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Minuten später heulte der Traktor in der Bretterscheune auf. Zuerst gab es ein paar Fehlzündungen dann stotterte der Motor und letztendlich tuckerte er gleichmäßig, wie eine Heuschrecke auf einer Sommerwiese. Blauer Dunst verließ den Auspuff und besiegte den lieblichen Heuduft. »Steig ein. Es geht los.« Sie legten die ersten Meter im Schritttempo zurück. Als sie die asphaltierte Straße erreichten, gab Summke mehr Gas und ihre Fahrt beschleunigte sich. Getose hob an. Ihre Sitze schaukelten wie zwei Boote bei Wellengang. Summke überschrie den Traktorenlärm: »Weißt du, früher war irgendwie alles leichter. Da waren die Feste noch richtige Feste. Die jungen Kerle haben sich um die Mädchen geprügelt und die Kinder waren noch erzogen. Was man heutzutage so alles zu Gesicht bekommt. Da weiß man nicht mehr, ob das ein Junge oder ein Mädchen ist. Die Haare lang und struppig, die Hosen drei Nummern zu eng und dafür die Jacke drei Nummern zu groß.«

      »Und kein Respekt mehr vor dem Alter.« Summke nickte zustimmend, obwohl er kein Wort verstanden hatte. Er holte erneut aus: »Und weißt du was das Schlimme ist, denen fehlt jede Achtung vor den älteren Menschen. Dabei waren es gerade die, die das alles hier aufgebaut haben. Unseren Kindern soll es mal besser gehen. Dafür haben wir gearbeitet. Aber wenn man die sieht: sinnloses Betrinken, Randalieren. Die wissen nicht wohin mit ihrer überschüssigen Energie. Wenn die den ganzen Tag auf dem Feld wären, dann würden die erst gar nicht solche Flausen in den Kopf bekommen. Die wären abends froh, wenn sie ihre Ruhe hätten.«

      *

      Das Pförtnerhäuschen zum Betonwerk wurde von einem älteren Herrn in blauer Uniform besetzt, dessen verlängerter Zeigefinger eine rot und weiß gestreifte Schranke war. Die Schranke war geschlossen und verdeutlichte, dass es für Unbefugte keinen Zutritt gab. Axel sprang vom Traktor. Der Pförtner öffnete sein Sprechfenster und hielt das Ohr an die Scheibe. »Guten Tag.«

      »Guten Tag.« schallte es teilnahmslos zurück. »Mein Name ist Weber. Ich habe einen Termin mit dem Genossen Petersohn.« Der Pförtner verzog keine Miene. Er schloss das Sprechfenster, hob das Telefon ab, bediente die Wählscheibe und unterhielt sich mit der Sprechmuschel. Als er aufgelegt hatte, öffnete er das Sprechfenster erneut und wies ihn an: »Warten Sie bitte hier, der Genosse Petersohn kommt gleich.«

      *

      Aus der Werkhalle kam ein groß gewachsener Mann mit kräftigen Schultern. Er deutete ihm an, dass sie mit dem Traktor einfahren sollten. Der Pförtner bekam das Zeichen, die Schranke zu öffnen. Langsam rollten die Traktorenreifen über die Betonplatten bis zur Werkhalle, aus der der Mann gekommen war.

      Axel stieg vom Traktorsitz. »Genosse Petersohn?«

      »Ja, Genosse Weber?«

      »Genau der bin ich. Hier ist der Bezugsschein.«

      »Das klappt ja super. Na auf die Leute aus dem Werkzeugmaschinenkombinat ist eben Verlass, sagt meine Frau immer.«

      »Ja, vielen Dank für die Unterstützung.«

      »Kein Problem. Wenn man an der Quelle sitzt, dann kann man ja auch ruhig mal ein bisschen mit Wasser spritzen, oder?«

      »Da haben Sie ganz recht.«

      »Kommen Sie hier herüber, da können wir die Steine gleich aufladen.« Sie traten in die Werkhalle wie in eine andere Welt. Große Neonröhren sorgten für Tageslichtersatz. Lärm sprang ihnen entgegen. In einer Ecke standen abholbereite Paletten mit Gasbetonsteinen. Ein handgeschriebener Zettel verdeutlichte die Eigentumsverhältnisse. Bruchsteine Petersohn. Nebenan lagen Paletten mit Gehwegplatten. »Kann man die bei Ihnen auch beziehen?«

      »Nein Genosse Weber, die sind nur zur Auslieferung bestimmt.«

      »Schade, aber nicht zu ändern. Ich bräuchte nämlich welche für eine Terrasse und einen Gartenweg.«

      »Nun, da kann ich Ihnen nur folgenden Vorschlag machen: Ich kann in Erfahrung bringen, wohin die Auslieferung erfolgt. Wenn mal in der Nähe was ausgefahren wird, sage ich meiner Frau Bescheid, ok?«

      »Das ist sehr nett von Ihnen.« Genosse Petersohn lenkte auf die reservierten Paletten: »Die Steine sind zum Vermauern noch ganz gut, aber Sie müssen beim Verfugen aufpassen, dass keine Zwischenräume bleiben.«

      »Und Sie bekommen da keinen Ärger?« Genosse Petersohn lachte: »Dann hätte ich ihn schon vor Jahren bekommen.«

      *

      Wie bekommen wir denn die Steine jetzt in den Garten?« Axel verzog das Gesicht und auch seine Kollegen Krugmann und Filkert bemerkten, dass der Gartenweg für den Traktor ein wenig zu schmal war. »Wir brauchen Schubkarren. Dann können wir die Steine aufladen und in den Garten fahren.« Axel pustete aus. »Also, wenn ihr mich fragt, ist das eine gute Idee, denn ich habe ja schon beim Aufladen geholfen. Soll ich mal Zigarren-Schmidt fragen, ob wir seine Schubkarre haben können?«

      »Vielleicht hilft er sogar beim Transport mit.«

      »Ich gehe mal hin.«

      *

      Dietmar Schmidt saß in gewohnter Pose rauchend in seinem Gartenstuhl und genoss die frische Abendluft. »Mensch Axel, macht ihr da vorne so einen Lärm?« Er lächelte und sprach im ironischen Ton weiter: »Da kann man ja gar nicht abschalten.«

      »Wir können schon dafür sorgen, dass du deinen Arbeitstag vergisst. Hilfst du beim Abladen der Gasbetonsteine für unsere Laube? Wir könnten auch deine Schubkarre gebrauchen.«

      »Aktive Erholung ist gesund.«

      »Das wollte ich als Überzeugungsargument jetzt auch gerade anbringen.«

      »Na dann wollen wir mal. Wie viele Leute sind wir denn?«

      »Eigentlich schon vier, aber der eine ist nur der Traktorfahrer. Der soll nicht mit anfassen.«

      »Wenn wir mit mir dann vier sind, die anpacken können, wäre eine zweite Schubkarre vorteilhaft.«

      »Verstehe, einer läd auf, einer läd ab und zwei fahren die Schubkarren.« Zwischen den Bäumen des Nachbargartens tauchte ein Mann in blauer Arbeitskleidung auf. Er zog einen Gartenschlauch hinter sich her und goss damit die Blumen. »Entschuldigen Sie bitte, mein Name ist Axel Weber. Wir haben den Garten neben Ihnen gepachtet.« Der Mann sah in seine Richtung und nickte selbstgefällig. »Kann ich Sie mal fragen, ob ich mir eine Schubkarre von Ihnen ausborgen darf, damit wir die Steine für unsere Laube leichter transportieren können?«

      »Ich habe keine Schubkarre.« fauchte der Mann giftig zurück.

      »Was ist denn mit dem los?« Axel wandte sich unsicher um. »Da brauchst du dir nichts draus machen, der alte Mitschorin hat sie nicht mehr alle. Das ist eine richtige mürrische Miesmuschel. Der mault alle immer nur blöd an und wundert sich, dass ihn keiner ernst nimmt.«

      »Und das macht ihn dann noch verbitterter.«

      »So sieht es wohl aus.«

      Das Transportkommando lehnte am Traktor und sonnte sich. »Hat einer von euch noch eine Schubkarre im Garten, dann können zwei Leute fahren, während die anderen beiden auf- und abladen?«

      »Ich hole schnell meine.« Jürgen Krugmann versetzte seinen Körper vom Ruhezustand in eine mittelschnelle Laufbewegung.

      Einige Zeit später hatten sie die Steine von Anhänger auf die Schubkarren und von den Schubkarren auf die Grundplatte geladen. ›Ein freundlicher Anblick‹ dachte Axel, als er die Steine mit einer Wetterfolie aus dem Betonwerk überzog. Das musste Gerda doch überzeugen.

      *

      »Ich habe noch Bier drüben.« rief Dietmar Schmidt und winkte die Kameraden zu sich in den Garten. Auf das Zischen der Kronkorken folgten das Klirren der Flaschen und die seufzenden Laute der Erleichterung aus fünf Männerkehlen. »Wie kann ich das wieder gut machen?« Axel sah zufrieden in die Runde und ließ sein schlechtes Gewissen sprechen. »Also« begann Jürgen Krugmann. »Gut machen kannst du es wohl gar nicht. Aber du kannst dich revanchieren. Ich habe eine gute Idee: Wie wäre es, wenn wir am Samstag meinen neuen Grill ausprobieren.«

      »Und ich besorge das Bier

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