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deine Uroma.« Seine Augen glänzten. »Ich vermisse sie. Egal, jedenfalls sagte sie etwas, als ich an dem Abend gerade das Zimmer verlassen wollte. Sie sagte, ›Noble, lass sie gehen, wenn die Zeit gekommen ist, hörst du mich? Sie wird das Herzogtum wieder aufrichten.‹ Dann murmelte sie wieder etwas darüber, dass du ihre Prinzessin seist.«

      »Das Herzogtum wieder aufrichten?« Reggies Stimme hob sich voller Verwunderung. »Was hat das zu bedeuten?«

      »Genau. Ich habe es abgetan«, sagte Daddy. »Ich dachte, vielleicht zitierte sie auch aus Der Krieg der Sterne oder so. Wir hatten gerade einen Filmmarathon mit Sadies Neffen hinter uns.« Er sah seine Frau an. »Weißt du das noch, Sadie?«

      »Daddy, hast du dir die Sache nicht wenigstens einmal angeschaut?« Reggie strich sich mit den Fingern durchs Haar. Sie wollte wirklich gerne duschen, sich warmes Wasser übers Gesicht laufen lassen und die Reste der Schmiere abwaschen. Und die Reste dieses Gesprächs. Sie musste nachdenken.

      Uroma … Hessenberg … Die Sache mit dem Abkommen.

      »Nein, Reg, tut mir leid. Das habe ich nicht. Uroma und dich mit einem europäischen Königshof in Verbindung zu bringen war ungefähr so, als würde man eine Leiter zu den Sternen bauen wollen. Unmöglich. Ich kannte Alice Edmunds 15 Jahre lang, und sie hat über das, was ich dir gerade erzählt habe hinaus, nie angedeutet, adlig zu sein oder so etwas. Und deine Mama ebenso wenig.«

      »Die Wahrheit ist nun aber, dass Alice Edmunds adlig war.« Mr. Burkhardt studierte Reggies Gesicht. »Und Ihre Tochter ist ihre Erbin. Alice hatte Recht. Ihre Tochter ist diejenige, die Hessenberg zu seinem souveränen Status zurückverhelfen kann. Uns unser Herzogtum zurückgeben, wenn man so will.«

      Daddy konzentrierte sich schweigend darauf, sein nächstes Minzbonbon auszupacken. »Und Sie wollen mir nun sagen, dass die Zeit dafür jetzt gekommen ist, Mr. Burkhardt?«

      »Ja, ganz genau.« Mr. Burkhardt wies auf die Dokumente, die auf dem Tisch lagen. »Wir haben alles hier. Die Vereinbarung zwischen Brighton und Hessenberg endet am 22. Oktober um Mitternacht. Wenn es keinen Erben auf dem Thron Hessenbergs gibt, wird Hessenberg vollständig zu einer Provinz von Brighton. Ungefähr so, wie die Normandie eine Provinz von Frankreich ist oder die Toskana eine Provinz von Italien. Es wird seinen Status als souveräne Nation verlieren. Für immer. Es sei denn, Hessenberg wäre bereit, den Krieg zu erklären und sich die Unabhängigkeit unter Blutvergießen zurückzuerobern. Und das ist zu diesem Zeitpunkt keine Option.«

      Reggie stand auf und begann, um den Tisch herumzutigern. »Das hoffe ich doch sehr, dass das keine Option ist, Mr. Burkhardt.« Sie war es leid, ihn so förmlich anzureden, aber solange er sie Miss Beswick nannte, würde sie ihn Mr. Burkhardt nennen. »Warum können Sie das Abkommen nicht einfach für nichtig erklären? Die Männer, die die Vereinbarung getroffen haben, sind doch alle tot.«

      »Das ist keine Übereinkunft, die ein paar Jungs auf dem Schulhof getroffen haben. Handschlag, draufgespuckt, fertig. Es ist ein bindendes Abkommen. Mit allen Rechten und Einschränkungen, anerkannt durch die europäischen Gerichte. Wir können das Abkommen nicht einfach für nichtig erklären. Die USA haben Ihre Verfassung ja auch nicht für nichtig erklärt, nur weil die Männer, die sie unterzeichnet haben, alle tot sind.«

      »Ich verstehe nicht, warum das so wichtig ist. Sie sind hundert Jahre lang von Brighton regiert worden. Wäre es da so schlimm, wenn Hessenberg dauerhaft ein Teil Brightons würde?«

      »Wenn es Ihnen recht ist«, Mr. Burkhardts Miene wurde eisern, »dann würden wir gerne eine selbstständige Nation bleiben. Unser eigenes Schicksal bestimmen. Die Menschen von Hessenberg sind ein patriotisches und stolzes Volk. Auf einer praktisch greifbareren Ebene verschmelzen außerdem zwei Volkswirtschaften ineinander. Es ist der Wunsch beider Länder, dass Hessenberg mit dem Ende des Abkommens wieder zu einer vollwertigen, unabhängigen und souveränen Nation wird.«

      »In Ordnung, und wo kommt da nun meine Reg ins Spiel?« Daddy warf das Bonbonpapier in den Mülleimer. Als er den Eimer verfehlte, warf Sadie einen entsprechenden Kommentar hinterher. »Und mal ehrlich, woher wissen wir denn, dass Sie echt sind? Woher wissen wir, dass diese amtlich aussehenden Papiere nicht gefälscht sind?«

      »Das sind gute, vernünftige Fragen.« Mr. Burkhardt überflog die Dokumente, die auf dem Tisch lagen und suchte eins aus, das er Daddy vorlegte. »Sehen Sie mal hier, das hier ist das Monogramm des Königs, und hier ist sein Siegel.«

      Reggie hörte mit halbem Ohr zu und nutzte den Augenblick, um den Besucher aus Hessenberg mit ihren Herzensaugen zu studieren. Welchen Anteil hatte er an dem Ganzen? War das einfach nur ein Auftrag von vielen für ihn? Folgte er nur einer Anweisung des Königs? Aber wenn Hessenberg sich von Brighton lossagen würde, wäre dieser nicht mehr Mr. Burkhardts König.

      Erhoffte Mr. Burkhardt sich eine Beförderung, wollte er eine bestimmte Position erlangen, oder war er einfach nur ein loyaler Diener? Da traf Reggie eine Erkenntnis mitten ins Herz …

      »Wenn ich das mache, bin ich dann Ihre Chefin?«

      Er sah zu ihr hinüber, sein Ausdruck, die klare Linie seines markanten Kinns zeigten keinerlei Hinweis auf seine Gefühle. Nichts jenseits der Oberfläche. Er sah gut aus, hatte den Körper eines Athleten mit dem Auftreten eines weltgewandten Anzugträgers.

      »Sie werden meine Regentin sein, ja.«

      »Und damit kämen Sie zurecht? Mit mir? Eine Autoliebhaberin, die sich über ihr Wahlrecht hinaus wenig aus Politik macht, soll Ihnen sagen, was Sie zu tun und zu lassen haben?«

      Er richtete sich auf. »Wenn ich Ja sage, kommen Sie dann mit nach Hessenberg?« Tiefe Stimme, ganz sachlich, außerordentlich ernst.

      »Lächeln Sie eigentlich überhaupt mal?«, fragte Reggie.

      Ein sehr weiches, schwaches Lächeln huschte über seine Lippen. »Wenn ich Ja sage, kommen Sie dann mit?«

      »Kommt darauf an.« Sie verschränkte die Arme. »Sie haben heute Abend doch die Corvette auf dem Hof gesehen, oder?«

      »Welche Corvette?«, fragte Daddy.

      »Oh, Daddy.« Aufregung sprudelte in ihrer Brust. »Hast du Urban Jessup mal getroffen? Er ist einer von Marks Freunden.«

      »Dieser Überflieger-Anwalt aus dem Serienmörder-Prozess?«

      »Ja, den meine ich. Egal, der jedenfalls hat einen 53er Vet gekauft. Einen von den Originalen.«

      »Ho, ho, ho, Reg.« Ein Funkeln leuchtete in Daddys Augen. »Eines deiner Traumautos. Gott lächelt dich an!«

      »Ich konnte es nicht glauben, als er damit auf den Hof fuhr. Und stell dir vor, er wollte ihn selbst restaurieren.«

      »Und du hast ihn davon abgebracht.«

      »Jawoll, das habe ich!« Daddy gab Reggie ein High Five.

      »Miss Beswick.« Mr. Burkhardt atmete aus, und es klang stark danach, als wäre das beinahe sein letzter Atemzug. »Wir brauchen Sie umgehend in Hessenberg.« Nicht eine Spur war übriggeblieben von dem Versuch eines Lächelns.

      »Für wie lange? Was muss ich tun?« Reggie wandte sich ihm wieder zu. Al und die Jungs würden schon einmal mit dem Vet anfangen können. Sie würde Urban nur ungern warten lassen. Und für die spaßigen Sachen wäre sie ja längst wieder zurück.

      Außerdem wäre es schon irgendwie cool, Uromas Geburtsort zu besuchen und ein bisschen ihre eigenen Wurzeln und ihr, na ja, Erbe, kennenzulernen.

      »Sie werden …« Mr. Burkhardt blätterte durch die Papiere und zeigte erste Anzeichen eines feinen Risses in seiner stählernen Fassade. »Das ist jetzt ein bisschen heikel.«

      »Eben war es doch noch nicht heikel.«

      Er erwiderte ihren Blick, und sein Selbstvertrauen kehrte zurück. »Das wird sich in Ihren Ohren als Amerikanerin jetzt ungewöhnlich anhören, aber Sie werden sich darauf vorbereiten, den Eid auf die Krone zu schwören. Dann werden Sie Ihren Platz als Staatsoberhaupt einnehmen, und

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