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ihrer Mutter übernommen. Florian aber hat immer nur aus Abwehr bestanden und darum nie verstanden, was der Glaube ihm hätte geben können. Schade …

      Jaron bemüht sich schon seit Monaten um die Gunst von Jessica Hebel.

      Jessica ist eine Schönheit. Das macht die Sache nicht leicht. Jaron weiß von mindestens zwei anderen Typen, die sich auch um sie bemühen. Aber er ist sicher, dass es noch mehr gibt, von denen er nur nichts weiß.

      Dreimal hatten sie sich getroffen. Einmal in einem Café und zweimal zum Abendessen in einem besseren Lokal bei Kerzenschein. Sie hat auch nie etwas gegen einen Abschiedskuss gehabt, aber Jaron hatte jedes Mal den Eindruck, dass das bei ihr mehr ein notwendiges Ritual nach einem gemeinsamen Abendessen war. So, wie man sein Auto abschließt, wenn man angekommen und ausgestiegen ist. Während so ein Kuss bei ihm immer durch den ganzen Körper fuhr, schien er seine Wirkung bei Jessica schon unmittelbar hinter den Lippen, noch vor den Zähnen, verloren zu haben.

      Heute wollen sie „eine Kleinigkeit essen“ – er fürchtet allerdings, so klein wird das Loch nicht, das in seinem Geldbeutel entstehen wird – und dann zusammen ins Kino gehen.

      Aber Jaron hat einen Trumpf. Jessica ist Journalistin. Wenn er ihr das Foto mit dem Brief zeigt, wird sie begeistert sein. Sie ist immer auf der Suche nach einer Story. Besonders wenn die in der Gegend spielt, denn sie arbeitet in der Lokalredaktion.

      Ehrlich gesagt zweifelt Jaron manchmal, ob er auf dem richtigen Weg ist, wenn er sich so um Jessica bemüht. Er ist sicher: Für eine gute Geschichte und ihre Journalistenkarriere würde sie auch ihn verraten. Aber was soll man machen, wenn man verliebt ist?

      Als sie ihre „Kleinigkeit“ gegessen haben – für dreißig Euro einschließlich Trinkgeld –, lächelt er sie an und sagt: „Ich hab noch was für dich!“

      „Ach? Was denn?“

      Er zieht sein Smartphone heraus, ruft das Bild auf und legt es vor ihr auf den Tisch. „Eine Story. Ich muss allerdings gestehen, ich habe nicht um Erlaubnis gefragt. Aber das macht dir doch keine Probleme, oder? Quellenschutz und so.“

      Jessica überfliegt den Brief. Er ist nicht leicht zu lesen – Handschrift, und dazu noch stark verkleinert. Aber je weiter sie kommt, desto mehr strahlt sie.

      „Aber den codierten Brief von diesem Daniel so und so hast du nicht?“

      „Nein. Den könnten wir ja sowieso nicht lesen.“

      „Hm. Trotzdem, da kann man eine gute Geschichte draus machen. Ich muss gleich in die Redaktion. Vielleicht schaffe ich’s noch in die morgige Ausgabe.“

      „Aber – wir wollten doch ins Kino!“

      „Ich fürchte, daraus wird heute nichts, Jaron. Ein anderes Mal vielleicht.“

      „Ich habe mir nur mal die ersten Zeilen vorgenommen“, berichtet Mats seiner Schwester.

      „Habe die Buchstaben alle untereinandergeschrieben, die darin vorkommen, und gezählt. Dabei habe ich festgestellt, dass nicht alle Buchstaben aus dem Alphabet da stehen. Es fehlen zum Beispiel das W, das X, das V…“

      „Bei so einem langen Text wäre es unwahrscheinlich, dass einzelne Buchstaben nicht auftauchen, wenn jeder im Code einem im Klartext entspräche.“

      „Dachte ich mir auch. Aber nach welchem Schlüssel …“

      Mia kommt rein. „Guck mal, Tante Hannah … Ach so, du kannst ja nicht gucken. Dann guck du mal, Onkel Mats!“

      „Mia, stör uns nicht! Wir haben gerade was Schwieriges …“

      „Das ist ganz lustig! Oben ist es ein König mit einer Krone, in der Mitte ist es der Schornsteinfeger, und unten ist es der Bauer. Und wenn ich so …“

      „Wenn du das verschiebst …“

      „Ja, dann ist es oben ein Clown. Und so wird es ein Feuerwehrmann in der Mitte …“

      „Da kannst du jede Menge komische Figuren machen. Toll! Aber jetzt lass uns in Ruhe, wir haben hier ein Problem zu lösen!“

      Hannah fragt: „Du hast ein Spiel, bei dem man aus verschiedenen Teilen immer andere Figuren zusammensetzen kann?“

      „Ja.“

      „Lass mal überlegen … Das ist die Idee! Das könnte die Lösung sein!“

      „Wie meinst du das?“, fragt Mats.

      „Kann es nicht sein, dass ein Buchstabe im Klartext immer durch zwei andere Buchstaben im Code geschrieben wird? Also zum Beispiel A und E bedeuten O. Oder so ähnlich.“

      „Hm. Möglich. Aber wie sollen wir das rauskriegen?“

      „Lass mich nachdenken!“

      „Bitte – viel Spaß.“

      Es ist eine Weile still. „Schreib mal alle Buchstaben untereinander auf!“

      „Hab ich doch schon.“

      „Nicht alphabetisch geordnet, sondern so, wie sie da im Brief stehen. Jedenfalls die ersten Zeilen, damit es nicht gleich so viel wird. Und dann zählst du durch und schreibst hin: eins, zwei, drei usw.“

      „Und wofür soll das gut sein?“

      „Das siehst du gleich.“

      Mats schreibt. „Fertig.“

      „Wenn stimmt, was ich vermute, dann müssten einige Buchstaben nur eine ungerade Zahl haben und andere nur eine gerade.“

      Mats schweigt eine Weile. Dann: „Tatsächlich! Das stimmt! Nein, hier nicht mehr. Falsch!“

      „Und – wird es am Ende wieder richtig?“

      „Genau! Hier sind wieder … zum Beispiel haben alle Vokale gerade Zahlen. Aber andere auch, zum Beispiel B und C.“

      Hannah lehnt sich zurück und grinst. „Das war schon mal ein erster Schritt.“

      „Der uns aber nicht weiterbringt.“

      „O doch!“

      „Lass mich an deinen genialen Gedankengängen teilhaben, wenn sie dir nicht zu schade sind für einen kleinen Gymnasiasten.“

      „Kein Ding“, lächelt Hannah. „Das Alphabet hat sechsundzwanzig Buchstaben. Da ist es naheliegend, fünfundzwanzig durch fünf mal fünf andere zu beschreiben. Einer gibt an, in welchem Fünferblock der gesuchte steht, und der zweite gibt an, der wievielte in diesem Fünferblock es ist. Fünf Fünferblocks zu je fünf Buchstaben – da kann man mit zehn Buchstaben fünfundzwanzig andere schreiben.“

      „Hm. Bestechender Gedanke. Aber dann müssten hier fünf mit gerader und fünf mit ungerader Zahl stehen. Es sind aber mehr.“

      „Zehn vielleicht? Zusammen zwanzig?“

      „Moment!“ Mats zählt. „Tatsache, je zehn gerade und zehn ungerade.“

      „Perfekt! Zehn Buchstaben für fünf Fünferblöcke, das heißt, man hat immer verschiedene Möglichkeiten. Was das Knacken des Codes erschwert. Ebenso bei den einzelnen Buchstaben in jedem Block. Man kann also jeden Klartextbuchstaben auf vierfache Weise schreiben. Da ist durch Abzählen, wie oft einer vorkommt, also nichts zu lösen.“

      „Ich kapier kein Wort.“

      „Ein Beispiel: Nehmen wir mal an, du willst Mats schreiben. Ein M.“

      „Oder Hannah.“

      „Der Einfachheit halber nehmen wir an, wir bezeichnen die Fünferblöcke mit den arabischen Zahlen eins bis fünf oder wahlweise mit arabischen sechs bis zehn. Und die Einzelbuchstaben in jedem Fünferblock mit römisch eins bis fünf oder wahlweise mit römisch

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