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heiß hergehen, deshalb brauchen wir nachher Verstärkung. Willst du den Job?«

      »Kommt drauf an, was Mr. Cheng noch von mir will.« Ich war mir nicht sicher, ob Mr. Cheng es gern gesehen hätte, wenn ich für Bermuda Smith arbeitete. Aber das Angebot reizte mich. Und es ging mir schon wieder besser, seit ich wusste, dass Harry Richards mir den Job zutraute.

      »Weißt du was, Harry?«, sagte ich, nachdem ich es mir überlegt hatte. »Wenn ich frei bin, komme ich.«

      Wir gingen zusammen zur Tür.

      Ich sagte: »Was ist denn das für ein Saftsack an der Bar?«

      »Welcher?« Harry drehte sich um. »Der ist harmlos, Eva. Ist bloß ein Künstler. Wohnt in Holland Park. Trinkt gerne, spielt gerne Saxophon mit der Band. Wenn sie ihn lassen.«

      Er grinste und fügte hinzu: »Spielt beschissen, Eva.«

      Mr. Cheng ist wie eine Spinne in einem Spinnennetz. Er hat Kontakte in ganz London, aber er geht nie selber irgendwohin.

      An dem Abend hatte ich noch drei Briefumschläge auszutragen und drei Pakete abzuholen.

      Es wäre einfacher und schneller, wenn Mr. Cheng mir alle Umschläge auf einmal geben würde und ich eine Adresse nach der anderen abklappern könnte. Aber das ist nicht Mr. Chengs Methode. Nach jeder Auslieferung und Abholung musste ich erst wieder zurück ins Spinnennetz.

      Du glaubst jetzt vielleicht, dass Mr. Cheng mir nicht traut, weil ich keine Chinesin bin. Aber die meisten Leute, die für ihn arbeiten, sind Chinesen, und mit denen macht er es genauso. Er setzt nie alles auf eine Karte.

      Als ich fertig war, so gegen elf, packte mich einer von den Köchen in eine Ecke und stellte einen Riesenteller mit Hühnchen, Zuckerschoten und Reis vor mich hin. Das ist noch was Gutes an der Arbeit für Mr. Cheng. Du kriegst immer was zu essen. Der Koch gab mir einen Löffel. Er glaubt, dass ich mit Stäbchen nicht umgehen kann, und er hat recht.

      Ich hatte den Teller halb leergespachtelt, als mir Mr. Cheng meinen eigenen Briefumschlag brachte. Ich legte den Löffel weg, schlitzte den Umschlag auf und zählte das Geld. Er stand dabei und wartete.

      Sieht nach schlechten Manieren aus, was? Aber ich zähle das Geld nur deshalb immer sofort nach, damit Mr. Cheng nicht meint, er hätte es mit einer Idiotin zu tun.

      Tatsächlich mache ich es genau wie er. Außerdem ist mir schon öfter aufgefallen, dass die Leute einen nur dann für dumm halten, wenn man etwas anders macht als sie selber. Sobald ich gesehen hatte, dass die Kohle stimmte, sagte ich: »Danke, Mr. Cheng«, und griff wieder nach dem Löffel. Er knurrte und ging. So läuft es jedes Mal ab, was mir richtig guttut.

      Da war ich also, die Nacht war noch jung, und der nächste Job wartete schon auf mich. Nachts habe ich gern möglichst viel zu tun. Aber da ich auch Pflichten hatte, borgte ich mir als Erstes einen Wagen aus, einen roten Vauxhall Nova. Ich war in Eile, also brauchte ich einen kleinen Wagen mit ein bisschen Power unter der Haube. Die Kiste ging ab wie eine Rakete, Richtung Süden, auf meine Seite vom Fluss.

      Mr. Gambon hatte die Hunde rausgelassen, das macht er immer, bevor er zuschließt. Er hasst sie, sagt er. Aber eigentlich hat er bloß Angst vor ihnen. Er hat an ihrem Zwinger Rollläden anbringen lassen, die er mit der Fernsteuerung bedienen kann, genau wie andere Leute ihr Garagentor, und zwar von der Straße aus. Mr. Gambon ist ein ziemlicher Waschlappen.

      Ich weiß auch nicht, wieso, aber Kampfhunde gehen immer als Erstes auf den Unterleib los. Sogar wenn sie friedlich sind, ist das die Stelle, wo sie einen rammen. Ich knallte Lineker das Knie gegen die Brust, um ihn daran zu erinnern, dass er auf Distanz bleiben sollte. Aber die Hunde hatten Hunger, und sie folgten mir auf Schritt und Tritt, während ich über den Schrottplatz ging und den Zaun auf Löcher hin überprüfte.

      Aber ich fütterte sie noch nicht. Sie sollten erst was zu fressen kriegen, wenn ich aus dem Club wieder da war. Satte Hunde schlafen ein.

      Eigentlich soll ich, nachdem Mr. Gambon die Tore verriegelt hat, auf dem Schrottplatz bleiben, bis morgens die Arbeiter aufkreuzen. Aber wenn ich mich daran halten würde, könnte ich mir meine Karriere als Catcherin wohl gleich von der Backe putzen. Und die ganzen Extrajobs, die ich brauche, damit ich mir früher oder später die Zähne machen lassen kann, könnte ich auch vergessen.

      Nachdem ich meine Runde gedreht hatte, lief ich zum Hänger. Es wurde Zeit, die Kohle zu bunkern.

      Wer meint, ich wäre dumm, ist blöde. Wenn es nämlich darum geht, meine Ersparnisse zu verstecken, bin ich sehr clever. Spätestens wenn deine Bank oder Sparkasse Pleite macht und wenn deine kleine Plastikkarte nur noch ihr Eigengewicht in Plastik wert ist, kannst du erleben, wie clever ich bin.

      Und wenn du meinst, ich verrate dir, wo ich meine Kohle bunkere, dann bist du noch blöder, als ich dachte.

      Es ist doch schließlich so: Meine Ersparnisse werden von einem Stacheldrahtzaun und von Ramses und Lineker gesichert. Sie sind an einer Stelle versteckt, die außer mir keiner kennt. Und wenn du zufällig darauf stoßen solltest, was mehr als unwahrscheinlich ist, dann wartet immer noch eine böse Überraschung auf dich.

      Kannst du das von deinem Geld auch sagen? Wetten, dass nicht?

      Harry Richards sammelte seine Truppen am hinteren Ende von Bermuda Smiths Kellerbar. Wir hielten uns im Dunkeln, um die Gäste nicht zu erschrecken. Wir waren auf alles gefasst. Wir kriegten Sandwichs auf Kosten des Hauses, aber nichts zu trinken. Harry Richards ist kein Trottel.

      Bermuda Smith ging früh heim. Er ist auch kein Trottel.

      Die Band spielte. Die Sänger sangen. Die Gäste aßen und tranken, und sie tanzten, bis die Söckchen qualmten.

      Nichts passierte.

      Umso besser, dass wir die halbe Miete schon im Voraus kassiert hatten – bar auf die Kralle.

      Ich bin Profi, das heißt, ich arbeite nur für Geld. Aber als Profi hat man auch Verantwortung. Also blieb ich wachsam, nicht wie ein paar andere, die am Tisch saßen und Karten spielten. Allerdings hätten diese Typen sowieso nicht mit einer Frau gezockt. Ich blieb allein und hielt die Augen offen.

      Der sogenannte Bildhauer saß mit drei Freunden an einem Tisch. Er zog die »Ich bin Künstler, ich kann mich besaufen, wo ich will«-Schau ab. Seine Freunde waren nicht ganz so dämlich. Ich hatte den Eindruck, als ob sie versuchten, ihm gut zuzureden, es mit dem roten Vino etwas langsamer angehen zu lassen. Das war vernünftig. Wenn es in dem Club nämlich tatsächlich Rabatz gab, war er nur einer von vielen weißen Wichsern – und nicht der Mann aus dem Volke, wie er sich einbildete.

      Ich hoffte fast, dass sich etwas zusammenbraute. Wenn richtig die Fetzen flogen, konnte ich ihm vielleicht irgendwie helfen, nur um ihm mal zu zeigen, wen er da eigentlich verarscht hatte. Andererseits hätte ich genauso gut gar nichts machen können. Dann hätte er es sicher auch kapiert. So oder so, ich hatte einen Trumpf in der Hand.

      Ich kam ein bisschen ins Träumen. Ich träumte, dass ich seinen weißen Künstlerpopo aus der Scheiße hievte, ihm Saxophon und Brieftasche zurückgab und er sagte: »Du liebe Güte, Eva, wo haben Sie nur diese Körperbeherrschung gelernt. Es tut mir wirklich leid, dass ich Sie beleidigt habe.« Und mit seinem affektiertesten Akzent sagte er: »Ich bitte ergebenst um Verzeihung.«

      Ergebenst um Verzeihung! – Ich musste leise lachen.

      Ich sah mir die Backgroundsängerin an, die gesagt hatte, Männer wären doch das Allerletzte, und probierte es selber mal aus.

      »Männer sind doch das Allerletzte«, sagte ich zu dem Möchtegernkünstler, der diesmal zerzaust und konfus vor mir in der Gosse stand.

      »Ich bitte ergebenst um Verzeihung«, antwortete er.

      Na und? Man wird sich doch wohl noch einen kleinen Tagtraum genehmigen dürfen, oder?

      Der Leadsänger

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