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kunsthistorischen Referates im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum, vor einigen Jahren in einer skurrilen »Romanbiografie« ohne haltbare Quellenbelege als »Hitlers Großvater« hervorzauberte, wohl wegen des Namens Adolf, vielleicht auch, weil dieser sein Palais in der Renngasse 6 hatte, nur wenige Meter von Rothschilds Renngasse 3 entfernt, kommt nicht infrage, wobei sie schon auf der ersten Seite ihre absurden Theorien mit dem obskuren Satz gegen jegliche Kritik zu immunisieren versuchte: »Jedes zweite Wort ist wahr.« Krumpöcks krause Zusammenstellung ist von Andreas Kusternig eindringlich korrigiert worden.31 Doch gegen Verschwörungstheorien ist nicht wirklich anzukommen. Sie geistern unausrottbar durch die Weltgeschichte und das Internet.

      Auch Hitler selbst versuchte seine Herkunft zu verschleiern. Wie viel wusste er? Wie sehr war er psychisch dadurch belastet? In Mein Kampf gibt es nur zwei kurze, sich zudem widersprechende Sätze über die Vorfahren seines Vaters: »Als Sohn eines armen, kleinen Häuslers hatte es ihn schon einst nicht zu Hause gelitten …« und später, anlässlich seines eigenen Wienaufenthalts: »… immer das Bild des Vaters vor Augen, der sich einst vom armen Dorf- und Schusterjungen zum Staatsbeamten emporgerungen hatte.«32 Er hat ausgerechnet bei diesen Sätzen sehr lange um die Formulierung gekämpft, ursprünglich hätte es »Häusler und Tagelöhner« heißen sollen. In welches Licht wollte und sollte er seine Herkunft setzen? In die schmerzliche Realität einer armen, niedrigen und ungeklärten Herkunft? Eines inzestuösen Verhältnisses? Einer Lüge?

      Hitlers Schwester Paula jedenfalls behauptete 1945 gegenüber der US-Armee, über die Herkunft ihres Vaters im Unterschied zu jener der Mutter praktisch nichts zu wissen: »Der Vater hat sich um die Verwandtschaft nicht gekümmert. Ich habe niemand von den Verwandten meines Vaters gekannt, sodass wir, meine Schwester Angela und ich, öfter gesagt haben: wir wissen gar nicht, der Vater muss doch auch Verwandte gehabt haben.«33 Und auch Adolf Hitler selbst wollte nicht darüber sprechen. Am 21. August 1942 sagte er in der Wolfsschanze: »Von Familiengeschichte habe ich gar keine Ahnung. Auf dem Gebiet bin ich der Allerbeschränkteste. Ich habe auch früher nicht gewusst, dass ich Verwandte habe. Erst seit ich Reichskanzler bin, habe ich das erfahren. Ich bin ein vollkommen unfamiliäres Wesen, ein unsippisch veranlagtes Wesen. Das liegt mir nicht. Ich gehöre nur meiner Volksgemeinschaft an. Ich finde das Ganze uninteressant, belanglos. Ich hatte einen Mann in der Partei, er hat mir ein paar Mal das vortragen wollen, was er in langem Studium über die Geschichte seiner Familie in Erfahrung gebracht hat. Ich sagte ihm: Pfeffer, das interessiert mich nicht! Da ist er ganz geistesabwesend dagestanden!«34 Mit Pfeffer war wohl der später in Ungnade gefallene westfälische Freikorpsführer Franz Pfeffer von Salomon gemeint.35 Aber Hitler hätte auch den oberösterreichischen Archivbeamten Dr. Franz Pfeffer meinen können, der 1938 im Amt des Reichsstatthalters von Oberdonau beauftragt war, Hitlers Herkunft und frühe Geschichte im »Ahnengau« zu erforschen.36

      Wir wissen aus vielen lebensgeschichtlichen Erzählungen, dass das Phänomen der Unehelichkeit oft von einer charakteristischen »Heimlichkeitssphäre« umgeben ist, welche die betroffenen Kinder zwar wahrnahmen, aber erst nach und nach zu durchdringen vermochten. Diffus erkannte Unstimmigkeiten über die eigene Herkunft wurden intuitiv zwar als Anderssein gegenüber anderen Kindern empfunden, deren Ursachen aber erst schrittweise erfassbar und beschreibbar gemacht.37 Unbestimmte Ängste konnten ein ganzes Leben aufrecht bleiben. Das mag auch bei Alois der Fall gewesen sein, der erst mit fast vierzig Jahren eine Legitimierung erreichte, die erst recht keine Klärung war. Auch bei Adolf Hitler, der die illegitime Herkunft seines Vaters und dessen Namen nicht nur aus politischen, sondern auch aus psychischen Gründen in einen starren Panzer der Verheimlichung einhüllte, wirkte das noch nach. Auch er verdeckte seine Herkunft, so gut es ging.

       Hitlers Großmutter

      Maria Anna, Adolf Hitlers Großmutter, geboren 1796 in Strones, stammte aus einer Bauernfamilie, deren Hof mit 19 Joch (10 ha) Grundbesitz in dieser kargen Gegend eher der kleinbäuerlichen Unterschicht, aber sicherlich nicht einer bäuerlichen Oberschicht zuzuordnen war. Über die Lebensverhältnisse im Waldviertel und über den Lebensstandard der Schicklgrubers lässt sich kein genaues Urteil fällen. Im späten 18. Jahrhundert hatte die Protoindustrialisierung den unterbäuerlichen und kleinbäuerlichen Familien mit Handspinnerei und Handweberei einen bescheidenen Wohlstand bringen können. Aber die Napoleonischen Kriege und die nachfolgende schwere Klima- und Hungerkrise hatten das weitgehend zunichte gemacht. Witterungsmäßig waren die Jahre 1816/17, als Johann Schicklgruber, Maria Annas Vater, den Hof an die nächste Generation übergab, die kältesten des ohnehin kalten 19. Jahrhunderts: 1816 war das Jahr ohne Sommer, mit schweren Missernten, Hungersnöten und einer galoppierenden Inflation.

      Den elterlichen Hof Maria Annas hatte im Jahr 1817 ihr Bruder Josef übernommen, mitten im schlechtesten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts. Der Vater erhielt ein Ausgedinge in einem kleinen Haus (Strones 22) mit recht detaillierten Naturalansprüchen, deren Geldwerte sich angesichts der 1817 herrschenden Teuerung unverhältnismäßig hoch ausnahmen und die in Naturalien zugeteilt in dieser Hunger-und Inflationszeit Goldes wert waren. Maria Anna zog zu ihrem seit 1821 verwitweten Vater: Das war ein zwar sicheres, aber doch recht freudloses Dasein: ihm den Haushalt führen, kochen, waschen, spinnen, weben, taglöhnern, ohne Möglichkeit, dem zu entkommen oder gar in die große Stadt zu gehen. Vielleicht ein bisschen tanzen, sich verlieben, träumen. Aber die industrielle Fabrikware drückte die Erlöse aus der Heimarbeit immer mehr. Dass sie den Vater jemals verlassen hätte, um nach Wien oder gar Graz in ein Dienstverhältnis zu gehen, und gar zu einer jüdischen Familie, von denen es damals in Österreich nur sehr wenige gab, ist ganz unwahrscheinlich.

      Der Wohlstand, den die Historikerin Maria Sigmund aus einigen inflationär überhöhten Einkommens- und Vermögensangaben aus der napoleonischen Zeit und aus einigen bemalten Möbelstücken und Gegenständen aus dem angeblichen Besitz von Maria Anna Schicklgruber – ein bemalter Schrank, ein Butterfass, ein Spinnrocken, Feuerböcke, mehrere Rechen und ein Ochsenjoch – im Horner Höbarth-Museum herauslesen wollte, ist ohnehin ein Betrug, dem die Sammler der NS-Zeit, die im »Ahnengau« des »Führers« eine Gedenkstätte mit Hitler-Reliquien aufbauen wollten, aufgesessen waren. Diese schönen Möbel stammten in Wirklichkeit nicht von Maria Anna und ihrer Familie, sondern waren ihr nur mit einem gefälschten Herkunftszeugnis zugeordnet worden.38 Ob die 74,25 fl, die Maria Anna 1821 von ihrer Mutter geerbt hatte und die bis 1838 bei der örtlichen Waisenkasse auf 165 fl angewachsen waren, ein großes Vermögen oder ein nahezu wertloser Posten waren, hängt davon ab, ob man in Konventionsmünze, der damaligen Silberwährung, oder in Wiener Währung, dem Papiergeld, rechnete, was viel wahrscheinlicher ist. Angegeben ist das in den Quellen leider nicht: In Konventionsmünze wären es heute ca. 3.656 Euro, in Wiener Währung nur ca. 1.462 Euro.39

      Als Maria Anna 1836 im Alter von 40 Jahren schwanger wurde und 1837 die Entbindung heranrückte, übersiedelte sie kurzzeitig zu ihrer jüngeren Schwester, die den etwas wohlhabenderen Bauern Johann Trummelschlager geheiratet hatte. Dort, in Strones Nr. 13, erblickte Alois Schicklgruber am 7. Juli 1837 das Licht der Welt. Schwester und Schwager fungierten als Taufpaten. Die Rubrik für den Kindesvater blieb im Taufbuch leer.40 Nach der Entbindung lebte Maria Anna mit dem Kind wieder bei ihrem eigenen Vater im Ausnehmerhaus. 1842 heiratete sie den 50-jährigen, verwitweten (und nicht »ledigen«, wie er vor dem Pfarrer für die Trauungsmatriken fälschlicherweise angegeben hatte) Müllergesellen Johann Georg Hiedler, der bis dahin auf verschiedenen Mühlen des Waldviertels gearbeitet hatte.41 Normalerweise wäre in so einer Situation das uneheliche Kind der Braut, wenn es vom Bräutigam gestammt hätte, legitimiert und für ehelich erklärt worden. Warum es in diesem Falle unterblieb, gab und gibt immer noch Anlass zu Spekulationen. Dass Johann Georg der Vater war, ist jedenfalls wahrscheinlicher als die Vaterschaft seines damals bereits verheirateten, jüngeren Bruders Johann Nepomuk, der den jungen Alois später als Ziehkind aufnahm. Der Ort Spital, wo dieser den elterlichen Hof führte, lag zwar mit etwa 20 km Entfernung näher bei Strones als das 30 km entfernte Dorf Thürnthal, wo Georg vor 1840 gearbeitet hatte. Aber für den gerade erst jung

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