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Hiermit hängt wohl zusammen daß man die Hexen vor Gericht nicht auf bloßen Boden treten ließ, weil man meinte, sie bekämen dann Gewalt sich zu verwandeln. Wie hier die Taube mit ihren Flügeln Sturm erregt, kommen nach der ältern Edda die Winde von dem Riesen Hræsvelgr, der in Adlergestalt am Ende des Himmels sitzt und die Flügel schlägt (Myth. 599). Ein Stühlchen nimmt im Märchen von den sieben Raben die Schwester der Raben wie hier die Taube mit sich auf die Wanderschaft, und nach demselben Märchen sitzen die Sterne auf goldenen Stühlen (Kinder- und Hausmärchen 1, S. 160. 161.) Mit der Frau ist ohne Zweifel die in den zwölf Nächten umziehende Göttin gemeint: daß sie durch die Lüfte fliege und dabei Segen ausstreue berichtet schon Gobelinus Persona von der Hera, und noch jetzt wird es in der Mark von der Harke erzählt.

       Mündlich aus Mansfeld

      Einem Amtmann zu Helbra starb seine Frau, und er nahm eine zweite, die mit den Kindern der ersten lieblos umging. Da kam die erste alle Morgen und alle Abende zu den Mägden in den Stall, half ihnen melken und das Vieh striegeln und bat sie gar wehmüthig, alles Liebe, was sie ihnen hier im Stalle anthue, möchten sie doch ihren Kindern auf dem Schlosse wieder zu Gute kommen lassen; denn auf das Schloß dürfe sie nicht gehen. Und weil die Mägde freundlich gegen sie waren, wurde sie immer vertraulicher, bis sie eines Morgens, als sie fortschlich, vom Amtmann bemerkt wurde. Da ließ er einen Jesuiten kommen, welcher die Frau bannen sollte. Und der Jesuit hieß sie aus dem Grabgewölbe nehmen und in ein Gehölz vor dem Dorfe legen, welches das Pfarrholz heißt. An das Pfarrholz stößt ein Teich, und der Jesuit gab der Todten ein Sieb in die Hand und bannte sie, wenn sie im Grabe nicht rasten wolle, müsse sie mit dem Siebe erst den Teich ausschöpfen, ehe sie wieder auf den Schloßhof kommen dürfe. Und nun war der Teich alle Morgen kleiner, und es währte nicht lange, so war er ausgetrocknet, und die Frau erschien wieder im Stalle. Da nahm man sie zum zweiten Mal aus dem Grabe und brachte sie über die Grenze in das ahlsdorfer Gebiet. Nun konnte sie nicht mehr auf das Schloß nach Helbra kommen; denn über die Grenzen dürfen Geister nicht: doch ging sie noch lange allnächtlich an den Grenzsteinen auf und nieder und schaute sehnsüchtig nach dem Schlosse hinüber. Und das ist erst vor fünf und zwanzig Jahren geschehen.

       Helbra. Postkarte um 1920. Verlag Paul Schnitzer, Helbra.

       Sammlung Harald Rockstuhl.

       Mündlich aus Gutenberg

      In Gutenberg war eine Wöchnerin eines Abend ganz allein zu Hause, weil ihr Mann über Land gegangen war und sich auf dem Heimwege verspätet hatte. Und als sie nun so still in ihrem Bette lag und sich im ganzen Dorfe nichts mehr regte, da begann es plötzlich unter ihr im Keller des Hauses zu rascheln; die Kellertreppe herauf kamen langsame Schritte, und herein trat ein altes, gebücktes Mütterchen mit einem Spinnrocken in der Hand. Es setzte sich ohne zu grüßen oder ein Wort zu sprechen neben die Wiege und spann und sah das Kind von Zeit zu Zeit mit so recht freundlichen, doch wehmüthigen Augen an. Die Frau zitterte vor Angst, doch schwieg sie und zog nur heimlich die Wiege immer etwas näher an das Bett. Als das Mütterchen eine Weile gesponnen hatte, stand sie auf, nahm den Rocken in die Hand und winkte der Wöchnerin mit ihr zu gehen. Die aber hüllte sich tiefer ins Bett, machte die Augen fest zu und sah nicht eher wieder auf als bis sie ihren Mann zur Thür hereinkommen hörte. Wie sie dem erzählte was sie gesehen hatte, wurde auch ihm ganz bang, und er versprach sie nicht wieder Abends allein zu lassen. Sie saßen nun die nächsten Abende traulich beisammen und sahen und hörten nichts. Nach einigen Tagen aber geschah es doch wieder daß der Mann, als die Nacht anbrach, noch ausblieb, und nun kam um dieselbe Zeit wie das erste Mal das alte Mütterchen mit dem Spinnrocken, setzte sich an die Wiege und spann ohne ein Wort zu sprechen. Und als sie wegging, winkte sie der Frau wieder und sah sie gar freundlich bittend mit so lieblicher und doch so bekümmerter Miene an, daß die Frau fast mitgegangen wäre, wenn sie nicht gefürchtet hätte, es sei nur ein böser Geist, der sie verlocken wolle. Am folgenden Morgen ging der Mann der Wöchnerin zum Pfarrer und erzählte dem die Geschichte von dem alten Mütterchen, welches schon zweimal bei seiner Frau gewesen sei. Und der Pfarrer kam zu der Frau, segnete sie ein und las eine Messe über sie (denn es ist dies Alles schon vor langer, langer Zeit geschehen, als die Sachsen noch katholisch waren), und nun hieß er sie, wenn das Mütterchen wieder komme, getrost aufstehen und mitgehen, nun würden alle bösen Geister der Welt ihr kein Haar zu krümmen wagen. Als die Frau bald darauf wieder einmal des Abends allein war, kam richtig wieder das gebückte Mütterchen und spann wie früher still vor sich hin, grüßte nicht und sprach nicht; doch als sie diesmal den Rocken nahm und der Frau winkte, stand diese auf, ergriff ihre Lampe und folgte ihr. Sie gingen die Kellertreppe hinab, und als die Frau auf die unterste Stufe trat, fuhr sie erschrocken zurück, denn vor ihr stand eine Mulde voll runder, blanker Dukaten. Und das alte Mütterchen fiel ihr um den Hals und rief „Gott sei gedankt! Nun bin ich erlöst, und du bist meine Retterin. Ich war verwünscht diesen Schatz zu bewachen, bis am Neunten eines Monats in deinem Hause ein Knäblein geboren würde, dessen Mutter ich ohne zu sprechen zu dem Schatz herab locken könnte. Dein Sohn ist am Neunten geboren; doch wärst du heut nicht mit gekommen, so wäre ich verloren gewesen, denn nur dreimal durfte ich den Schatz verlassen. Nun nimm das Gold und lebe fröhlich damit; so lange Einer von deinem Geschlechte übrig ist, wird es nicht zu Ende gehen.“ Und wie die Wöchnerin noch erstaunt bald das Mütterchen, bald die Dukaten ansah, war die Alte plötzlich verschwunden. Da griff die Frau eilig nach den Dukaten, um zu sehen ob sie auch verschwinden würden; doch es waren wirkliche Dukaten und wurden ihr sehr schwer, als sie die Mulde die Treppe hinauftrug.

       Anmerkung:

       Durch die Hebung eines Schatzes ist öfter die Erlösung Verwünschter bedingt: vergl. Sage 15. Deutsche Sagen 1, 13. Bechsteins thür. Sagenschatz 3, S. 210. Wolfs deutsche Märchen und Sagen. 251. 255. 431.

       Mündlich aus Helfta

      Auf dem Hausberge bei Eisleben stand vor alter Zeit ein mächtiges Schloß, welches in den Berg versunken ist, doch sich einst wieder aus ihm erheben wird. Das Burgfräulein ist mit in den Berg verwünscht und wird nur alle sieben Jahr in der Johannisnacht frei. Dann wandelt sie auf dem Berge umher, trägt ein Schlüsselbund am Gürtel und ist ganz grün gekleidet, weshalb sie das Volk nur „die grüne Jungfer“ nennt. Wer ihr begegnet, dem widerfährt ein großes Glück; denn er wird von ihr reich beschenkt. Das größte Glück aber ist dem bestimmt, dem es einst gelingen wird sie zu erlösen. Jedem nämlich, den sie trifft, giebt sie einen Schlüssel und führt ihn zu einer Fallthür auf dem Gipfel des Berges, die auch nur alle sieben Jahr in der Johannisnacht zu sehen ist: die Thür heißt sie ihn aufschließen, und dann begleitet sie ihn durch die weiten Gemächer des Schlosses, zeigt ihm alle Herrlichkeiten und führt ihn zuletzt vor ein Buch, welches ihre und des Schlosses Geschichte enthält. Dieses Buch heißt sie ihn lesen; doch ist es in so alter Schrift geschrieben, daß noch Niemand es zu lesen vermocht hat. Wenn aber einst Jemand das Buch wird lesen können, so wird sich das Schloß aus dem Berge auf den Gipfel desselben heben, und die Jungfer wird erlöst sein und ihren Erlöser zum Herrn des Schlosses und zu ihrem Gemahl machen. Ein Amtmann las einst schon einige Seiten: da begann sich das Schloß alsbald im Berge zu rütteln, und ein Schäfer, der grade über den Berg ging, sah die Thurmspitze schon daraus hervorragen. Doch weil der Amtmann nicht weiter lesen konnte, sank das Schloß in den Berg zurück. Noch jetzt gehen Leute aus den benachbarten Dörfern in der Johannisnacht auf den Hausberg um der grünen Jungfer zu begegnen.

       Helfta. Postkarte um 1910. Verlag Fr. Lehmann, Helfta.

       Sammlung Harald Rockstuhl.

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