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von denen eines nur ein wenig angebissen war. Valentin schaute nach dem Belag, freute sich über die ungarische Salami und wollte schon fast mit seiner Brotzeit beginnen. Doch während sich der Speichel im Mund sammelte, entschloss er sich zu einem kleinen Stoßgebet.

      »Ich danke einer unbekannten Mutter für diese leckeren Frühstücksbrote, die sie erst heute Morgen ihrem Kind geschmiert hat. Und ich danke herzlich dem unbekannten Kind, dass es diese Frühstücksstullen verschmäht und weggeworfen hat. – Amen.« Dann schaute er zwei Minuten lang in den blauen Himmel und raunte: »Vergiss es, dir danke ich nicht!« Er biss herzhaft in die Brote und nahm sich viel Zeit für die mit großer Sicherheit einzige Mahlzeit an diesem Tag. Als er schließlich fertig war, rülpste und kicherte Valentin, leckte sich nacheinander die Fingerkuppen ab und machte es sich auf dem Pappkarton bequem.

      Dann plötzlich schien es ihm, als wenn es regnen würde. Das war sehr merkwürdig, denn der Himmel zeigte sich an diesem Tag völlig wolkenlos und auch einen Regenbogen entdeckte er nicht. Valentin erhob sich, hielt die rechte Hand in den Regen, trat ein paar Schritte vor und schaut hinauf zur Brücke. Oben standen zwei Jugendliche und pinkelten von der Brücke auf ihn herab. Als die jungen Leute den Obdachlosen entdeckten, lachten sie laut und brüllten böse Schimpfworte, die aber nicht dem verfassungswidrigen rechtsradikalen Milieu zuzuordnen waren.

      Valentin schüttelte sich angeekelt, ging zum Ufer des Flusses, zog sein beschmutztes Hemd aus und begann sich in der Flussbrühe zu waschen. Er genoss die innerstädtische Idylle, beobachtete tote Fische, die geräuschlos an ihm vorüberschwammen und denen es offenbar noch schlechter ergangen war als Valentin, der sich in diesem Moment erstaunt umdrehte.

      Welch schöner Klang! Ein deutliches Kinderlachen war zu hören! Das gefiel dem Mann, der doch so gern Vater eigener Kinder gewesen wäre, was ihm jedoch nie vergönnt gewesen war.

      Noch vor dem Fluss kniend schaute Valentin sich um. Auf seiner Wiese ganz in seiner Nähe sah er zwei Fußball spielende Jungen, die um die zwölf Jahre alt sein mochten.

      Einer der beiden, der jedoch nicht zwölf, sondern bereits dreizehn Jahre alt war, stieß derb an den Ball, der in Richtung Fluss zu Valentin flog.

      Der andere Junge rief: »Pass doch auf! Du schießt den Ball ja ins Wasser!«

      Und der Schütze brüllte: »Dann lauf, Oskar! Lauf! Den kriegst du bestimmt noch!«

      Oskar, übrigens im aktuellen Löwen-Trikot, rannte tatsächlich wie ein Blitz.

      Direkt am Ufer und weit vor Oskar stoppte jedoch Valentin geschickt den Ball mit seinem rechten Fuß und begann damit, ihn gekonnt hochzuhalten. Er ließ den Ball von den Füßen zum Kopf, in den Nacken, auf die Hacken und wieder zu den Füßen tropfen. Die Ablenkung bereitete ihm große Freude, augenblicklich erinnerte er sich an seine Jugendsportzeit beim Grün-Blau Kleinfingerrodaer 1864 e. V. und an die vielen geschossenen Tore.

      Jedenfalls wäre der wunderbare Lederball ins Wasser gerollt und vom Fluss hinweggetragen worden, hätte Valentin nicht geistesgegenwärtig eingegriffen.

      Der Junge Oskar blieb wie angewurzelt in unmittelbarer Nähe stehen und stierte den schmuddeligen Valentin betroffen und sichtlich geschockt an, denn ihm gefiel es so gar nicht, was der schrecklich verwahrloste Typ mit seinem herrlichen Fußball anstellte. Und das recht gekonnt.

      Valentin ahnte, was im Kopf des Jungen vor sich ging. Und während er den Ball hochhielt, rief er: »Als ich so alt war wie du, hatte ich drei Leidenschaften. Und eine davon war Fußball.«

      Oskar trat von einem Fuß auf den anderen. »Na und? Gib mir gefälligst meinen Ball zurück, du blöder Penner!«

      »Er wäre ins Wasser gefallen, wenn ich ihn nicht aufgehalten hätte. Du musst dich erst bei mir bedanken«, rief Valentin und ließ den Ball noch immer fleißig wandern, ohne dass er auch nur ein einziges Mal den Boden berührt hätte.

      Oskar, ein schlanker Junge mit modisch langen, dunklen Haaren, dachte nicht mal im Entferntesten daran, Danke zu sagen. Im Gegenteil, er drohte! Denn hierarchisch gesehen stand ein Obdachloser weit, weit unter einem Realschüler oder gar einem Ausländer. »He, fick dich, Alter! Gib mir sofort meinen Fußball zurück! Oder ich ruf die Polizei und behaupte, dass du mich angefasst hast! Und der da wird es bezeugen!« Er zeigte zu seinem Kumpel.

      »Soll ich dir was sagen, Oskar?«, fragte Valentin, kein bisschen außer Atem. »Oskar ist doch dein Name, oder? Ich mag ja momentan nicht so ausschauen, doch ein paar Dinge habe ich in meinem Leben bereits mehr gelernt als du. Und eines davon ist, dass ein größenwahnsinniger Zahnstocher niemals ein Speer sein wird.« Valentin fühlte sich zutiefst getroffen. »Wie ein Dank klingt das jedenfalls nicht, was du gesagt hast. Doch auf eine Enttäuschung mehr oder weniger kommt es in meinem Leben wahrlich nicht an. Hier, nimm deinen Ball und übe weiter, vielleicht wirst du eines Tages ein guter Fußballer, wie ich es bin.« Er warf dem Kind einen enttäuschten Blick zu. Es war jener Blick, den Valentin einst einzusetzen gelernt hatte, wenn man ihm in seiner Kindheit versprochene Dinge vorenthalten hatte, was sehr oft der Fall gewesen war.

      Einen Moment lang überlegte er, ob er den Ball in den Fluss schießen sollte. Das brachte er jedoch nicht übers Herz und so gab er resignierend auf. Der Fußball konnte schließlich nichts für die schlechte Erziehung seines Herrn und Besitzers. Valentin beendete das gekonnte Spiel mit dem Ball und schoss diesen volley zu dem anderen Jungen.

      Der rannte dem Schuss entgegen und rief: »Oskar, was will denn der Penner von dir?«

      Oskar gönnte Valentin gleichfalls einen Blick. Keinen der Enttäuschung, sondern einen des Ekels, der Abscheu und der Verachtung. Er rief noch ein Wort aus seinem gängigen Vokabular: »Volltrottel!« Dann rannte der Junge blitzschnell zu seinem Freund zurück und kurze Zeit später verschwanden beide Knaben von der Bildfläche.

      Diese Begegnung wirkte in dem Jungen Oskar nicht nach. Ein Penner war eben nur ein Penner. Mehr nicht. Doch in Valentin, der den verbleibenden Tag mit selbstmitleidvollen, ständig aufkeimenden Heulkrämpfen und nichtstuendem Insichgekehrtsein verstreichen ließ, wirkte die Begegnung. Valentin war in seinem Innersten ein Kind geblieben. Und dieses Kind sehnte sich nach Spaß und Zuwendung. Das Merkwürdigste an der Begegnung jedoch war, dass dieser wildfremde Junge Oskar den älteren Valentin an den zwölfjährigen Valentin erinnert hatte. Warum auch immer ...

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