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größeren Ausmaßes direkt auf der Bank. Nach einer relativ kurzen Schleppzeit ließ er das Fanggeschirr hieven. Hundertzwanzig Körbe mit großem Kabeljau wurden an Deck gehievt. Bis zum späten Abend kamen noch vierhundertzwanzig Körbe Kabeljau und Rotbarsch dazu, die bearbeitet werden mussten.

      Um Mitternacht trat das Schiff die Heimreise an. Kapitän und Besatzung waren mit dem Fangergebnis zufrieden. Die Menge und die Qualität des gefangenen Grönlandkabeljaus sicherten allen einen guten Verdienst.

      Die körperlichen Anstrengungen bei der Enteisung und die Angst vor dem Kentern des Schiffes hatten die Decksleute schnell vergessen. Alle freuten sich auf die baldige Heimkehr und das Zusammensein mit ihren Angehörigen.

      WILLI HAT EIN PROBLEM

      Es war ein schöner Sommerabend. Das Treibnetz war ausgesetzt. Der Logger „Adele“ trieb vor der Fleet.

       Logger Adele vor der Fleet

      Warme Lufttemperaturen, ein klarer Sternenhimmel und ein schwacher Wind aus Nordwest sorgten für eine gute Stimmung unter den Decksleuten. Der am Tag gefangene Hering war gekehlt, gesalzen, in Fässer gepackt und im Laderaum verstaut worden. Die Decksleute erholten sich lang ausgestreckt oder am Schanzkleid sitzend auf dem Backdeck, rauchten Zigaretten und tranken Bier, besprachen diese und jene Dinge, die sie interessierten. Einige spielten Karten.

      Paul Thiel, der Kapitän, und Willi Fretwurst, der Koch, waren alte Bekannte. Beide kamen aus Ribnitz, waren dort aufgewachsen und gemeinsam zur Schule gegangen.

      Paul Thiel hatte seine nautische Befähigung bei der deutschen Kriegsmarine erworben. Er stammte aus einer Fischerfamilie, die traditionell Jahrzehnte lang im Saaler Bodden fischte. Sein Wissen und seine Fähigkeiten über den Fischfang hatte er hier erworben. Paul Thiel war ein großer breitschultriger Mann mit lockigem, rostrotem Haar. Seine körperliche Größe und Fülle sowie seine überdurchschnittlichen Kenntnisse und Fertigkeiten im Fischfang flößten allen Decksleuten Respekt ein.

      Willi Fretwurst diente während des Krieges auf verschiedenen Marinefahrzeugen. Hier war er häufig als Koch tätig gewesen. Auf diesen, oft kleinen Fahrzeugen, erwarb er seine Qualifikation zur Beköstigung der Besatzung. Er war ein mittelgroßer, dicker, kräftiger Mann mit Glatze, der immer Schwierigkeiten hatte, durch das Mannloch zwischen Proviantlast und Kombüse zu steigen, wenn er den Trockenproviant für den kommenden Tag brauchte. Gemüse, Obst und Kartoffeln lagerte der Koch auf dem Bootsdeck zwischen den Rettungsbooten, Frischfleisch und Wurst in Aluminiumwannen im vorderen Eisraum auf einer mit Stückeneis gefüllten Hocke. Der Herd wurde mit Briketts geheizt. Nicht selten hatte Fretwurst das Aussehen eines Heizers, wenn bei schlechtem Wetter der Abzug des Herdes nicht richtig funktionierte. Die Kombüse hatte einen Zugang zur Messe und ein Außenschott, das der Koch bei mäßigem Wind von vorn offen hielt. Die Besetzungsvorschriften verlangten aufgrund des Arbeitsanfalls in der Kombüse und Messe die Musterung eines Kochsmaates. Fretwurst arbeitete mit Zustimmung des Kapitäns ohne Kochsmaat. Von der Reederei erhielt er am Ende der Fangreise die vorgesehenen finanziellen Zuschläge des Kochmaates ausgezahlt. Unterstützung erhielt Willi Fretwurst täglich durch Olaf, einen Auszubildenden, der zu festgelegten Zeiten Küchenarbeiten verrichten musste. Olaf war mit dieser Regelung nicht einverstanden.

      „Kapitän, in meinem Ausbildungsvertrag steht nichts über Küchenarbeiten“, sagte Olaf zaghaft.

      „Das Heuerbüro hatte am Auslauftag keinen Kochsmaat zur Verfügung. Essen und Geld verdienen wollen wir alle. Einer muss dem Koch helfen. Du bist der Beste“, lobte ihn der Kapitän.

      Olaf fühlte sich geschmeichelt und meldete sich beim Koch. „Zum Abendbrot gibt es sauer eingelegte Bratheringe und Bratkartoffeln. Beeil dich. Es ist noch ein halber Eimer mit gekochten Kartoffeln zu pellen“, war die schroffe Order des Kochs.

      Olaf nahm den Eimer mit Kartoffeln, verließ die Kombüse durch das Außenschott und begann sitzend auf einem Hocker die Kartoffeln an der frischen Seeluft zu pellen. Wiederholt wurde er vom Koch angesprochen, sich zu beeilen.

      „Beeil dich“, rief der Koch und zeigte auf die Uhr in der Messe.

      Olaf war sauer. Er wusste von den Decksleuten, dass der Koch auf die Musterung eines Kochsmaates verzichtet hatte, um mehr Geld zu verdienen. Dies war nur mit Unterstützung des Kapitäns möglich. Olaf nahm sich bei seiner Tätigkeit viel Zeit. Willi Fretwurst wurde wütend und drohte Olaf mit allen möglichen Schikanen. Letztlich pellte Fretwurst den Rest der Kartoffeln selbst. Olaf meldete sich zum Brückenwachdienst und versah wieder seine Aufgaben als Ausguck.

      „Kartoffel pellen muss gelernt sein“, hatte Olaf dem Koch auf seine Drohungen immer wieder geantwortet. Die Unzufriedenheit beider führte wiederholt zu Spannungen und Reibungen.

       *

      Das Abendessen, eingelegte Bratheringe und Bratkartoffeln, hatte der Koch pünktlich zubereitet. Die Decksleute kamen in die Messe, holten sich ihr Besteck aus einer Schublade und setzten sich auf die Bänke beidseitig der Back. Willi Fretwurst füllte die Teller.

      Olaf reichte die Teller mit Bratkartoffeln und Bratheringen den an der Back sitzenden Decksleuten.

      „Nimm deinen schmutzigen Daumen vom Teller“, ermahnte der Netzmacher Olaf.

      „Du musst den Teller auf der Innenhandfläche tragen“, war der Hinweis des Kochs. Olaf hielt sich an die Weisung und bediente alle Männer wie gewünscht.

      Auf der Back befanden sich zwei nasse Feudel, auf denen Schüsseln für die Gräten standen. Eingelegte Heringe gab es genug. Fretwurst wurde wiederholt von den Decksleuten für das wohlschmeckende Abendessen gelobt. Nach dem Abendbrot verließen die Decksleute die Messe. Jetzt waren Willi Fretwurst und Olaf dran, denn der Kapitän, die Steuerleute und das Maschinenpersonal hatten noch vor den Decksleuten zu Abend zu gegessen.

      „Seit heute früh habe ich Magenschmerzen. Es ist bestimmt eine Entzündung der Magenschleimhaut“, klagte Fretwurst.

      „Was ist die Ursache der Entzündung?“, fragte Olaf den Koch argwöhnisch.

      „Zur Magenschleimhautentzündung kommt es häufig nach übermäßigem Alkohol- oder Nikotingenuss und Stress. Der Maschinist hatte mich und seinen Maschinenassistenten gestern Abend zum Skatspiel in seine Kammer eingeladen. Wahrscheinlich habe ich zu viel getrunken von seinem Schnaps und Bier“, jammerte der Koch und trank mit der Einnahme des Abendessen eine „Muck“ voll mit leicht gesüßtem Tee.

      „Es wäre besser gewesen, wenn Sie keine Bratheringe und Bratkartoffeln heute Abend gegessen hätten“, sagte Olaf und meinte es ehrlich. „Herr Fretwurst, Sie müssen Diät essen“, empfahl Olaf.

      Der Brechreiz und das Druckgefühl in der Magengegend steigerten sich bei Willi Fretwurst bis zur Übelkeit. Er musste brechen. Schnell lief er zur Toilette, die sich auf der Backbordseite des Betriebsganges befand. Das gerade verzehrte Abendessen erbrach er durch den Mund und die Nase.

      Willi Fretwurst spukte mit dem Abendessen auch seinen Zahnersatz aus. Alles verschwand im Fallrohr der Toilette. Für den Koch brach eine Welt zusammen. Der Mund war durch die fehlende Prothese entstellt. Er traute sich nicht in den Toilettenspiegel zu schauen. Hässlich sah er aus. Olaf, der nach ihm schaute, traute seinen Augen nicht. Die Wangen des Kochs waren eingefallen und blass. Der Koch hatte Sprachschwierigkeiten, sabberte und lispelte. Olaf lief zum Kapitän und informierte ihn über das Geschehene. Paul Thiel verließ eilig den Brückenraum, nachdem er die Wache an den Zweiten Steuermann übergeben hatte, und eilte zur Toilette. Dort fand er den jammernden Koch in einem erbärmlichen Zustand. Thiel packte ihn an den Schultern und schob ihn aus dem Toilettenraum in den Betriebsgang.

      „Geh in deine Kammer! Deine ‚Beißer‘ werden wir finden“, tröstete Paul Thiel den Koch.

      „Bringe mir den Schlüssel für die Toilette aus dem Schlüsselkasten im Brückenraum und informiere den Bestmann, den Netzmacher und den Ersten Maschinisten.

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