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sogar ein Mal im Monat für Sex. Auch wenn es sich dabei keineswegs um eine wissenschaftlich fundierte, repräsentative Umfrage handelt, zeigt sie doch eine deutliche Tendenz. Die Gewerkschaft Verdi schätzt, dass täglich bis zu 1,2 Millionen Männer in Deutschland zu einer Prostituierten gehen.

      Sexkauf ist nicht nur in vielen Fällen selbst bereits die Ausnutzung einer Zwangslage, es verändert auch die Ansichten der Männer. In einer Studie von 2011 hat die US-Amerikanerin Melissa Farley nachgewiesen, dass sich die Ansichten von Sexkäufern und Nicht-Sexkäufern deutlich unterscheiden („Comparing Sex Buyers with Men Who Don’t Buy Sex”). Signifikante Unterschiede zeigen sich etwa bei der Aussage: „Wenn ich bezahle, muss die Prostituierte machen, was ich will“. Mit diesem wachsenden Dominanzanspruch steigt auch das Gewaltpotenzial gegenüber den Prostituierten.

      Zusammenfassend muss man sagen: Menschenhandel und Zwangsprostitution haben sich in den vergangenen Jahren nach Europa verlagert. Deutschland ist dabei zu einer Drehscheibe geworden. Menschenhandel spielt sich in Deutschland aber weiterhin zu einem erheblichen Maße im Graufeld ab. Hier wäre es wichtig, genauere Zahlen zu gewinnen. Es lässt sich dennoch ein deutlicher Anstieg feststellen, und die Opfer werden zunehmend jünger.

      Christine und Uwe Heimowski

      NACHTS AUF DEM

       STRAßENSTRICH

       Unterwegs mit Alabaster Jar e. V.

      Wir nähern uns der jungen Frau auf der Straße, winken ihr zu und lächeln. „Hallo, wie geht´s dir?“ Sie dreht sich um und lächelt müde. „Scheiße, keine Arbeit“, beklagt sie sich und verzieht dabei ihr Gesicht. Ihr Name sei Christina und sie komme aus Bulgarien. Ihr langes, pechschwarzes Haar fällt ihr über die Schultern. Der Blick aus ihren dunklen Augen wirkt leer. Sie ist höchstens Anfang 20. Sie wird die ganze Nacht hier auf der Straße stehen und das mit zehn Zentimeter hohen Bleistiftabsätzen. Es ist Mittwochabend, kurz nach neun, mitten auf dem Berliner Straßenstrich in der Kurfürstenstraße, direkt an der U-Bahn-Station.

      Die Kurfürstenstraße ist schon seit den 1920er Jahren für Straßenprostitution bekannt. In den vergangenen Jahren hat sich der Strich gewandelt. Heute schaffen hier vor allem Osteuropäerinnen zu Tiefstpreisen an. Auf dem abendlichen Rundgang begegnen wir ihnen gruppenweise: erst die Ungarinnen, dann die Bulgarinnen und die Rumäninnen. In der Regel sind die Nationalitäten auf einem Straßenabschnitt nicht durchmischt.

      Der Verein Alabaster Jar e. V. wurde 2006 von der Neuseeländerin Patricia Green gegründet mit dem Ziel, Frauen in der Prostitution zu begegnen und zu helfen. Seither sind wir jeden Mittwochabend mit einem Team Frauen auf dem Straßenstrich unterwegs. Wir haben Kaffee, Tee, Kondome und Schokolade dabei. Da die Frauen auf dem Strich oft sehr wenig verdienen, verteilen wir ihnen Kondome, damit sie sich wenigstens schützen können. Startpunkt für unsere Rundgänge ist jeweils unser Café. Diese Räumlichkeiten teilen wir uns mit Neustart e. V.

      So etwas wie einen normalen Einsatz-Abend gibt es für uns nicht. Jedes Mal ist anders, und wir wissen vorab nie, was uns erwartet. Auf der Straße ist immer alles in Bewegung. Manchmal finden wir eine Frau, die immer an der gleichen Stelle stand, auf einem ganz anderen Abschnitt wieder. Manchmal ist eine Frau monatelang weg, und wir wissen nicht, ob wir uns darüber freuen sollen oder nicht. Ist sie ausgestiegen? Oder zu Besuch in der Heimat? Oder in eine andere Stadt oder in ein Bordell gebracht worden?

      Die Frauen sind „unsere Mädels“ geworden. Wir begegnen ihnen auf Augenhöhe und investieren in Beziehungen. Das ist nicht immer einfach, weil wir sie oft in sehr unregelmäßigen Abständen sehen. Dazu kommt die Sprachbarriere: nicht selten versuchen wir uns mit Händen und Füßen zu verständigen und erreichen trotzdem nicht mehr als einen ratlosen Blick. Für solche Fälle haben wir unsere „Willkommens-Tüten“ dabei. In dem kleinen farbigen Beutel befinden sich ein paar Süßigkeiten und ein Zettel, auf dem in der jeweiligen Muttersprache (es gibt sie auf rumänisch, bulgarisch etc.) zu lesen ist, wer wir sind und was wir machen. So lässt sich wenigstens hoffen, dass sie es in ihrer Sprache nachlesen kann, wenn sie uns schon nicht versteht. Viele Gespräche fangen mit gewöhnlichem Small Talk an. Erst nach einer Weile gehen sie in die Tiefe. Es kann Monate, ein Jahr oder noch länger dauern, bis eine Frau anfängt, sich uns gegenüber zu öffnen.

      Im Gespräch versuchen wir immer wieder, den Frauen Leben und Hoffnung zuzusprechen. Sie erleben so viel Erniedrigung und Ablehnung. Immer wieder beobachten wir, wie ein Auto langsamer wird, der Fahrer die Frau von oben bis unten mustert, die Nase rümpft und wieder beschleunigt. Schon wieder nicht gut genug! Das Leben dieser Frauen ist von unzähligen Lügen geprägt. Dem versuchen wir wenigstens ein bisschen entgegenzusteuern. Manchmal ist es nur ein Blick, ein Lächeln, das ihnen sagt: „Ich sehe dich als Frau und Mensch. Du bist es würdig, dass ich dich anlächle.“ So oft wir können, sprechen wir ihnen zu, dass sie schön und wertvoll sind. Wir machen Komplimente und ermutigen sie, an ihren Ideen und Träumen festzuhalten.

       Einsatzkörbe mit Süßigkeiten, Literatur, Broschüren und Kondomen.

       Kaffee und Tee, um den Frauen durch die Nacht zu helfen.

      Manchmal merken wir im Gespräch, dass Fragen aufkommen, die am besten in Ruhe geklärt werden. Aus diesem Grund öffnen wir das Café am Donnerstag, also dem darauffolgenden Nachmittag. Wenn sich die Gelegenheit ergibt, begleiten wir unsere Mädels auch mal zum Arztbesuch oder aufs Amt. Am meisten freuen wir uns, wenn eine Frau den Willen äußert, auszusteigen. Dies gelingt am ehesten, wenn wir sie in ein Frauenhaus vermitteln können. Nur auf diese Weise wird ein klarer Schlussstrich gezogen, sie kommt aus ihrem Umfeld raus und kann einen echten Neustart machen. Doch der Schritt ins Frauenhaus ist für viele Frauen zu groß, zu beängstigend. Wir bleiben trotzdem dran, versuchen sie zu unterstützen, wo wir können und vor allem: Wir hören nie auf, für unsere Mädels zu beten.

      Andrea Kern / ​Alabaster Jar

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