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Stelle, an welcher der wilde Jäger stets anzuhalten und seine Pferde und Hunde zu füttern pflegte. Als man dort vor einigen Jahren ein Haus baute, wurde die erste Mauer funfzehn Mal hinter einander über Nacht wieder eingerissen: erst das sechzehnte Mal blieb sie stehen; doch ist es noch jetzt bei Nacht in den Zimmern unruhig, und rings um das Haus, welches grade an einer Ecke steht, weht zu allen Tageszeiten der Wind.

       Mündlich

      Frau Holle, die man in ganz Thüringen kennt, ist ein kleines, bucklichtes altes Mütterchen. Sie ist sehr häßlich und spielt den Leuten manchen bösen Streich, besonders wenn sie in den zwölf Nächten spinnen. Sie macht dann daß die Kühe Blut statt Milch geben, daß das Garn ungleich wird und die Leinwand bald zerreißt. Man fürchtet sie und spricht nur Gutes von ihr: das Böse flüstert man sich leise zu. Und wenn ein verwegner junger Bursch in der Spinnstube über sie spotten will und eine alte Frau dabei sitzt, springt sie wohl auf, hält ihm den Mund zu und murmelt, indem sie ängstlich nach dem Fenster sieht, „Gott segn’ uns, wenn sie das gehört hat.“

      Frau Holle heißt sie auch im Magdeburgischen und um Naumburg, Weißenfels und Zeiz. Um Wollmirstedt dagegen, so wie um Eisleben (in Amsdorf, Ober- und Unterröblingen, Erdeborn, Helfta, Volkstädt, Helbra) und von da aufwärts nach der Saale zu in Hedersleben, Dederstedt, Schochwitz, Gorsleben wird sie allgemein Frau Wolle, in dem eine halbe Meile von Gorsleben dicht an der Saale gelegenen Zaschwitz aber, in Wettin und Beidersee Frau Rolle genannt.

       Anmerkung:

       Zu dem Wechsel des H und W in Holle und Wolle könnte man Herre und Werre (s. die folgende Anmerkung) und zu dem des W und R in Wolle und Rolle Formen wie Wasen und Rasen, Wocken und Rocken vergleichen: doch die Benennungen Harfe und Haken (Haupts Zeitschrift 4, 386), welche man für Harre, Harke braucht, machen es wahrscheinlicher daß sich hier Reste alter Euphemismen erhalten haben, durch die man den Namen der Göttin halb verschwieg, wie man jetzt in Flüchen und Ausrufungen, Kotz Wetter! Potz Blitz! und dergl. für Gottes Wetter, Gottes Blitz, Herr Je für Herr Jesus und Ähnliches sagt, aus Scheu den Namen Gottes, wenn man ihn unverändert ausspräche, zu entheiligen (Myth. 14). – Nach dem Fenster blickt die Frau wohl, weil sie fürchtet daß Holda wie sonst Berchta (Myth. 253) oder der Teufel (Kuhns märk. Sagen S. 379 Nr. 26), wenn man sie verletzt, plötzlich durch das Fenster schauen und eine Strafe verhängen wird.

       Oberröblingen – Früheres Seebad. Postkarte um 1910.

       Sammlung Harald Rockstuhl.

       Mündlich aus Oberröblingen am salzigen See

      Zwischen dem Dorfe Aseleben und dem salzigen See liegt ein Berg, der mit einigen hundert Steinen bedeckt ist. Auf diesem Berge hütete einst ein Schäfer, und als er frühstücken wollte, kam Frau Wolle den Berg herauf um auf der andern Seite zum See hinab zu gehen und sich darin zu baden. Wie sie den Schäfer sah, bat sie ihn um ein Stückchen von seinem Brote: doch er lachte und sprach, wenn sie essen wolle, solle sie arbeiten; sein Brot habe er ehrlich verdient und brauche es allein. Da berührte ihn Frau Wolle mit einer Ruthe, die sie in der Hand trug, und alsbald war er in Stein verwandelt: darauf berührte sie seine beiden Hunde, die rechts und links neben ihm lagen, und dann die ganze Heerde, und auch die Hunde und alle Schafe wurden zu Stein. Dies sind die Steine, welche auf dem Berge liegen; und noch heut sieht man an dem, in welchen der Schäfer verwandelt ist, den Stab aufragen, den der Schäfer beim Sitzen grade über seine Schulter gelehnt hatte. Der Berg wird seitdem der Steinberg, bisweilen auch der Schafberg genannt.

      Auf einem Anger bei Ahlsdorf liegt eine Menge ähnlicher Steine; und auch dies ist ein Schäfer mit zwei Hunden und fünfhundert Schafen, die einst verwünscht worden sind. Wer sie verwünscht hat weiß man nicht; doch erzählt man daß sie einst noch erlöst werden sollen.

       Mündlich

      In Gutenberg bei Halle hütet man sich in den zwölf Nächten zu spinnen, weil sonst Frau Harre kommt und den Rocken besudelt. In Pfützenthal wird sie Frau Harren, in Rothenburg (anderthalb Meilen von Pfützenthal) Frau Harfe und in Näglitz (eine halbe Meile von Gutenberg) Frau Archen genannt.

      In Löbejün sagt man, Frau Motte kommt und verdirbt das Garn, das man in der Zwölften oder auch während der Fastnacht gesponnen hat.

       Anmerkung:

       Die Namen Harre und Archen machen es unzweifelhaft daß Harke und Herke nur Diminutivformen sind, die letztere der schon von Gobelinus Persona aus Sachsen angeführten Domina Hera (Myth. 232) entsprechend. Diminutiva auf ke erscheinen bekanntlich in Sachsen häufig als Eigennamen. Auch die verwandte Berchta aber wird Berchtel, Prechtölderli (Myth. 884) genannt, und das schweizerische Posterli und die Sträggele (Myth. 886) gehören zu demselben Kreise von Göttinnen. Doch ob die Göttin ursprünglich Hara oder Hera hieß ist nicht zu entscheiden, so lange nicht für eine der beiden Formen eine sichre Ableitung gewonnen wird. Hêra, die hehre, würde zu Holda und Berchta passen; auch ist zu Hera, Herre oben schon Werre verglichen. Dagegen könnte in Hara (von harên, clamare: Graff 4, 978) die Göttin als die dahinbrausende, das Wild hetzende wilde Jägerin geschildert sein. Die Formen Archen und Arke (Haupts Zeitschrift 4, 386) aber stimmen zu der angelsächsischen Erce, eordhan môdor, und hiernach ließe sich eine weibliche Era vermuthen, welche neben dem männlichen Ero stünde wie Freyja neben Freyr, Fricca neben Fricco, Gode neben Wodan, Nerthus neben Niördhr, vielleicht auch Zisa neben Zio. – Ein gleiches Götterpaar scheint Muota und Muot gewesen zu sein: Muot hieß nach dem schwäbischen Muates heer (Myth. 883) der wilde Jäger; Frau Motte aber wird man besser durch Frau Muota, niederdeutsch Môda, erklären als nach Analogie von Frau Nachtigall, Frau Meise und dergleichen für einen scherzhaften Ausdruck (Domina Tinea) halten. Wenn Muot, wie es scheint, Wodan selbst ist, so stimmt Frau Motte genau zu Frau Gode.

       Mündlich aus Diemitz bei Halle

      In den Zwölften hört man bei Nacht oft ein wunderbares Rauschen in der Luft. Dann freuen sich die Landleute; denn sie wissen daß ein fruchtbares Jahr folgt, und daß noch außerdem Manchem von ihnen ein unverhofftes Glück begegnen wird. Dann nämlich fliegt eine Frau, die nur in den Zwölften auf Erden erscheint, in Gestalt einer Taube durch die Luft. Die Taube ist nicht größer als gewöhnliche Tauben; doch wenn sie die kleinen Flügel schlägt, saust die Luft weit hinter ihr her, daß man es wohl eine Viertelmeile weit hört. An ihren Füßchen schleppt die Taube ein kleines, niedliches Stühlchen, aus feinem Rohrschilf geflochten, und wenn sie müde wird, stellt sie das Stühlchen auf den Boden, setzt sich darauf und ruht aus: die Erde oder was zur Erde gehört berührt sie nie. Wo sie sich nun so niedergelassen hat, da grünt und blüht es im folgenden Sommer am Schönsten; überall aber, wo sie vorüberzieht, werden die Felder fruchtbar und die Menschen mit vielfachem Glücke gesegnet. Am Morgen des Dreikönigstages wird die Taube wieder zur Frau; doch verschwindet diese alsbald und wird das ganze Jahr nicht gesehen. Wo sie sich das Jahr über aufhält und wer sie ist weiß Niemand.

       Anmerkung:

       In dem Gedichte von Friedrich von Schwaben kommt Angelburg, Friedrichs Geliebte, mit zwei anderen Jungfrauen in Taubengestalt durch die Luft geflogen. An einer Quelle lassen sie sich nieder, verwandeln sich in Mädchen, legen die Kleider ab und baden sich in der Flut. Friedrich raubt die Gewänder und bekommt, wie es in Sagen von Schwanjungfrauen geschieht, dadurch die Mädchen in seine Gewalt. Da er unter dem Namen Wieland die verlorene Geliebte sucht, ist, wie schon W. Grimm (Deutsche Heldensage S. 402) bemerkt, ein Zusammenhang dieser Sage mit der im eddischen Wielandsliede erhaltenen unzweifelhaft, und die Tauben des deutschen Gedichtes stehen den nordischen Schwänen

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