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dem Anspruch zur Equipagen-Klasse gerechnet zu werden, sah sich einmal in diesem Jahre die Roßkastanien in Bushey an oder unternahm eine Spazierfahrt unter den spanischen Kastanien im Richmond Park. Gemächlich, wenn auch in einer Wolke von Staub, die sie selber aufwirbelten, rollten sie dahin und starrten vornehm auf die ragenden Geweihe großer träger Hirsche in einem Wald von Farren, der Herbstliebhabern eine Decke versprach, wie man sie nie zuvor gesehen. Und dann und wann, wenn der zärtliche Duft der Kastanienblüten und Farren ganz nahe herüberwehte, sagte wohl einer zum andern: »Was für ein sonderbarer Geruch!«

      Und die Lindenblüten waren in diesem Jahr von seltener Pracht, beinahe honigfarben. In den Ecken der Londoner Squares strömten sie einen Duft aus wenn die Sonne unterging, der süßer war als der Honig, den die Bienen daraus gesogen – einen Duft, der ein namenloses Sehnen in den Herzen der Forsytes und ihresgleichen erweckte, wenn sie die Kühle nach dem Essen im Bereich jener Gärten genossen, zu denen sie allein die Schlüssel besaßen.

      Und diese Sehnsucht trieb sie, im sinkenden Licht des Tages inmitten der vage dämmernden Blumenbeete zu weilen, trieb sie, sich wieder und immer wieder umzuschauen, als warte ein Liebhaber auf sie – warte, das letzte Licht unter dem Schatten der Zweige verlöschen zu sehen.

      Ein vages, durch den Duft der Linden erwecktes Mitgefühl, der schwesterliche Wunsch sich selbst zu überzeugen, der Gedanke, die Wahrheit ihres Ausspruchs, daß ›nichts daran sei‹ zu beweisen, oder einfach nur das Verlangen nach Richmond zu fahren, dem man in diesem Sommer nicht widerstehen konnte, veranlaßte die Mutter der kleinen Darties (Publius, Imogen, Maud und Benedikt) den folgenden Brief an ihre Schwägerin zu schreiben.

      »30. Juni.

      Liebe Irene!

      Ich höre, daß Soames morgen über Nacht in Henley bleibt. Wäre es nicht lustig, wenn wir uns in einer kleinen Gesellschaft aufmachten und nach Richmond führen. Willst Du Mr. Bosinney bitten, so bringe ich den jungen Flippard mit.

      Emily (sie nannten ihre Mutter beim Vornamen – es war so ›chic‹) will uns den Wagen leihen. Ich werde Dich und Deinen Herrn um sieben Uhr abholen. Deine Dich liebende Schwester Winifred Dartie.

      Montague hält das Essen in ›Scepter und Krone‹ für ganz schmackhaft.«

      Montague war Darties zweiter und bekannterer Name – der erste war Moses – denn er war nichts, wenn nicht der Mann von Welt.

      Die Vorsehung setzte ihrem Plan mehr Widerstand entgegen, als ein so wohlwollendes Unternehmen verdiente. Erstens antwortete der junge Flippard:

      »Liebe Mrs. Dartie!

      Tut mir schrecklich leid. Zu fest versagt.

      Ihr

       Augustus Flippard.«

      Es war zu spät herumzuschicken, um dieses Mißgeschick zu beseitigen. Mit der Entschlossenheit und Taktik einer Mutter, kam Winifred auf ihren Mann zurück. Sie hatte ganz das entschiedene, aber tolerante Temperament, das zu einem gut Teil Profil, blondem Haar und grünlichen Augen paßt. Sie kam selten oder nie in Verlegenheit; oder wenn es geschah, verstand sie immer es in einen Vorteil umzuwandeln.

      Auch Dartie war in bester Laune. Erotic hatte den Lancashire Cup nicht gewonnen. Dies berühmte Tier, obendrein noch Eigentum einer der Säulen des Rennplatzes, der heimlich viele Tausende gegen ihn gesetzt, war nicht einmal gestartet. Die achtundvierzig Stunden, die dieser Schlappe folgten, gehörten zu den dunkelsten in Darties Leben.

      Visionen von James suchten ihn Tag und Nacht heim. Schwarze Gedanken über Soames mischten sich mit leisester Hoffnung. Am Freitag abend war er so angegriffen, daß er sich betrank. Doch am Samstag Morgen triumphierte der echte Börsen-Instinkt in ihm. Mit ein paar hundert Pfund, die er unmöglich hätte zurückzahlen können, ging er in die Stadt und setzte alles auf Concertina im Saltown Borough Handicap.

      Wie er zu Major Scrotton sagte, mit dem er im Iseeum frühstückte, hatte ›der kleine Judenjunge, Nathans, ihm den Tip gegeben‹. Ihm sei alles ganz einerlei. Sollte er knausern – ein Geizhals sein? Kam er nicht heraus – nun ja, dann zum Teufel, mußte der Alte eben zahlen!

      Eine Flasche Pol Roger für eigene Rechnung hatte ihm neue Verachtung für James eingeflößt.

      Er kam heraus. Concertina brach den Hals dabei – ein furchtbarer Schrei! Aber wie Dartie sagte: es ging nichts über Mut!

      Er war der Expedition nach Richmond durchaus nicht abgeneigt, wollte sogar selbst alles ›bestreiten‹. Er hegte große Bewunderung für Irene und wünschte auf mehr gemütlichem Fuße mit ihr zu stehen.

      Um halb sechs kam der Diener von Park Lane mit der Botschaft herüber, daß es Mrs. Forsyte sehr leid täte, aber eines der Pferde hustete. Unverzagt trotz dieses neuen Schlags, schickte Winifred den kleinen (jetzt siebenjährigen) Publius sogleich mit der Erzieherin nach Montpellier Square.

      Sie müßten in Droschken hinfahren und sich um 7.45 in ›Scepter und Krone‹ treffen.

      Dartie war sehr zufrieden damit. Es sei angenehmer als mit dem Rücken zu den Pferden zu sitzen! Er hatte nichts dagegen mit Irene hinauszufahren. Sie sollten die andern in Montpellier Square wohl abholen und mit den Droschken tauschen?

      Bei dem Bescheid, daß sie sich in Scepter und Krone treffen und er mit seiner Frau fahren sollte, war er verdrießlich und fand es verd–t öde!

      Um sieben Uhr brachen sie auf, und er wollte mit dem Kutscher um eine halbe Krone wetten, daß er es in dreiviertel Stunden nicht machen könne.

      Zweimal nur wechselten die Gatten unterwegs Bemerkungen.

      Dartie sagte: »Der gute Soames wird seinen Ohren nicht trauen, wenn er hört, daß seine Frau mit Mr. Bosinney in einer Droschke ausgefahren ist!«

      Winifred erwiderte: »Rede nicht solchen Unsinn, Monty!«

      »Unsinn!« wiederholte Dartie. »Du kennst die Frauen nicht, meine Liebe!«

      Bei der zweiten Gelegenheit fragte er nur: »Wie sehe ich aus? Ein bißchen aufgedunsen wohl? Dieser Champagner, den George so liebt, ist ein windiger Wein.«

      Er hatte mit George Forsyte gefrühstückt.

      Bosinney und Irene waren schon vor ihnen angelangt. Sie standen in einer der großen Glastüren, die auf den Fluß hinausgingen.

      In diesem Sommer standen die Fenster den ganzen Tag hindurch offen und auch die ganze Nacht, und Tag und Nacht kam der Duft von Blumen und Bäumen, der heiße Geruch des dürren Grases und der kühle Hauch des schweren Taus herein.

      Für das Auge des beobachtenden Dartie, schienen seine beiden Gäste nicht gerade sehr aufgelegt, als sie dort, ohne ein Wort zu sprechen, dicht neben einander standen. Bosinney sah aus wie ein Hungernder – mit dem war nicht viel los!

      Er überließ sie jedoch Winifred und übernahm es, das Diner zu bestellen.

      Ein Forsyte verlangt gutes, wenn auch nicht leckeres Essen, aber ein Dartie wird alle Hilfsmittel einer ›Krone und Scepter‹ aufbieten. Wer von der Hand in den Mund lebt, wie er, findet nichts zu gut für seinen Gaumen; und er ißt nur das beste. Auch seine Getränke müssen sorgfältig gewählt sein; es gibt viele Getränke in diesem Lande, die für einen Dartie ›nicht gut genug‹ sind, er muß die allerbesten haben. Da er nichts aus der eignen Tasche bezahlte, lag kein Grund für ihn vor, sich einzuschränken. Einschränkung ist das Kennzeichen eines Narren, nicht eines Dartie.

      Das beste von allem! Es gibt keinen gesünderen Grundsatz, nach dem ein Mann sein Leben aufbauen kann, der einen Schwiegervater mit einem beträchtlichen Einkommen und einer besonderen Vorliebe für seine Enkel hat.

      Mit seinem nicht unkundigen Blick hatte Dartie diese Schwäche bei James bereits im ersten Jahr nach der Ankunft des kleinen Publius (ein Versehen) erkannt und sich seine Scharfsichtigkeit zunutze gemacht. Jetzt waren vier kleine Darties eine Art von dauernder Versicherung.

      Der Hauptgang des Festmahls war fraglos die rote Seebarbe. Dieser köstliche, in einem Zustand fast vollkommener Konservierung aus weiter Ferne kommende Fisch wurde

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