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       Gewidmet Monika Rabel in dankbarer Erinnerung

      Das Glück, das die Menschen innerhalb der Wahrheit suchen, steht unter tragischen Gesetzen. Wir leben am Rande eines Abgrunds von Not und Schmerz, den die Lüge der menschlichen Gesellschaftsmoral gegraben. Es ist die Kluft zwischen unserem jetzigen Zustand und jenem, in welchem wir uns befinden sollten. Eine Kluft bleibt immer eine Kluft. Sobald wir sie überschreiten wollen, stürzen wir ab und zertrümmern.

       Kaiserin Elisabeth am 20. März 1892 in Paleokastrizza auf Korfu

       INHALT

       Cover

       Titel

       Impressum

       Ich bin Anarchist!

       Eine Obduktion im Grand Hôtel

       Die Reise ins Verderben

       Im Zeichen der schwarzen Fahne

       Luigi Luchenis Weg zum »Anarchisten der Tat«

       Glamour und Angst – Leben im Schatten der Gefahr

       Prominente Opfer und ihre Mörder

       War Lucheni Einzeltäter oder Auftragskiller?

       Ein gefährliches Staatsbegräbnis

       Ein Mordprozess und seine Folgen

       Der Mörder und die Kaiserin

       Epilog

       Ausgewählte Literatur

       Die Autorin

       Ich bin Anarchist!

      Die Ermordung der Kaiserin Elisabeth von Österreich am 10. September 1898 durch den italienischen Wanderarbeiter Luigi Lucheni erregte internationales Aufsehen. Eine Welle der Empörung richtete sich gegen den Täter, der sich stolz brüstete: »Ich bin Anarchist!«

      Den Zusammenhängen zwischen dem Anarchismus und dem Drama von Genf ist bislang nur wenig Beachtung geschenkt worden. Vielmehr wurde Elisabeths Tod meist als singuläres Ereignis betrachtet, als zufällige, tragische Verkettung von Umständen. Die Kaiserin war aber nicht das zufällige Opfer eines fanatischen Einzelnen. Sie war vielmehr in ein gnadenloses Räderwerk geraten, dem sich der junge Lucheni zugehörig fühlte und dem er begeistert diente.

      Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte sich die Bewegung der Anarchisten radikalisiert. Diese suchten ihre theoretisch formulierten Ziele – Abschaffung aller Staaten, Beseitigung aller Amtsträger, Erlösung der Menschen von jeder Autorität – durch die »Propaganda der Tat« zu erreichen: mit Gift, Dolchen, Pistolen und Bomben. »Kein Stein darf auf dem anderen bleiben!«, war das Motto der Anhänger der »Schwarzen Bewegung«, die in allen Kontinenten ihre Blutspuren zogen. Die Zahl der ermordeten Monarchen, Präsidenten und Politiker ging in die Hunderte. Die Berichte über anarchistische Terroranschläge füllten die Zeitungen und wurden mit Schrecken gelesen. Den Nährboden für die Anhänger des Anarchismus bildeten die großen sozialen Probleme des Maschinenzeitalters im 19. Jahrhundert, in dem Teile der Bevölkerung verarmten, während gleichzeitig enorme Vermögen entstanden.

      Kaiserin Elisabeth erlebte eine Periode großer Spannungen, den rasanten Aufstieg des Bürgertums, das nach Demokratie rief, und das Entstehen großer politischer Parteien, den neuen Trägern der Macht. Die Monarchin erkannte die Zeichen der Zeit. Voll Sarkasmus kommentierte sie in ihren Schriften die sich an Titel und Privilegien klammernde, im Abstieg begriffene Aristokratie. Sie schrieb vom »Adel, der auf der faulen Haut liegt« und sagte das Ende des Habsburgerreichs vorher.

      In den Augen der Öffentlichkeit führte die schöne Kaiserin ein beneidenswertes Leben voll Glanz, Glamour und Luxus. Dieses war jedoch überschattet von enormen, überall drohenden Gefahren. Offizielle Auftritte wie die Besuche in Venedig, Mailand und Triest wurden von wütenden Protesten begleitet. Die vielen Attentate auf bekannte und befreundete Herrscher erforderten zunehmend größere Sicherheitsvorkehrungen, die von der Kaiserin jedoch abgelehnt wurden. Obwohl die Erinnerung an den Mordversuch an Kaiser Franz Joseph unvergessen blieb, forderte seine Gattin das Schicksal mit Reisen in gefährliche Gegenden und auf einsamen Wanderungen immer wieder neu heraus.

      Elisabeth selbst wurde das Opfer eines Stellvertretermords. Im Gegensatz zu den Lügen von Luigi Lucheni – er gab als ursprünglichen Kandidaten den Prinzen d’Orléans an – hatten sich seine anarchistischen Auftraggeber zur Ermordung der Kaiserin entschlossen, um damit Kaiser Franz Joseph einen schweren Schlag zu versetzen. Es war der erste Anschlag, der sich gegen die völlig unpolitische Gattin eines Monarchen richtete. Selbst das Begräbnis der Kaiserin gedachte man noch als Schauplatz für ein weiteres Attentat zu nutzen – Anarchisten machten sich mit Bomben auf den Weg nach Wien. Der geplante Mord am italienischen Thronfolger sowie ein Blutbad unter den Trauergästen wurde von der aufmerksamen österreichischen Polizei verhindert. Nicht verhindert werden konnte die Flut von Gratulationen, die Sympathisanten dem Mörder Lucheni in das Évêché-Gefängnis von Genf sandten. Dieser zeigte während seiner Haft zwar keine Reue, beschäftigte sich aber immer mehr mit seinem Opfer. Er vermutete bei Elisabeth »kongeniale« anarchistische Gedanken sowie Todessehnsucht und freute sich, die Monarchin von ihrem vermeintlichen Leid erlöst zu haben.

      Die Tragödie von Genf hatte nicht zuletzt internationale Folgen: In Rom fand noch 1898 eine große Konferenz zum Kampf gegen den Anarchismus statt – die hier getroffenen Beschlüsse zur polizeilichen Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg markieren die Anfänge von Interpol.

      Im Bewusstsein der Nachwelt leben Opfer und Täter in sehr unterschiedlicher Weise fort. Während die Kaiserin zu einer weltweit bekannten, vielfach kontroversiell diskutierten Kultfigur geworden ist, hat man ihren Mörder beinahe vergessen. Nur in manch anarchistischen Kreisen genießt Lucheni noch immer Verehrung.

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