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Feindseligkeit und Aggressivität, sondern auch durch die Ambivalenz seines Begehrens. Dies konfrontiert uns nicht einfach direkt mit der herrschenden europäischen Gegenwart als einem Ort oder ›Schauplatz‹ der Integration, an dem all diejenigen Gegenwarten, die sie aktiv zerstört hatte, neu zusammengefügt und in einem Rahmen gefasst werden. Als Schauplatz einer tiefgreifenden Spaltung und Verdopplung, die Homi Bhabha »die ambivalenten Identifikationen der rassistischen Welt« genannt hat, »das ›Anderssein‹ des Selbst, ist sie in das perverse Palimpsest der kolonialen Identität eingeschrieben« (Bhabha 1986).

      Der Dialog von Macht und Widerstand, von Verweigerung und Anerkennung mit und gegen die Présence Européenne ist fast ähnlich komplex wie der ›Dialog‹ mit Afrika. Im alltäglichen kulturellen Leben lässt er sich in seiner reinen und unberührten Form nirgendwo wiederfinden. Er ist zu jeder Zeit und immer schon mit anderen kulturellen Elementen synkretistisch verschmolzen, kreolisiert – nicht verloren jenseits der Mittleren Passage, sondern immer schon präsent: von den Harmonien unserer Musik bis zum basso continuo Afrikas durchquert und durchkreuzt er unser Leben an jedem Punkt. Wie können wir diesen Dialog so inszenieren, dass wir endlich diejenigen sind, die ihm, ohne Terror und Gewalt, seinen Platz zuweisen, anstatt für immer und ewig durch ihn unseren Platz zugewiesen zu bekommen? Werden wir jemals in der Lage sein, seinen unumkehrbaren Einfluss anzuerkennen und gleichzeitig seinem imperialisierenden Blick zu widerstehen? Bisher konnte dieses Rätsel noch nicht gelöst werden, höchst komplexe kulturelle Strategien sind dafür erforderlich. Denken wir zum Beispiel nur an den Dialog eines jeden karibischen Filmemachers und Autors, den er auf die eine oder andere Weise mit dem dominanten Film und der dominanten Literatur des Westens führen muss. Denken wir an das komplexe Verhältnis junger schwarzer britischer Filmemacher/innen zur ›Avantgarde‹ des europäischen und amerikanischen Kinos. Wer würde diesen angespannten und qualvollen Dialog als ›eindimensional‹ beschreiben?

      In der Gegenwart der dritten Präsenz, der ›Neuen Welt‹, geht es weniger um Macht als um den Boden, den Ort und das Territorium. Die ›Neue Welt‹ ist der Treffpunkt, an dem die vielfältigen kulturellen Nebenflüsse zusammenlaufen, sie ist das ›leere‹ Land (das die europäischen Kolonisatoren entleert haben), in welchem Fremde aus allen Teilen der Welt zusammenstießen. Niemand von den heutigen Bewohner/innen der Inseln – den schwarzen, braunen, weißen, afrikanischen, europäischen, amerikanischen, spanischen, französischen, ostindischen, chinesischen, portugiesischen, jüdischen und niederländischen – ›gehörte‹ ursprünglich dorthin. Die Neue Welt ist der Ort, an dem die Kreolisierungen, Assimilationen und Synkretismen ausgehandelt wurden. Die Neue Welt ist der dritte Term, die erste Szene, auf der die verhängnisvolle und tödliche Begegnung zwischen Afrika und dem Westen inszeniert wurde. Sie muss auch als Ort vielfältiger und kontinuierlicher Vertreibungen verstanden werden: die der prä-kolumbianischen Ureinwohner/innen, der Arawaks, der Kariben und Indianer – die ständig aus ihrer Heimat vertrieben und dezimiert wurden –, die zahlreicher Völker aus Afrika, Asien und Europa; die ständigen Vertreibungen durch Sklaverei, Kolonisation und Eroberung. Die Neue Welt steht für die endlosen Wege, auf denen die karibischen Völker zur Migration bestimmt wurden. Sie ist zum Signifikanten für die Migration selbst geworden, für das Reisen, Unterwegssein und für die Rückkehr als gemeinsame Erfahrung und Bestimmung, für den Antillaner als den Prototypen des Nomadentums der modernen oder postmodernen Neuen Welt, der sich ständig zwischen dem Zentrum und der Peripherie hin- und herbewegt. Die Beschäftigung mit Bewegung und Migration ist dem karibischen Film und anderen ›Dritte-Welt-Filmen‹ gemeinsam. Aber es ist für uns eines der bestimmenden Themen, das sich in allen – den Drehbüchern und filmischen Bildern zugrunde liegenden – Erzählungen wiederfinden lässt.

      Die Présence Américaine ist weiterhin durch Erfahrungen des Schweigens und der Unterdrückung gekennzeichnet. In seinem Aufsatz Inseln des Zaubers (1987) erinnert uns Peter Hulme daran, dass wir es bei dem Wort ›Jamaika‹ mit der spanischen Version des Namens der eingeborenen Arawaks – ›das Land der Wälder und des Wassers‹ – zu tun haben, der durch Kolumbus’ Umbenennung in ›Santiago‹ nie ersetzt worden ist. Die Präsenz der Arawaks ist heute die von Geistern, die auf den Inseln hauptsächlich in Museen und archäologischen Stätten als Teil der kaum wahrgenommenen und nutzbar gemachten ›Vergangenheit‹ sichtbar ist. Hulme bemerkt, dass sie zum Beispiel im Emblem des Jamaican National Heritage Trust nicht auftaucht. Stattdessen wurde die Figur von Diego Pimienta gewählt, die Figur ›eines Afrikaners, der 1655 auf der Seite seiner spanischen Herren gegen die englische Invasion der Inseln gekämpft hat‹ – eine verzerrte, metonymische, schwache und demütigende Repräsentation der jamaikanischen Identität, sollte es diese jemals gegeben haben! Hulme erzählt, wie Premierminister Edward Seaga einst versuchte, das Wappen Jamaikas zu ändern. Das Wappen zeigt zwei Arawaks, die ein Schild mit fünf Ananas, gekrönt von einem Krokodil, halten. Premierminister Seaga fragte rhetorisch:

      »Können die Arawaks, die unterdrückt und vernichtet wurden, das unerschrockene Wesen der Jamaikaner repräsentieren? Symbolisiert das langsam kriechende, vom Aussterben bedrohte Krokodil, ein kaltblütiges Reptil, etwa die Wärme und den schwungvollen Optimismus unserer Menschen?« (Zit. bei Hulme 1987, 84)

      Es gibt wenige politische Äußerungen, die in dieser Deutlichkeit etwas über die Komplexitäten aussagen, die mit dem Prozess und dem Versuch, ein Volk aus so unterschiedlichen Menschen mit einer so unterschiedlichen Geschichte durch eine einzige, hegemoniale ›Identität‹ zu repräsentieren, verknüpft sind. Der Vorschlag von Herrn Seaga an die jamaikanischen Menschen, die zum größten Teil afrikanischer Abstammung sind, ihre ›Erinnerung‹ damit zu beginnen, einen Teil ihrer Geschichte zu ›vergessen‹, bekam glücklicherweise die Ablehnung, die er verdiente.

      Die Gegenwart der ›Neuen Welt‹ – Amerika, Terra Incognita – ist daher selbst der Beginn der Diaspora, der Verschiedenheit, der Vermischung und der Differenz. Afrokaribische Menschen sind immer schon Menschen der Diaspora. Ich benutze den Begriff hier metaphorisch und nicht im wörtlichen Sinne: Ich verstehe uns nicht als zerstreute Stämme, deren Identität nur im Verhältnis zu einem gelobten Heimatland gesichert werden kann und die unter allen Umständen, und sei es, dass sie andere Völker ins Meer treiben, in ihre Heimat zurückkehren müssen. Diese Vorstellung entspricht der imperialistischen und hegemonialen Form von ›Ethnizität‹. Wir kennen das Schicksal des palästinensischen Volkes, das unter einem solchen rückwärtsgewandten Konzept von Diaspora leiden musste, und wir wissen von der Mittäterschaft des Westens. Das Verständnis der Diaspora-Erfahrung, um das es mir geht, wird nicht von Essenz oder Reinheit bestimmt, sondern von der Anerkennung notwendiger Heterogenität und Verschiedenheit; von einem Konzept von ›Identität‹, das mit und von – nicht trotz – der Differenz lebt, das durch Hybridbildung lebendig ist. Die Identitäten der Diaspora produzieren und reproduzieren sich ständig aufs Neue, durch Transformation und Differenz. Wenn wir das einmalige, das ›eigentlich‹ Karibische benennen wollen, dann finden wir es gerade in der Mischung der Farben, der Pigmentierungen, der Physiognomien, in den ›Variationen‹ des Geschmacks, die die karibische Küche ausmachen, und in der Ästhetik des ›Cross-over‹, des ›Cut-and-Mix‹ – ich gebrauche den aussagekräftigen Begriff von Dick Hebdige –, der das Herz und die Seele der schwarzen Musik ist. Junge schwarze Künstler und Kritiker in Britannien gehen immer häufiger dazu über, in ihren eigenen Werken ›die Ästhetik der Diaspora‹ und ihre Formationen innerhalb der postkolonialen Erfahrung anzuerkennen und zu entdecken:

      »Eine ganze Reihe kultureller Formen besitzt eine ›synkretistische‹ Dynamik, die die Elemente des herrschenden Codes der dominanten Kulturen kritisch aneignet und ›kreolisiert‹, vorgegebene Zeichen desartikuliert und ihre symbolischen Bedeutungen reartikuliert. Die subversive Kraft dieser hybridisierenden Entwicklung zeigt sich besonders deutlich gerade auf der Ebene der Sprache; dort sind es Kreolisch, Patois und schwarzes Englisch, die die linguistische Dominanz des ›Englischen‹ – der Nationalsprache des Herren-Diskurses – durch strategische Flexionen, Akzentverschiebungen und andere performative Umbrüche in den semantischen, syntaktischen und lexikalischen Codes dezentrieren, destabilisieren und karnevalisieren.« (Mercer 1988, 57)

      Da diese Neue Welt für uns als ein Ort, als eine Erzählung der Vertreibung dargestellt wird, entsteht daraus eine bildliche Fülle, die die endlose Sehnsucht nach einer

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