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Opak. Matthias Falke
Читать онлайн.Название Opak
Год выпуска 0
isbn 9783957770486
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Издательство Автор
Groenewold äußerte ein ungutes Gefühl über diesen Flug aus der Ekliptik hinaus; sie mutmaßte sogar, es handle sich um ein heimtückisches Manöver des Objektes, das uns aus dem Sonnensystem hinauslocken und uns die Möglichkeit entziehen wolle, durch Ansteuern eines Planeten energiearm zu navigieren. Der Commander nahm dazu nicht Stellung. Er hatte die Brücke sofort nach Abschluss des Swing-by-Manövers verlassen. Theresa übergab an die Automatik und tröstete die Zweite Offizierin.
»Die Bahn ist wesentlich sicherer als die herkömmlichen Routen, weil sie den Asteroidengürtel vermeidet und außerdem nur um drei Bogengrad gegen die Ekliptik verkippt, sodass wir spätestens nach dem Sonnendurchgang ohne Treibstoffverlust auf die Erdbahn einschwenken können. Vielleicht ist das Opak sogar ein recht intelligentes Objekt; zumindest benutzt es eine ökonomische und risikoarme Passage durch unser inneres System.«
»Ich warne davor, als Handlung aufzufassen, was bisher reines Geschehen ist und keinerlei Bewusstsein hat erkennen lassen.« Silesio hatte sich ebenfalls erhoben und seinen Sessel wegschwenken lassen. Er biss sich an einem Zigarillo fest und verschraubte die Arme hinter dem Rücken. »Das Ding, und selbst diese Bezeichnung ist wohlwollend, hat seit seiner Erfassung keine Bahnkorrekturen oder sonstige kybernetische Aktionen durchgeführt. Zumindest in der Großzügigkeit des statistischen Mittels verhält es sich wie ein ungesteuertes Teilchen, am ehesten vielleicht wie ein Elektron auf seinem Weg durch einen widerstandsarmen Leiter.«
»Aber wozu muss es seine Bahn ändern, wenn diese von Anfang an sinnvoll und intelligent eingerichtet war.«
»Es hat im Augenblick nicht mehr Intelligenz und Sinn verraten als ein Komet, der stumpfsinnig die Sonne umrundet und irgendwann verglüht.«
»Aber warum muss es seine Intelligenz verraten?«
»Es muss gar nichts.« Silesio sah Gus nach, der sich mit angeekeltem Gesichtsausdruck in Richtung Messe begeben hatte. »Es würde mir lediglich leichterfallen, es als Subjekt einer Handlung anzuerkennen, wenn es in irgendeiner Form Handlung im Sinne von zielgerichtetem Verhalten vollführen würde.«
»Du bist ein Thomas und Häretiker, guter Silesio. Warum wollt ihr immer noch, dass das Sinnhafte suspendiert wird, um sich euch als Sinnhaftigkeit zu offenbaren. Warum muss Gott, der die Naturgesetze geschaffen hat, die Naturgesetze aufheben und Wunder vollbringen, um euch von seiner Existenz zu überzeugen. Warum soll der Schöpfer seine Schöpfung durchkreuzen, um sich seinen Geschöpfen zu erkennen zu geben?«
Groenewold atmete tief durch und verknäuelte ihre Hände auf dem Armaturenbrett, dessen geschäftige Anzeigen zwischen ihren Fingern tickerten.
»Was ich sagen will: Wenn wir hier kurzatmig herumkreuzen, obwohl wir keine AE am Stück ohne Korrekturmanöver zustande bringen, so rechnen wir uns das als technische Meisterleistung an; warum soll eine überlege Entität nicht störungsfrei und ohne Hakenschlagen durch unser mickriges System kommen, indem es sich seine Bahn eben schon vorher zurechtgelegt hat?«
»Der Schöpfer muss seine Schöpfung nur aufheben und Wunder vollbringen, wenn er sich mir offenbaren will. Denn ich muss sehen, dass er über seine Schöpfung souverän ist.« Silesio war auf seiner Wanderung durch das Cockpit stehen geblieben und sah unverwandt die Sterne jenseits der Scheiben an, die in ihrem obsidianschwarzen Futteral aus leerem Raum nicht flimmerten. »Aber ich glaube nicht, dass wir das Opak in Kategorien von handelnd oder nichthandelnd, wollend oder nichtwollend erfassen können. Es ist nach all dem, was ich aus den Protokollen entnommen habe, während ihr bewusstlos auf dem Schlafdeck lagt, etwas radikal anderes, das unsere geistigen Ordnungsgefüge übersteigt.«
»Glaubst du, dass es uns derartig überlegen ist?« Evchen hatte einen frostigen Belag auf der Stimme.
»Aber nicht überlegen in einem technischen oder intellektuellen Sinn; einfach nur: anders.«
Die folgende Woche verging in gereizter Langeweile und überdrüssiger Routine. Die Crew stand in beständigem Funkverkehr mit den Beobachtungsstationen auf Luna, die uns die aktuelle »Position« – wenn man es so hätte nennen können – des Opak übermittelten. Die Bugscanner und das Vorwarnradar tasteten den Raum ab und durchleuchteten die von der Onlineautomatik permanent aktualisierten Quadranten, aber sämtliche Ergebnisse blieben negativ.
Langsam und geradezu quälend schob die Dorset sich, ferngesteuert von der Basis auf Luna, an das Objekt heran, das in seinem Oszillieren nach wie vor riesige Sprünge und Verschiebungen von hunderttausenden von Kilometern aufwies. Carlssen und Theresa lösten sich alle sechs Stunden auf der Brücke ab, obwohl es wenig zu tun gab, da die Dorset vom Autopiloten beharrlich an die virtuelle Durchschnittsbahn des Opak, die man dazu aus einem Sieben-Tage-Mittel errechnete, herangeführt wurde. Groenewold überwachte die Datenströme, die mit den externen Stationen ausgetauscht wurden, während Gus sämtliche Frühwarngeräte und vor allem das DeepField-Radar endlosen Prozeduren und Selbsttests unterzog, um instrumentenverschuldete Fehler so gut wie möglich ausschließen zu können. Dennoch blieben unsere Schirme leer und nicht nur Groenewold verfiel allmählich in Ratlosigkeit.
Am achten Tag nach dem Jupiter-Swing-by hatten sie sich auf hunderttausend Kilometer genähert. Commander Carlssen übernahm das Schiff in manueller Steuerung und löste Alarmstufe 1 aus. Alle Schotten blieben geschlossen, sämtliche Besatzungsmitglieder mussten auch außerhalb der Dienstzeiten in Bereitschaft bleiben. Die diensthabende Crew durfte die Brücke nicht verlassen. Gus protestierte halbherzig gegen das Alkoholverbot, weil er gewohnt war, sich nach seiner Zwölfstundenschicht mit ein paar Bierchen in seine Kabine zurückzuziehen. Für den Beginn der ersten Schicht, die Carlssen am nächsten Tag übernehmen würde, war das Rendezvous angesetzt.
»Was ist, wenn es einen seiner unkontrollierten Sprünge vollführt und uns dabei anrempelt?«
»Die durchschnittliche Oszillation liegt bei unter zehntausend Kilometern; bei einem Abstand von hunderttausend haben wir ein Kollisionsrisiko von weniger als einem halben Prozent, das ich vertreten zu können glaube. Außerdem handelt es sich um kein körperliches Objekt, das uns irgendwie ›berühren‹ könnte.«
Evchen sah nicht beruhigt aus.
»Selbstverständlich habe ich die Abschirmung aktiviert. Das Schiff bleibt auf gefechtsmäßiger Alarmstufe.«
Die Dorset bewegte sich synchron mit dem Opak, das an einem bestimmten Punkt auf neunzig Grad – drei Uhr, nannten das die Offiziere – fixiert war und das inzwischen mit dem bloßen Auge zu sehen hätte sein müssen, wenn es sich um einen Asteroiden gehandelt hätte. Da unsere Schirme, auch die der empfindlichsten Geräte, die selbst ein Staubkorn in dem bewussten Quadranten erkannt hätten, leer blieben, breitete sich eine gewisse Ratlosigkeit aus. Gus behauptete, wir wären dem aufwendigsten Aprilscherz in der Geschichte der interplanetarischen Raumfahrt aufgesessen. Commander Carlssen besprach sich mit Groenewold, die als Kopilotin seinen Schichten zugeordnet war. Die Daten, die Luna überspielte, besagten, dass das Objekt sich auf ihrer Höhe in einem durchschnittlichen Abstand von 97 500 Kilometern befand. Es waren dazu über zwanzig terrestrische und geostationäre Teleskope der verschiedensten Wellenbereiche zusammengeschaltet, wobei nur Messungen bearbeitet wurden, die von mindestens drei unabhängigen Beobachtungen bestätigt wurden. Schließlich rief Carlssen den Bordingenieur auf die Brücke und unterrichtete sich über die Funktionsweise der Instrumente. Das Opak wurde mit Breitbandscannern gesucht, die mehrere tausend Kubikkilometer Raumes durchleuchteten. Der Commander trug Gus auf, die Detektoren zu fokussieren und gezielt ein punktförmiges Datum, das er aus dem aktuellen Fünf-Tage-Durchschnitt errechnete, anzuvisieren. Es