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Buch vor sich. Aber sie sagte nichts. Rutschte nur unruhig hin und her und leckte den Zucker auf, der auf den Teller gefallen war. Sie nahm dazu den Finger, drückte ihn kräftig auf die Zuckerkrümel, so dass sie zum Mund mitkamen.

      »Sitz nicht so da«, sagte die Mutter. »Es ist ekelhaft, beim Essen an den Fingern zu lecken.«

      Tora senkte den Kopf und hörte auf, Zucker zu lecken. Sie bekam einen Knoten im Magen, und die Brotscheibe, die ihr gerade gereicht wurde, war zu groß. Sie fühlte sich so elend, dass sie keinen anderen Rat wusste, als die Mutter noch einmal anzulächeln. Aber es gelang nicht recht, und die Mutter sah es auch nicht, denn sie hatte sich wieder zum Küchenschrank umgedreht, um das Essen wegzuräumen. Dann ging Ingrid zu dem Tisch, auf dem die Nähmaschine stand. Immer mit dem Rücken zu Tora. Tora fühlte eine Leere in sich. Mamas Rücken schien ihr die ganze Zeit feindlich gesonnen zu sein.

      »Soll ich dir Kaffee kochen?«, fragte sie nach einer Weile vorsichtig.

      Ingrid wandte sich langsam um und sah das Mädchen an, als ob sie sie vorher nicht richtig gesehen hätte. Blinzelte, als ob sie schlecht sähe, nachdem ihre Augen sich an das starke Licht über der Nähmaschine gewöhnt hatten und nun plötzlich in die Dunkelheit hineinschauen sollten.

      »Nein, Tora … Aber du kannst mir helfen, die Jacke anzuprobieren. Ich plag mich mit den Ärmeln. Die Rakel ist ja kleiner als ich. Schmaler. Deswegen muss ich Keile einsetzen, guck! Aber das Wenden ging gut. Die Jacke sieht wie neu aus.«

      Sie hielt Tante Rakels abgelegte und gewendete Sonntagsjacke vor Tora hoch. Tora wischte sich den Mund ab und stürzte zu ihr hin. »Ja! Was soll ich machen?«

      Die Mutter erklärte und dirigierte. Sie zog die Jacke an und drehte sich vor dem Spiegel, den sie aus der Stube geholt und gegen eine Stuhllehne gelehnt hatte. Tora steckte die Stecknadeln dorthin, wo Ingrid hinzeigte. Die nackte Birne über dem Tisch legte einen Glorienschein um die beiden einander zugeneigten Köpfe. Nach einer Weile war die Anprobe beendet, und Ingrid setzte sich wieder an die Nähmaschine. Es summte, wenn sie die Handkurbel in Bewegung setzte. Tora hing über dem Tisch und sah zu. Wagte es jetzt. Sie hatte den Stuhl herangezogen und konnte den ganzen Arbeitsablauf verfolgen.

      Die Mutter war zufrieden. Die Jacke sah gut aus, und ein Ende der Arbeit war abzusehen. Die tiefe Falte zwischen den Augen verschwand. Sie glättete sich auf eine so feine Weise, dass es Tora innerlich ganz warm wurde.

      Dann bat die Mutter sie, doch Kaffee zu kochen. Und sie sprachen davon, wie erstaunt Tante Rakel sein würde, wenn sie sah, wie schön die Jacke geworden war.

      Sie waren noch nicht fertig, als Henrik kam. Hatten nicht darauf geachtet, dass unten die Haustür ging, denn sie erwarteten ihn an einem Samstag erst später.

      Er war nicht so fürchterlich voll, das konnte Tora sehen. Setzte sich an den Küchentisch und wollte schwatzen.

      Er gab Tora die Schere, die auf dem Tisch liegen geblieben war, nachdem sie für die Mutter Fäden abgeschnitten hatte. Für Tora schien die Schere nicht mehr dieselbe zu sein. Diese hier war kälter. Fremd. Es war auf sonderbare Weise ekelhaft, sie entgegenzunehmen. Deshalb tat sie es ordentlich und ruhig. Ohne ihn anzusehen. Sie sagte laut: »Danke!«

      Später fragte er, wie es in der Schule gehe. Aber da war er bereits ganz schläfrig geworden, und Ingrid stand von der Nähmaschine auf und half ihm ins Bett.

      Als die Mutter und Henrik in die Stube gegangen waren und Tora sie zusammen durch die halboffene Tür sehen konnte, überfiel sie eine plötzliche Übelkeit. Sie beeilte sich, in ihre Kammer zu kommen, und schloss sorgfältig die Tür hinter sich.

      Es war kalt da drinnen. Alles war still, und niemand sah sie. Sie stand mitten im Raum und hatte Mitleid mit dem Engel, der unter Glas im Rahmen an der Wand hing. Er hielt sich die eine mollige Hand an die Wange und blickte ins Leere.

      Er war ganz allein.

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