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dann geht das nur in London.

      Du darfst allerdings nicht auf den Kopf gefallen sein. Was man von mir nun wirklich nicht behaupten kann. Viele Leute glauben, ich wäre dumm – weil ich eine ziemliche Kante bin. Dicke Muckis, kleines Hirn, stimmt’s? Na, wer das meint, der ist in etwa so helle wie ’ne Eierkohle.

      Und wer das mir gegenüber laut ausspricht, der fängt sich ein dickes Knie ein.

      Ich ließ den Wagen am Bahnhof Waterloo stehen und schlappte zu Fuß nach Hause.

      In dem Jahr hatte ich ein Zuhause. Und einen richtigen Job.

      Der Zaun war oben mit Stacheldrahtschlingen gesichert. Ich holte die Schlüssel raus und sperrte die Vorhängeschlösser am Tor auf. Vorsichtshalber pfiff ich – wiii-uuuuu. Es war nach Mitternacht, und die Hunde waren bestimmt ausgehungert.

      Sie kamen aus dem Dunkeln auf mich zugeflogen, rammten mir die Köpfe gegen Knie und Oberschenkel.

      »Hallo, Ramses«, sagte ich. »Hallo, Lineker.«

      Sie waren keine üblen Kerle, dafür, dass sie Hunde waren, nur ein bisschen übereifrig. Sie liefen vor mir her zum Zwinger, und ich schloss auf. Ich mischte ihnen ein paar Schaufeln Hundeflocken unter ihre ekelige Futterpampe und wartete, bis sie es runtergeschlungen hatten.

      Dann nahm ich die Taschenlampe und machte meine Runde.

      Das Gelände war weitläufig, also dauerte es seine Zeit. Am besten war es auf dem Gebrauchtwagenparkplatz, weil der nämlich beleuchtet war. Ich musste bloß den Zaun überprüfen und zwischen den Wagen nachsehen, ob auch keiner auf den Rücksitzen kampierte.

      Als Nächstes überzeugte ich mich, ob die Türen zum Verkaufsraum und den Büros abgeschlossen waren.

      Am schlimmsten war es auf dem Schrottplatz. Zwar gab es da einen großen Scheinwerfer, nur war leider die Birne hinüber. Ich habe es Mr. Gambon schon dreimal gesagt, aber der ist ein echter Geizkragen.

      »Der Schrott ist doch Tausende wert«, habe ich zu ihm gesagt. »Sie haben da haufenweise Ersatzteile rumliegen. Mit einer Glühbirne wäre mir sehr geholfen.«

      »Faules Stück«, sagte er. Zu mir! Wie konnte ich aber auch so blöd sein, ihn um etwas zu bitten, was mir die Arbeit erleichtert hätte? Genauso gut hätte ich ihm gleich eine Lizenz zum Neinsagen geben können.

      Demnächst muss ich mal den Besitzer deswegen anhauen, dachte ich. Aber seitdem er nach Ongar gezogen ist, kriege ich ihn kaum noch zu Gesicht.

      Lineker schnupperte an einem Haufen Eisenstangen, aber Ramses hielt auf den Zaun zu. Ich folgte Ramses, weil er so aussah, als ob er etwas Bestimmtes angepeilt hätte. Als ich ihn einholte, biss er gerade einer großen Ratte das Hinterteil ab.

      Oben am Zaun brannten ein paar trübe Funzeln, und darunter hing ein Schild, auf dem »Armour Protection« stand. Ich weiß nicht, was Armour Protection ist oder ob es hier so was je gegeben hat, aber der einzige Schutz, den die Anlage jetzt hatte, waren Ramses, Lineker und ich.

      Mein Zuhause war ein aufgebockter Wohnanhänger.

      Der Besitzer von dem ganzen Krempel kauft nicht nur gebrauchte PKWs und Nutzfahrzeuge, sondern manchmal auch Caravans und Wohnmobile. Meine Kiste hatte fast ihr ganzes Leben in der Gegend von Poole Harbour in Dorset verbracht, und wenn das Wetter feucht genug ist, mieft die Einrichtung immer noch nach Salzwasser und Meeresschimmel.

      Ich hätte ja lieber einen fahrbaren Untersatz mit Rädern, dann könnte ich ihn im Notfall an einen Wagen hängen und mit Sack und Pack umziehen. Um einen stillgelegten Hänger vom Fleck zu kriegen, musst du ihn auf einen Laster hieven, und so was braucht seine Zeit. Aber als der Besitzer mich eingestellt hat, konnte er mir nur diese Kiste ohne Räder anbieten. Und – Mief hin oder her – ich musste zugeben, ein Platz im Obdachlosenasyl konnte dagegen nicht anstinken.

      Zu der Zeit passte mein gesamtes Hab und Gut noch in eine Plastiktüte. In den sechs Monaten, die ich in dem Hänger wohne, hat sich ein bisschen mehr angesammelt, aber ich kann mir etwas darauf einbilden, dass ich trotzdem im Falle eines Falles innerhalb von zehn Minuten mit dem Nötigsten bepackt und abmarschbereit sein könnte.

      Ich will dir ein Geheimnis verraten – ich schleppe ständig eine Zwei-Unzen-Tabaksdose mit mir herum, und in dieser Dose habe ich alles, was ich zum Licht- und Feuermachen, zum Kochen und für kleinere Wehwehchen brauche. Wachsstreichhölzer, eine flach geschabte Kerze, Skalpellklingen, Draht, ein Sägeblatt, wasserfestes Pflaster, Nadel und Faden, Aspirin, Teebeutel und Brühwürfel. Schon erstaunlich, was man alles in einer Zwei-Unzen-Tabaksdose unterbringen kann, wenn man wissenschaftlich vorgeht.

      Die Idee habe ich aus dem SAS Survival-Handbuch. Ich fühle mich sicherer damit, und ich kann es nur jedem empfehlen, der regelmäßig mitten in der Nacht hochschreckt, weil er vor Überschwemmungen, Feuersbrünsten, radioaktiven Niederschlägen oder Obdachlosigkeit Angst hat. Lass dir eins gesagt sein: Sei stets auf das Schlimmste gefasst, dann schläfst du besser.

      Die Nacht ist für mich die schlimmste Zeit. Ich gehe lieber weg und unternehme was, als dass ich alleine im Dunkeln liege und nicht einschlafen kann. Darum ist dieser Nachtwächterjob auch so ideal für mich. Ich darf nicht einschlafen, und wenn ich Gesellschaft brauche, sind immer Ramses und Lineker da oder ich kann durch den Zaun mit irgendwelchen Nachtschwärmern ein paar Worte wechseln.

      Nachdem ich meinen Rundgang beendet hatte, ging ich zum Hänger, weil ich Kohldampf hatte. Ein Briefumschlag klebte an der Tür. Ich riss ihn auf und las den Zettel im Licht der Taschenlampe. Er war von heute, und es stand eine Nachricht darauf: Morgen Abend um sechs, Mr. Cheng.

      Mr. Cheng macht nie viele Worte. Mr. Cheng ist überhaupt ein sehr zugeknöpfter Mensch. Wahrscheinlich glaubt er, ich kann nicht lesen und er tut mir einen Gefallen, wenn er mir kurze Briefe schreibt. Er meint, alle Nicht-Chinesen wären dumm, und verglichen mit Mr. Cheng sind sie es vielleicht sogar. Ich könnte ihn jederzeit kleinkriegen und in die Tasche stecken. Aber das würde ich mir nie erlauben, weil sich Mr. Cheng nämlich keine Unverschämtheiten gefallen lässt.

      Ich steckte den Zettel ein und schloss die Tür auf.

      Ich war sehr zufrieden. Was Mr. Cheng auch von mir wollte, es lief auf jeden Fall darauf hinaus, dass ich mir morgen ein bisschen Knete nebenbei verdienen konnte. Extraknete ist nie zu verachten. Mit diesem Job verdiene ich mir das Nötigste – ein Dach über dem Kopf und was zum Essen –, aber wenn ich was auf die hohe Kante legen oder mir die Zähne richten lassen will, brauche ich einen kleinen Nebenverdienst. Deshalb das Catchen und Mr. Cheng.

      Ich ließ die Hängertür offen, damit der Meeresmief abziehen konnte. Ehrlich gesagt, miefte ich selber nicht schlecht. Wegen dem Krach mit dem Macker der Blonden Bombe hatte ich mich in Rübenstadt nicht waschen können.

      Harsh sagt, ein Kämpfer muss in Dingen der Körperpflege immer hundertprozentig auf sich achten, also pumpte ich mir Wasser hoch und setzte zwei volle Kessel aufs Gas.

      Ich habe auch einen Heißwasserboiler, aber der braucht Strom, und ich verbrauche im Hänger keinen Strom. Wer Strom verbraucht, kriegt Stromrechnungen. Der Hänger ist ans Netz angeschlossen und hat einen Zähler, aber der Mensch, der den Zähler abliest und entscheidet, was ich zu blechen habe, ist Mr. Gambon. Und nachdem er mich in den ersten Monaten ein paarmal saftig übers Ohr gehauen hat, habe ich beschlossen, dass ich auf den Scheißstrom verzichten kann. Ich habe Taschenlampen, und ich habe Gas. Wenn das Gas alle ist, besorge ich mir eine neue Flasche, und wenn die Batterien leer sind, kaufe ich mir neue.

      Ich bin mein eigener Herr. Stimmt’s?

      Nachdem ich mich gewaschen hatte, zog ich mir einen sauberen Trainingsanzug an. Dann machte ich mir eine Kanne Tee und wärmte ein paar Büchsen Eintopf auf. Harsh sagt, ich soll grünes Gemüse essen, aber in dem Eintopf waren nur Kartoffeln und Möhren. Zwar nicht gerade grün, aber immerhin Gemüse, das musste reichen. Harsh sagt auch, dass ich kein Weißbrot essen soll. Aber ich mag kein Graubrot und vor allem kein Vollkornbrot, mit den ganzen Körnern drin. Es kommt vor, dass man sich Zahnschmerzen einfängt,

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