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diesen Worten stürzt die Hochstimmung im Raum wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Petrus’ Kopf zuckt nervös. „Nein, Meister!“, seine Stimme überschlägt sich. „Das werden wir verhindern. Wir sind fast am Ziel. Das Volk ist auf unserer Seite. Du hast den Jubel doch gesehen.“ Hilfesuchend blickt Petrus um sich. Einige Köpfe nicken, einige Schultern zucken. Blicke wechseln hin und her.

      Jeshua kennt diese Stimme. Sehr genau sogar. Das erste Mal hat er sie in der Wüste gehört. Nach seiner Taufe. Er hatte sie damals nicht gleich erkannt. Aber heute – heute erkennt er sie sofort. „Das Weizenkorn muss sterben, Petrus, sonst bringt es keine Frucht. Alles andere ist menschliches Denken.“

      Die Verwirrung ist den Männern in die wettergegerbten Gesichter geschrieben. Das ist nicht der Kampf, den sie kämpfen wollen. Sie wollen Triumph, nicht Tod.

      Traurigkeit überkommt Jeshua. Sie verstehen es nicht. Können es nicht verstehen. Noch nicht. Aber die nächsten Jahre werden sie lehren, was das Reich Gottes bedeutet. All ihre Gottesbegeisterung wird zerschlagen werden. Sie werden ausgegossen werden, und sie werden – wie er – so zum Geschenk an die Menschen. Sie werden sich nicht mehr selbst gehören. Sie werden nicht mehr Herren eines „Feldzuges der Wahrheit“ sein, sondern Sklaven des Himmels. Jeder von ihnen wird erneuert werden. Aber jetzt, jetzt glauben sie noch an ihre Kraft. An die Kraft ihres Glaubens. Aber sie werden ihrem Meister in den Zerbruch folgen. In Leib und Leben werden sie verwandelt werden. Brot und Wein. Jetzt wollen sie für die Ausbreitung des Gottesreiches kämpfen. Dann aber werden sie selbst dieses Reich sein.

      Jeshua nimmt das Brot. „Nehmet; das ist mein Leib.“ Er reicht es Judas. Erschrocken blickt der Zelot ihn an.

      Verwirrung mischt sich in das Dunkel der Kampfeslust seiner Augen. „Nimm, Judas. Es muss sein.“

      Das Schweigen hat den Rausch der Begeisterung unter sich erdrückt.

      „ Freunde - “, er lässt die Mazza sinken. „wann wollt ihr endlich verstehen: Ich bin das lebendige Brot, das eigentliche Manna, das vom Himmel gekommen ist. Und dieses Brot hier“ – er hält die Mazza hoch – „ist mein Fleisch, das ich schon sehr bald geben werde.“

      Das ist mein Vermächtnis an sie: Hingabe. Auflösung in Gott. Wiedereinsetzung des Menschen als Mensch. Mehr noch: Vereinigung des Nicht-Vereinbaren. Ich bin nur der Erste von vielen. Pionier der Selbstauflösung. Auch sie werden im Laufe ihres Lebens nicht am Tod ihres Fleisches vorbeikommen.

      „Nehmt dies als Zeichen eurer Bestimmung.“

      Zögernd nimmt Judas das Stück Mazza aus der Hand des Meisters, isst davon. Einer nach dem anderen steckt es sich zaghaft in den Mund. Und in der Stille ist nichts zu vernehmen als das Knacken des Feuers und des dünnen Brotes beim Kauen.

      Danach nimmt Jeshua den Kelch mit dem Wein: „Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“

      Vollkommene Stille im Raum. Alle spüren, dass dies ein seltsamer, ein großer Moment ist, und irgendwie macht er ihnen Angst. Sie spüren diffus, dass ab jetzt nichts mehr so sein wird wie zuvor.

      Albrecht Gralle

       verworfen

      Ich werde ein Bad nehmen. Und danach ein paar Stunden schlafen. Es ist vorbei. Pilatus hat nachgegeben. Jeshua, der Gotteslästerer, der Durcheinanderbringer, wird gekreuzigt. Endlich! Ein Albtraum geht zu Ende.

      Es klopft. Ich will meinen Sklaven zurückhalten, damit er keinem Fremden öffnet, weil ich keine Kraft zu neuen Auseinandersetzungen habe, aber er ist schon an der Tür.

      Ich höre eine Männerstimme und erkenne den tiefen Bass von Jitzhak, meinem Freund aus Cäsarea. Nun gut, Jitzhak kann ich noch ertragen.

      Er scheint erregt zu sein, und ich lasse eine Karaffe mit verdünntem Wein, eine Schale mit Datteln, gedörrten Lammstreifen und einer Soße aus gewürztem Olivenöl kommen.

      Es ist sonst nicht Jitzhaks Art, mit der Tür ins Haus zu fallen, aber nach dem ersten Schluck bricht es schon aus ihm heraus: „Wie ich gehört habe, ist der Prophet zur Kreuzigung verurteilt worden!“

      „Natürlich!“, sage ich. „Schließlich ist er ein Gotteslästerer!“

      „Aber warum? Was hat er denn gesagt?“

      „Jitzhak, ich weiß, du hast immer Sympathien für den Galiläer gehabt, aber was zu viel ist, ist zu viel. Er hat sich doch tatsächlich heute Nacht mit dem Menschensohn aus dem Buch Daniel identifiziert, mit diesem endzeitlichen Richter, der mit den Wolken des Himmels kommen soll. Das können wir nicht dulden! Auch wenn ich als Sadduzäer die Propheten für nicht so bedeutend halte, ist es eine Anmaßung.“

      „Und wenn er nun wirklich der Messias ist, Kajafas? Wenn er tatsächlich eines Tages in der Lichtwolke erscheinen wird, was dann? Hat er nicht Kranke geheilt? Tote auferweckt?“

      Ich schüttele den Kopf. „Krankenheilungen, Totenauferweckungen und Exorzismen machen auch andere Wanderrabbis, und der Trick mit dem verfaulten Schafsfleisch im Grab des angeblich toten Lazarus, damit es nach Leiche stinkt, ist leicht zu durchschauen, ein perfektes Spektakel!“

      „Hast du ihn einmal reden hören? Jeshua redet schlicht und gleichzeitig tiefsinnig. Das Herz geht dir dabei auf.“

      Ich seufze. „Natürlich habe ich Jeshua beobachten lassen und ihn gelegentlich auch heimlich selbst gehört. Zugegeben, er hat eine Rednergabe und spricht sehr anschaulich, obwohl er heute Nacht meistens geschwiegen hat, aber er kann auch seine Feinde mit ein paar Sätzen fertigmachen, so, wie er es mit mir gemacht hat. Inzwischen lachen alle über mich!“

      „Er hat sich über dich lustig gemacht?“

      Ich spüle die Dattelreste mit einem Schluck Wein hinunter.

      „Ich bin erledigt, Jitzhak. Niemand nimmt mich ernst, äußerlich schon, aber sonst …? Ich sage dir: Der Galiläer ist ein einziger Albtraum für mich! Oder er war es.“

      „Warum?“

      Ich lehne mich vor, innerlich erregt, wenn ich an diese Beleidigungen denke. „Pass auf. Neulich erzählte er die bekannte Geschichte von dem armen Gelehrten aus Aschkalon und dem reichen Steuereintreiber Bar-May‘an, deren Schicksal sich nach dem Tod umdreht. Der Arme befindet sich plötzlich in Abrahams Schoß und der Reiche in der Scheol, wo er leidet.“

      „Ja, die Geschichte kenne ich. Stammt sie nicht aus Ägypten?“

      „Richtig. Ägyptische Juden haben sie mitgebracht. Aber Jeshua erzählte die bekannte Geschichte ganz anders.“

      Ich sehe, wie Jitzhak mit den Schultern zuckt. „Na und? Dir kann das doch gleichgültig sein, du gehörst zu den Sadduzäern, ihr glaubt doch sowieso nicht an ein Leben nach dem Tod.“

      „Wart‘s ab … also, Jeshua lässt in seiner Version der Geschichte einen todkranken, unreinen Bettler mit offenen Wunden, der noch dazu von unreinen Tieren abgeleckt wird, vor der Tür eines Reichen ablegen. Sein Name: Lazarus oder Elieser … Hilfe Gottes. Der Reiche bekommt bei Jeshua keinen Namen. Jedenfalls mit einem unreinen Bettler vor der Tür ist der Reiche ruiniert. Welcher fromme Jude wird ihn jetzt noch aufsuchen wollen? Alle haben Angst, dass die Hunde ihre Sandalen berühren. Natürlich wird der Reiche den Armen nicht noch weiter am Leben erhalten wollen, indem er ihm die Abfälle gibt. Du weißt doch, bei unseren Festen wischt man sich manchmal die Fetthände mit Brotfladen ab.“

      „Keine gute Sitte. Aber klar, der Reiche hofft, dass der unreine Bettler bald stirbt, damit er diesen Skandal loswird. Warum lässt er ihn nicht entfernen?“

      „Keine Ahnung. Aber hör weiter zu: Nun lässt Jeshua in seiner Geschichte die beiden sterben, und sie kommen wie in der bekannten Version an unterschiedliche Orte. Der Reiche bittet Abraham um Linderung und sorgt sich um seine fünf Brüder oder Schwäger, dass sie

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