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der DDR, der ich ange­hörte, beauf­tragte die Regie­rung in einer Son­der­sit­zung am 10. August 1961 die not­wen­di­gen Schritte dafür ein­zu­lei­ten. Die ande­ren Län­der des War­schauer Ver­tra­ges ergrif­fen gleich­falls Maß­nah­men. Das hieß, dass die Grenze von der Ost­see bis zum Schwa­r­zen Meer geschlos­sen wurde. Dazu gehörte nicht allein die Mauer in Ber­lin. Als in Eur­opa die Gren­zen gesi­chert wur­den, stellte ich mir auch die Frage, was mit Kuba gesche­hen würde, wenn das Land mit sei­nen sehr lan­gen Küs­ten­li­nien von See her ange­grif­fen würde. Heute zeigt Kuba uns, dass Pro­bleme durch Migra­tion und Aus­lands­rei­sen anders gelöst wer­den kön­nen. Auch Kuba steht ja vor dem Pro­blem, dass die USA viel Geld dafür aus­ge­ben, um die im Land aus­ge­bil­de­ten Spe­zi­a­lis­ten zum Ver­las­sen ihrer Hei­mat zu bewe­gen. Die Regie­rung in Havanna ver­hin­dert ein Aus­blu­ten des Lan­des jedoch nicht durch Ver­bote und Repres­sion, son­dern dadurch, dass es zum Bei­spiel Medi­zi­ner weit über den eige­nen Bedarf aus­bil­det. Das ist zwar für die Gesell­schaft sehr teuer, aber wirk­sam. Aber 1961 hat­ten wir in Eur­opa eine andere Situa­tion und jeder, der die Geschichte kennt, muss zuge­ben, dass der Frie­den in einem Maße gefähr­det war, wie nie zuvor seit dem Zwei­ten Welt­krieg.

      VH: Im Okto­ber 1962 ist es mit der Okto­ber­krise, die im Wes­ten auch Rake­ten­krise genannt wird, dann doch noch fast zum Krieg gekom­men.

      HM: Diese bei­den Ereig­nisse der Jahre 1961 und 1962, der Mau­e­r­bau und die Okto­ber­krise, sind nach mei­ner Wahr­neh­mung die größ­ten Zuspit­zun­gen, die es im gesam­ten Kal­ten Krieg gege­ben hat. Wäh­rend sich hier in Eur­opa die Trup­pen der NATO und des War­schauer Ver­tra­ges gegen­über­stan­den, wäre ein Angriff auf Kuba for­mal kein Ver­tei­di­gungs­fall für unser Bünd­nis gewe­sen. Trotz­dem war es das erste Mal, dass die bei­den Super­mächte und die Mili­tä­r­blö­cke auf­ein­an­der prall­ten. Mit der Inva­sion in der Schwei­ne­bucht hat­ten die USA zwar bereits eine Grenze über­schrit­ten, aber das war noch ein Kon­flikt zwi­schen den USA und Kuba, es gab noch keine direkte Betei­li­gung der Sowje­t­u­nion. Das war in der Okto­ber­krise 1962 anders.

      VH: Die Bun­des­re­pu­blik mischte sich kräf­tig ein und goss Ben­zin ins Feuer. Bun­des­kanz­ler Kon­rad Ade­nauer for­derte von den USA ein »ent­schlos­se­nes Ein­grei­fen auch unter dem Ein­satz von mili­tä­ri­schen Mit­teln«.

      HM: Ade­nauer und die Regie­rung der Bun­des­re­pu­blik gos­sen in die­ser Zeit tat­säch­lich Öl ins Feuer. Sie hat­ten mit der Hall­stein-Dok­trin, die sie spä­ter auch gegen Kuba anwand­ten, den Ver­such einer diplo­ma­ti­schen, poli­ti­schen und wirt­schaft­li­chen Blo­ckade der DDR gest­ar­tet. Mit dem Motto »Wan­del durch Stärke« beschrie­ben sie, wie die DDR eli­mi­niert wer­den sollte. Die Posi­tion »Wan­del durch Annä­he­rung« der Sozi­al­de­mo­kra­ten Willi Brandt und Egon Bahr setzte sich erst viel spä­ter durch. Das Ver­hal­ten Ade­nau­ers in der Okto­ber­krise war aus dem Anti­kom­mu­nis­mus gespeist, der damals in der BRD vor­herrschte. Weite Teile der Poli­tik, des Mili­tärs und der Jus­tiz waren von orga­ni­sier­ten Grup­pen ehe­ma­li­ger Nati­o­nal­so­zi­a­lis­ten durch­setzt, die mit einer Zuspit­zung auch ihr eige­nes Süpp­chen koch­ten.

      VH: Fidel Cas­tro hat Chruscht­schow vor­ge­wor­fen, mit den USA hin­ter dem Rücken der Kuba­ner ver­han­delt zu haben. Sonst, so meinte er, wäre das Abkom­men zur Bei­le­gung der Krise für Kuba vor­teil­haf­ter aus­ge­fal­len. Kubas Pro­test hat Mos­kau ver­är­gert. Hat sich das auch auf das Ver­hält­nis der DDR zu Kuba aus­ge­wirkt?

      HM: Zunächst muss mei­ner Ansicht nach der dama­lige Ernst der Lage berück­sich­tigt wer­den. Hier erreichte der Kalte Krieg zwi­schen den USA und der Sowje­t­u­nion eine Zuspit­zung, die bis an die Grenze eines ato­ma­ren Welt­krie­ges reichte. Die Gegen­sätze prall­ten voll auf­ein­an­der. Auch mir scheint es so gewe­sen zu sein, dass die sowje­ti­schen Inter­es­sen über die Inter­es­sen Kubas gestellt wur­den. Warum war die UdSSR bereit gewe­sen, in Kuba Rake­ten zu sta­tio­nie­ren ? Weil sie damit stra­te­gisch direkt vor den USA gestan­den hät­ten. Ein Teil des Pro­blems bestand auch darin, dass die Sowje­t­u­nion die Dyna­mik und die Schärfe des Kon­flik­tes unter­schätzt hatte. Am Ende ging es um Minu­ten und nicht um Stun­den. Ich bin sicher, dass Chruscht­schow sich in einer Situa­tion wähnte, in der er glaubte, keine Zeit für Kon­sul­ta­ti­o­nen mit den Kuba­nern zu haben. Er stand Ken­nedy gegen­über, er hatte Rake­ten auf den von den USA geor­te­ten Schif­fen und er musste schnell han­deln. Aber natür­lich hat Fidel Cas­tro eine andere Sicht­weise. Die ist im Inter­esse sei­nes Lan­des ver­ständ­lich und zu respek­tie­ren. Für ihn sah es so aus, dass die Sowjets über seine Ver­ant­wor­tung und seine Sicht­weise hin­weg­ge­gan­gen waren, womit er recht hatte.

      VH: Kuba war nie so abhän­gig von den Ent­schei­dun­gen des Kreml wie die DDR. Sehen Sie darin aus heu­ti­ger Sicht einen Vor­teil?

      HM: Ja und nein. Nach der Bei­le­gung der Okto­ber­krise war Fidel Cas­tro fast zwei Monate lang in Mos­kau. Es ist nicht zum Bruch gekom­men, aber Fidel Cas­tro hat seine kri­ti­schen Posi­ti­o­nen wei­ter ver­tre­ten und damit die Sou­ve­rä­ni­tät Kubas gestärkt. Ich denke, dass das Beste­hen auf der eige­nen kri­ti­schen Bewer­tung für Fidel Cas­tro und für die Kuba­ner aus­ge­spro­chen wich­tig war. Die Revo­lu­tion war zunächst ja vor allem gegen kolo­ni­a­lis­ti­sche und impe­ri­a­lis­ti­sche Fremd­herr­schaft und gegen das Kuschen vor frem­den Her­ren gerich­tet. Des­we­gen war es in die­ser Situa­tion so wich­tig, auch gegen­über der befreun­de­ten Sowje­t­u­nion die eigene Sou­ve­rä­ni­tät zu behaup­ten. Das ist ein­deu­tig eine völ­lig andere Posi­tion, als wir sie in der DDR hat­ten. Aller­dings muss man dazu immer auch sagen, dass die ein­ge­schränkte Sou­ve­rä­ni­tät ja beide deut­sche Staa­ten betraf. Die Bun­des­re­pu­blik konnte vie­les auch nicht allein ent­schei­den. Wäh­rend wir Schritte von grö­ße­rer Trag­weite mit Mos­kau koor­di­nier­ten, muss­ten die West­deut­schen sich in sol­chen Situa­ti­o­nen erst ein­mal die Zustim­mung Washing­tons ein­ho­len. Die Bun­des­re­pu­blik hat sich nie­mals gegen die USA gestellt. Dage­gen hat Kuba in der Welt­po­li­tik immer eine eigene, sou­ve­räne Rolle gespielt.

      4. Part­ner­schaft und Freund­schaft

      Vol­ker Herms­dorf: Kuba hat am 12. Januar 1963 als ers­tes Land Latein­ame­ri­kas die DDR aner­kannt. Wie ent­wi­ckelte sich das Ver­hält­nis wei­ter?

      Hans Modrow: Die völ­ker­recht­li­che Aner­ken­nung war ein gro­ßer Bei­trag der Soli­da­ri­tät Kubas mit der DDR. Damit wurde die Hall­stein-Dok­trin durch­bro­chen. Kuba wusste, dass die Bun­des­re­pu­blik die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen ein­stel­len würde und hat diese Ent­schei­dung trotz­dem gefällt. Uns war klar, dass Havanna damit aus Soli­da­ri­tät zu uns eine Last auf sich genom­men hatte, die viele Jahre getra­gen wurde. Denn die welt­weite Aner­ken­nung der DDR erfolgte ja erst nach 1972. Danach hielt Bonn es für oppor­tun, die diplo­ma­ti­schen Bezie­hun­gen zu Kuba wie­der auf­zu­neh­men, weil die BRD sich sonst ins eigene Fleisch geschnit­ten hätte. In die­ser Zeit war die Hall­stein-Dok­trin zum Bume­rang gewor­den. Nach die­ser Dok­trin hätte die BRD näm­lich auch die Bezie­hun­gen zu Japan und sogar zu den USA abbre­chen müs­sen, weil diese Län­der die DDR nach der Kon­fe­renz von Hel­sinki aner­kannt hat­ten.

      VH: Die linke 1968er-Bewe­gung West­eu­r­o­pas und der Bun­des­re­pu­blik beschäf­tigte sich mit den revo­lu­ti­o­nären Befrei­ungs­kämp­fen in Viet­nam, Afrika und Latein­ame­rika. Wie war in die­ser Zeit das Ver­hält­nis der DDR-Jugend zu Che Gue­vara und Kuba?

      HM: Im Wes­ten ver­mischte sich die Begeis­te­rung für Che

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