitsver-meidungsverhalten dringend der Korrektur durch Aus-schluss, Zwang und moralischen Druck bedarf.“

      So wuchs der Strafvollzugssektor – ganz im Sinne neoliberaler Privatisierungs- (und Wachstums-) Ideologie – zum drittgrößten(!) Arbeitgeber der USA; längst wird im Land, wo Milch und Honig fließt, für das Knastwesen ein Vielfaches des Geldes ausgegeben, das für allein-erziehende Mütter zur Verfügung steht; „in der größten Strafkolonie der freien Welt“ in Los Angeles leben 23.000 Gefangene (in sieben Anstalten).

      [Die Gefangenen des modernen, globalen Corona-Gefängnisses – d.h die Menschen dieser Welt! – verhelfen zu noch viel größeren Gewinnen: durch Masken, (Schnell-)Tests, Impfungen …; s., Liebste, beispielsweise 52 53 54 55 56 57 58!]

      Das Gefängnis neoliberaler Prägung werde, so Wacquant, zu einer Art neues Ghetto, diene nicht zuletzt der Abschöpfung der Arbeitskraft der Gefangenen:

      Zu Minimalkosten lassen namentlich Großkonzerne in Haftanstalten produzieren; die Häftlinge erhalten allenfalls einen geringen, manchmal gar keinen Lohn. Nebenkosten wie Sozialabgaben (zur Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung) entfallen; stattdessen kommen die Arbeitgeber in den Genuss von Steuervorteilen: für die Beschäftigung von Gefängnis-insassen, die sie zuvor, nach allen Regeln der „Kunst“, ausgebeutet haben.

      „Der Einsatz Strafgefangener außerhalb von Haftanstalten hat in den USA eine jahrhundertelange Tradition. Aktuell sitzen in den USA 2,3 Millionen Menschen im Gefängnis. Das ist etwa ein Viertel aller Gefängnisinsassen weltweit … [D]ie Tatsache, dass der Einsatz von Häftlingen für BP [nach der Ölkatastrophe am Golf von Mexiko] organisatorisch keine Herausforderung für die Gefängnisbetreiber war, zeigt, dass die ´Nutzung´ dieser Arbeitskräfte jenseits der Gefängnismauern nichts Außergewöhnliches ist. Besonders zynisch allerdings war, dass BP die Gefangenen umsonst für sich arbeiten ließ, während die ortsansässige Bevölkerung durch die Ölkatastrophe in die Arbeitslosigkeit getrieben wurde und vor dem Ruin stand …

      2004 wurde gemeldet, dass in Hessen erstmals die Führung einer Haftanstalt komplett in private Hände gelegt wurde. Die Justizvollzugsanstalt Burg in Sachsen-Anhalt wird vom Baukonzern Bilfinger Berger betrieben. Dass Konzerne auch hierzulande keine Hemmungen haben, von Zwangsarbeit zu profitieren, zeigen die Beispiele von IKEA, Quelle und Neckermann, die schon in den 1970ern und 1980ern Insassen von DDR-Gefängnissen für sich produzieren ließen.“

      Und die TAZ schreibt: „Knastarbeit in Deutschland. Ausbeutung hinter Gittern … [D]ie meisten Produkte, die im Gefängnis hergestellt werden, gehen hinterher an staatliche Behörden, Schulen, Gerichte, Bezirksämter oder Parlamente. Auch externe Unternehmen können Aufträge an die Gefängnisse vergeben. Darüber sprechen wollen sie meist … nicht …

      Rund 66.000 Menschen sitzen in deutschen Gefängnissen [davon, schätzungsweise, mehr als 10.000 politische Gefangene, die, selbst-verständlich, nicht so genannt werden!], 41.000 von ihnen arbeiten dort. ´Das ist de facto ein Großkonzern´ … In der Berliner JVA Tegel ist Arbeit Pflicht [nicht nur dort; gem. § 41 Strafvollzugsgesetz besteht bundesweit in JVAs Arbeitspflicht] … Die JVA unterhält 13 Betriebe, darunter eine Tischlerei, [eine] Polsterei und eine Druckerei. Auf ihrer Homepage wirbt sie mit deren Produkten – Handarbeit als Qualitätsmerkmal.“

      „[Gefängnisarbeit]: ´für Unternehmen der freien Wirtschaft eine attraktive Alternative zur Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer.´

      Mit ähnlichen Worten preist auch das bayerische Justizministerium die Arbeit hinter Gittern an. Bayern und Niedersachsen haben jeweils eine Website mit einem Leistungskatalog eingerichtet, mit deren Hilfe Unternehmen aus Dienstleitungen von A wie Abbeizen bis Z wie Zusägen wählen können.“

      „ … egal, wie viel Ex-Häftlinge im Gefängnis gerackert haben, ob sie Ikea-Möbel, Fahrradständer oder Krippenfiguren herstellten, für die Rente wird diese Arbeitszeit nicht angerechnet.

      Ein Vakuum, das seit 1976 besteht, als das heute geltende Strafvollzugsgesetz verabschiedet wurde. Die sogenannte ´Einbeziehung in soziale Sicherungs-systeme´, also auch in die Rentenversicherung, sollte durch besonderes Bundesgesetz in Kraft gesetzt werden, sieht das Gesetz vor. Bis heute.

      Seit 36 Jahren warten Häftlinge auf versprochene Rentenbeiträge. Mangels öffentlichen Drucks und [auf Grund einer] einflussreichen Lobby hat sich die Situation alter Ex-Häftlinge in [diesen] … Jahren nicht verbessert. Zwar gab es unter Kanzler Helmut Schmidt zwei Anläufe, ein Gesetz zu verabschieden … Doch es blieb beim Entwurf.

      Wer aus dem Knast entlassen wird, landet meistens am Rand der Gesellschaft … Die fehlende Rente setzt dem freien sozialen Fall dann die Krone auf.“

      [Und selbst-verständlich, meine Liebe, gibt es auch im neoliberalen, globalen Freiluft-Gefängnis neben der Masse der Verlierer einige, wiewohl wenige Gewinner 59 60: „38 Milliarden Dollar – so viel haben die Tech-Riesen Apple, Google, Facebook und Amazon im vergangenen Quartal zusammen verdient … Die großen Tech-Konzerne profitieren vom veränderten Verhalten der Nutzer und Werbekunden in der Corona-Pandemie.“]

      Weil der Neoliberalismus nur in dem Maße seine Wirkung entfalten kann, in dem es ihm gelingt, die Menschen sowohl ihren eigenen Interessen als auch ihren sozialen Zugehörigkeiten zu entfremden, benötigt er entsprechende Disziplinierungsinstrumente wie beispielsweise Gefängnisse [oder, aktuell, die Corona-Maßnahmen, all die – aus medizinischer Sicht – unsinnigen Gebote und Verbote 61], um die Folgen dieser Entfremdung unter Kontrolle zu halten: Der Neoliberalismus schafft sein (soziales und psychisches) Elend selbst, um an dessen Beseitigung dann möglichst viel zu verdienen.

      Demzufolge ist die Situation des je einzelnen Häftlings immer(!) im Kontext der gesamten gesellschaftlichen und politischen Situation, in der (auch) er lebt – und leidet –, zu sehen.

      Als Mittel der Disziplinierung führt Foucault auch die Verwaltungsautonomie oder Strafsouveränität an, „die eigenständige Entscheidungsmacht jedes … Gefängnisses über die konkrete Behandlung jedes einzelnen seiner Insassen.

      Der Gefängnisleitung sowie dem Personal steht es zu, je nach Verhalten des Häftlings, diesem bestimmte Vergünstigungen zuzusprechen oder aber auch seine Strafe zu verschärfen. Im konkreten Fall bedeutet dies zum Beispiel die Verlegung eines Sträflings, der sich aufrührerisch verhalten hat, in … [Isolationshaft] ...

      [So, wie es heute einem Polizeibeamten – sofern er lesen und schreiben kann (was bei der Berliner Polizei z.B. durchaus nicht selbstverständlich ist 62) – de facto „zusteht“, ein ärztliches Attest mit Diagnosen, die er, oft jedenfalls, nicht einmal aussprechen, geschweige denn beurteilen kann, zu akzeptieren oder (was die Regel) als ungültig

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