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in unsere Reihen einzugliedern. Eines Tages, nach durchgängiger Uniformierung durch das Braunhemd, konnten wir keine Unterschiede mehr zwischen uns und den Jungen vom ehemaligen Scharnhorstbund erkennen.

      Was diesen „Eingliederungen“ tatsächlich an brutaler Gewalt seitens der damaligen Reichsjugendführung vorausgegangen war, wussten wir Jungvolkpimpfe nicht. Es war aber in der Altenburger Landeszeitung für jedermann nachlesbar:

       Montag, 24. Juli 1933

       Scharnhorstbund muss sich in die Hitlerjugend eingliedern …

       Weimar, 23. Juli:

      Der Landesbeauftragte des Reichsjugendführers richtete an den Scharnhorst folgende Mahnung: „Trotz meiner bereits gegebenen Anordnungen und Ausführungsbestimmungen … laufen wiederholt Meldungen ein, dass sich Stahlhelmführer an ihre Scharnhorstformationen wenden, und die von der Thüringer Jugendführung erlassenen Anordnungen sabotierenSollten diese Quertreibereien nicht sofort ein Ende finden, so werde ich beim Ministerium des Innern entsprechende Maßnahmen beantragen.“

      Es gibt für Kinder keine unnatürlichere Bewegungsart als das Marschieren. Deshalb empfand ich zu jener Zeit auch kein Interesse an Appellen und Aufmärschen. Besonders wir Kleinsten mussten für solche Veranstaltungen beharrlich vorbereitet werden. Die Ansprüche, denen wir genügen mussten, waren recht groß. Ich habe miterlebt, wie einem Jungen, dessen Hose nicht die vorgeschriebene Handbreit über dem Knie endete, nach der zweiten Ermahnung sie sich kürzen zu lassen, einfach das Zuviel an Stoff durch einen höheren Jungvolkführer abgeschnitten wurde. Langsam aber unaufhaltsam wurden wir an die „Ordnungsübungen“, wie man das Exerzieren bei uns damals nannte, gewöhnt. Es ist wie bei der Hundedressur. Wenn der Gebrauchshund lange genug mit den Befehlen „Sitz!“, „Platz!“, „Bei Fuß!“ bekannt ist, dann freut er sich, von seinem Herrchen für prompte Ausführung belobigt zu werden und fühlt sich vielleicht unter seinesgleichen als besonders gelungenes Exemplar. Ausrichten, Wendungen auf der Stelle und in der Bewegung, Einhaltung von Abstand und Gleichschritt lernt man nicht an einem Tag. Es mussten immer häufiger derartige Ordnungsübungen in den Dienstplan eingebaut werden, bis wir in einen Zustand versetzt waren, der uns Deutschen vom Ausland mitunter als ein typisch deutscher bescheinigt wird. Dabei hängt doch alles vom vorgesehenen Verwendungszweck ab, und den kannte nicht einmal Richard Köhler. Unser „Hardchen“ wollten wir nicht blamieren. So strengten wir uns an, alles richtig klappen zu lassen.

      In der Altenburger Landeszeitung konnte man schon eher erfahren, woran man bei unserem Erziehungsprogramm an höherer Stelle dachte. Da stand zu lesen:

       Donnerstag, 17. August 1933

      Günther Blum über die Aufgaben der Hitlerjugend (Anm.: Der Gebietsführer der Thüringer HJ sprach aus Anlass eines für den 16. u.17. September 1933 in Rudolstadt geplanten Gebietsaufmarsches der Hitlerjugend): „Wenn in einigen Wochen die Einigung der Jugend vollzogen ist, werden wir das beste Material heranziehen und eine Elite schaffen, die in kurzer Zeit die HJ so weit gebracht hat, dass es mit den Gruppen der Reichswehr, SA und SS in Ehren konkurrieren kann. Ein Befehl und sofort steht die Hitlerjugend.“

      Zeitungsausschnitt aus der Jungvolkbeilage des „Altenburger Beobachter“; Jahrgang 1934

      Zeitungsausschnitt aus der Jugendbeilage des „Altenburger Beobachter“ Ausgabe Nr. 305 vom 31.12.1034

       Dienstag, 22. August 1933

       Aufruf des Deutschen Jungvolks und der HJ … Deutscher Junge , stehe nicht weiter abseits, wenn deine Kameraden marschieren, komme heute aus freiem Entschluss aus jenen Jugendgruppen zu uns, die doch aufgelöst werden. Viele Kameraden warten auf dich, damit du mit ihnen auf Fahrt Heimat und echte Kameradschaft erlebst. Willst du ein Stubenhocker oder ein „Musterknabe“ sein und später einmal Spießbürger werden, dann bleibe weg. Willst du aber ein frischer, froher und gesunder Junge werden, der Achtung vor Elternhaus und Vaterland hat und später einmal seinen Mann stellt, dann komme zu uns in das Deutsche Jungvolk. Anmeldungen werden wochentags von 5 bis 6 Uhr im Heim, Neue-Sorge 43 entgegengenommen.

      Ich wurde ein treuer und gewissenhafter Jungvolkjunge und war in zunehmendem Maße von der Richtigkeit der von übergeordneter Stelle kommenden Anordnungen überzeugt, auch wenn ich Gründe und Hintergründe nicht kannte. Das geheimnisvolle Wort, das dies bewirkte, war der „Befehl“. Ich lernte, dass ein solcher unter allen Umständen auszuführen sei. Die Ursache für eine solche Kritiklosigkeit kann ich nur in dem bedingungslosen Vertrauen sehen, das wir zu Hardchen hatten. Wenn er uns schon makellos erschien, dann mussten es diejenigen erst recht sein, die in der Rangliste über unserem Jungzugführer standen. Wir Pimpfe waren nun für den Weg in die Abgründe präpariert.

       5. Die Klugen und die Törichten

      Die Mitgliederstärke im Deutschen Jungvolk und in den anderen Gliederungen der Hitlerjugend wuchs jetzt ständig. Uniformen begannen das Stadtbild zu prägen, weil immer häufiger umhermarschiert wurde. Dazu dienten auch die ins Leben gerufenen Feste und Feiern. Es gab jetzt genügend Anlässe, uns, - die „Zukunft der Nation“ -, allen Leuten vorzuführen. Noch hatte sich in mir nicht jener dumme Stolz eingestellt, Teil einer in militärischer Exaktheit funktionierenden Marschkolonne zu sein. Wir zogen hinter den phantasievoll gestalteten Fahnen und Wimpeln unserer Einheiten her, wobei wir unsere Landsknechts - und Fahrtenlieder sangen. Es waren aber auch schon einige neue Lieder hinzugekommen. Wir Küken vom Jungzug 4 hatten manchmal noch unsere Mühe damit, die zu kurzen Beine in den Marschtakt einzupassen, den die voranziehenden Landsknechts Trommler angaben.

      Die Regierung rief bereits im Juni 1933 erstmalig zum „Fest der Jugend“ auf. Äußerer Anlass dazu wurde künftig die Sommersonnenwende am 24. Juni. Daran nahmen 1933 letztmalig auch die Scharnhorstjugend, die Turnerjugend und die Christliche Jugend teil bevor sie dann bald danach aufgelöst wurden. Wie stark bereits zu dieser Zeit versucht wurde, die Schulen in das Erziehungsprogramm der Hitlerjugend zu integrieren, zeigen einige Zitate aus der Altenburger Landeszeitung zu dieser Veranstaltung:

       Sonnabend, 1. Juli 1933

      Heute Fest der Jugend … Leiter und Vorsitzender der Veranstaltung ist Pg. Studienrat Otto, Träger der Veranstaltung ist die Hitlerjugend … Sie beginnt um 8 Uhr (Anm.: 20 Uhr) … Es treten an: Sämtliche Jugendverbände bis inkl. Schulen.

       Montag, 3. Juli 1933

      Glänzender Verlauf des Festes der Jugend … Das Sonnenwendfeuer auf der Kampfbahn … Auf der Hindenburgpromenade sammelte sich die Schuljugend, die von der Siegerverkündung auf der Kampfbahn zurückgekehrt war, die Hitlerjugend, Scharnhorst, Turnerjugend und Christliche Jugend, ferner die SA und der Stahlhelm zum Werbemarsch durch die Stadt. … Auf der Kampfbahn (Anm.: Sportstadion vor dem Herzog-Ernst-Wald) war unterdessen ein mächtiger Holzstoß aufgetürmt worden, um den herum sternförmig die am Umzug beteiligten Verbände Aufstellung nahmen. Ihre Zahl dürfte mit 4000 nicht zu hoch geschätzt sein. Dazu kommt die Riesenzahl der Zuschauer, die sich ringsherum angesammelt hatten. Mit dem Liede „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“ wurde die Feier eröffnet. Darauf wurde das Manifest der Gebietsführung Thüringen der Hitlerjugend verlesen, in dem es u.a. heißt: Die Form , in der sich die deutsche Jugend zusammengefunden hat zum Feuerfest, ist nicht die Form der Bünde und Grüppchen, sondern die Form der großen Volksgemeinschaft, wie sie die Staatsjugend des Deutschen Reiches erlebt, die mit vollstem Bewusstsein den Namen des Führers und Kanzlers führt ….Unter den Klängen des Liedes „Flamme empor!“ wurde dann der Holzstoß in Brand gesetzt, dessen heller Schein die Umgebung in ein zauberhaftes Bild verwandelte. Kreisleiter Panzer hielt eine Ansprache … Die Feuersprüche der Hitlerjugend, des Bundes Deutscher Mädchen, der Stahlhelm-Scharnhorstjugend, des Notwerkes der deutschen Jugend, der Christlichen Jugend und der Turnerjugend … Zum Schluss

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