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wird dann auch noch da sein. Lasst euch Zeit und wenn ihr etwas herausgefunden habt, lasst es mich wissen. Eines noch, Etwas, das wichtig für uns ist: So wie wir hier sitzen, sollten wir immer aufeinander Acht geben.“

      Dann lehnte Alvitur sich zurück und schloss sein Auge. Er sah jetzt sehr erschöpft aus.

      Hilda fühlte sich richtig durcheinander. Sie zupfte nervös an ihrer Tunika herum, stand auf und verließ mit zögernden Schritten Alviturs Hütte. Sie wollte nur noch nach Hause, oder in eine dunkle Ecke und Ruhe haben. Alviturs Worte und die rätselhafte Weissagung schwirrten wie hundert Möwen in ihrem Kopf herum.

      Während des Laufens kreisten ihren Gedanken um diese kleine und geheimnisvolle Insel. Sie sah sie jetzt vor sich, ganz kahl, mit einer verfallenen Hütte. Sie marterte ihr Gehirn, bis sie auch den verzweifelten Alvitur dort stehen sah. Alles um sie herum wurde immer leiser und kein Geräusch drang mehr an ihr Ohr.

      Immer wieder, immer wieder kreisten die Gedanken …, dann sah sie den Nebel und ihr wurde schwindlig im Kopf. Hilda setzte sich ins Gras und stellte fest, dass sie nicht zu Hause gelandet war, sondern zwischen den knospenden Apfelbäumen saß.

      Die Nornen, ja, die Schicksalsfrauen, aus den Geschichten, die man sich erzählte, kannte sie auch. Nun sollte ihr Schicksal von diesen Frauen vorherbestimmt sein, oder vorhergesehen?

      Die kahle Insel erschien wieder nebelhaft vor Hildas geistigem Auge, sie sah Alvitur und die drei alten Frauen.

      Erschöpft hielt sich Hilda die Hände vor das Gesicht und ließ sich rückwärts in Gras fallen. Sie lag ganz still, ausgestreckt, sog den frischen Duft der Wiese tief ein und ließ die nebelhaften Vorstellungen ihrer Fantasie langsam verfliegen.

      Korrrr, korrr klang es plötzlich an ihr Ohr, dann flatterte etwas neben ihr zu Boden. Sie spürte den Luftzug der Flügel und dann stupste Skyggis Schnabel sie an.

      Hilda brauchte einen Moment, die Wirklichkeit wieder richtig zu empfinden. Dann richtete sie sich auf und streckte die Hand nach ihrem Raben aus.

      „Bist du auch ein weiser Rabe Skyggi, so wie Hugin oder Munin? Kannst du mir sagen was ich von all dem halten soll? Mein Blut, was ist da so besonderes dran, das ich Stärke daraus ziehen soll?

      Hilda kraulte ihrem Raben den Kopf, machte dabei die Augen zu und begann wieder in die neblige Vorstellungswelt zu gleiten. Sie merkte gar nicht, dass sie sich wieder hinlegte hatte und einschlief.

      Skyggi hüpfte um Hilda herum, flog dann in den Apfelbaum und ließ ununterbrochen sein Korrr, korr ertönen.

      „Hiiiildaaaaa, aufwachen. Was ist denn mit dir? Geht es dir nicht gut?“

      Langsam drang Sölvis Stimme in Hildas nebliges Gedankenchaos. „Sölvi! Sölvi? Wieso, was ist?“

      Dann kam sie endlich wirklich zu sich und schaute dem Freund verdutzt in die besorgten Augen.

      „Sölvi, was ist? Nein, ich bin nicht tot und schlecht ist mir auch nicht.“

      Dann setzte sie sich auf, nahm Sölvis Hand und schenkte ihm ein dankbares Lächeln.

      Sölvi sah sie besorgt an und sagte: „Du wolltest doch nach Hause gehen. Warum bist du dann hier gelandet? Ich wollte dir nachgehen, aber du warst so schnell weg. Dann habe ich aber Skyggi gesehen, wie er hier über dem Baum herumflatterte und so fand dich. Mir ist was Wichtiges eingefallen, was ich dir sagen wollte. Vielleicht ist es ja Quatsch, aber vielleicht auch nicht.“

      Nun schaute Hilda interessiert.

      „Sag, was dir eingefallen ist, bitte. Ich kann im Moment nicht mehr klar denken. Alles schwirrt in meinem Kopf durcheinander.“

      „Hilda, das mit dem eigenen Blut ging mir durch den Kopf. Ich glaube, ich weiß, was die Nornen damit gemeint haben. Die Familie ist doch von einem Blut und sie gibt dir Kraft und da ist einer, genau von deinem Blut, weil er dein Bruder ist. Die Nornen meinten Falki. Falki ist von deinem Blut und er würde, so wie ich ihn kenne, sein ganzes Blut ohne zögern für dich geben.“

      Hilda dachte einen Moment lang nach, dann riss sie die Augen auf. „Sölvi, ich glaube, dass du der klügste Junge bei uns bist und dass du Recht hast.“

      Sie beugte sich zu Sölvi und drückte ihn fest.

      „Wir sollen auch aufeinander acht geben, hat Alvitur auch gesagt. Sölvi, du bist ein guter Freund und ich werde immer auf dich acht geben, das verspreche ich dir“, dann drückte sie ganz fest seine Hand.

      Abends gab es zum Essen frischen Fisch. Falki tat aus Scherz ganz betrübt, das er Hildas Wunschfisch, den knurrenden Quallenhai nicht gefangen hatte. Dafür hatte er aber einen Dornenhai mit nach Hause gebracht und sogar einen ziemlich großen. Der Fisch war fast so lang wie er. Falki meinte, dass sie heute gut gefangen hätten, auch viele andere Fische, aber Hilda wollte ja einen Hai und da hat er eben diesen mitgebracht.

      Es wurde ein wunderbares Abendessen. Die Mutter hatte sich wirklich viel Mühe gegeben, um alles, Hildas Wunsch entsprechend, zuzubereiten. Doch Hilda saß irgendwie abwesend am Tisch und alle merkten, dass es ihr ziemlich egal war, was sie jetzt zwischen den Zähnen hatte. Sie hätte bestimmt auch alten Trockenfisch gegessen, ohne es zu merken.

      Falki schaute nun doch etwas besorgt auf seine Schwester. Er streichelte ihre Hand und fragte: „Was hast du denn? Hat Alvitur etwas Schlimmes erzählt?“

      Mutter Hilda legte ihren Finger auf Falkis Mund und flüsterte: „Lass sie, sie wird schon mit dir reden. Ich ahne schon worüber Alvitur mit ihr gesprochen hat. Lass sie das erst mal alles verdauen. Morgen ist auch noch ein Tag.“

      „Hmm, na gut“, machte Falki und freute sich, dass er sich den Bauch nun alleine mit dem leckeren Essen voll stopfen konnte.

      Später, unter ihren Fellen konnte Hilda lange nicht einschlafen. Immer wieder gingen ihr Alviturs Worte und die Prophezeiung durch den Kopf, aber sie hatte nun keine Angst mehr; sie hatte ja gute Freunde und sie hatte Falki. „Ja, er würde mich beschützen, was immer auch käme“, war ihr letzter Gedanke.

      Das gab ihr Ruhe und sie begann dem leisen Rauschen im Rauchabzug des Daches zu lauschen. Sie spürte ganz deutlich Falki neben sich und seine Kraft.

       WIE THURID ZU IHREM NAMEN KAM

      Alle Arbeiten waren erledigt, die ihre Mutter aufgetragen hatte. Hilda konnte nun endlich die Hütte verlassen und Fifilla besuchen.

      „Na gut“ sagt sie sich, „das Flattervieh ist gefüttert. Jetzt gehe ich zu Fifilla und später bereite ich das Essen für heute Abend vor. Rüben soll ich kochen. Ha, das ist leicht.“

      Sie schaute noch kurz auf die Feuerstelle, schob die Glut zusammen und verließ die Hütte.

      Draußen umfing sie ein wunderschöner Sommermorgen mit einem lauen Lüftchen und Sonnenschein. Nach den vergangenen Regentagen und den ewigen dicken Wolken am Himmel, empfand sie diesen Morgen wie Glück.

      Als sie schon ein paar Schritte gegangen war, rief sie Skyggi, der schon vom Dach her laut protestierte, weil sie ohne ihn losgegangen war: „Skyggi, komm her, dann können wir uns unterhalten und du kannst wieder etwas lernen.“

      Skyggi gab ein paar unverständliche Laute von sich und flatterte auf Hildas Schulter.

      Hilda versuchte seit einiger Zeit, ihm einige Dinge beizubringen. Das Wichtigste für sie war, dass er verstand, was nach Hause bedeutete und dass er ihre Freunde unterscheiden konnte. Wenn sie zu ihm sagte: „Flieg zu Falki“, dann sollte er sich auch auf Falkis Schulter setzen, was auch meistens klappte.

      Viele im Dorf beneideten sie um ihren Raben und Hilda war auch wirklich stolz auf Skyggi, der ihr nun auch wie ein Schatten folgte.

      Sie hatte auch bemerkt, dass Sölvi sich sehr gut mit Skyggi verstand und es schien ihr, als ob es da gegenseitige Zuneigung gäbe.

      Hilda beschloss einen kleinen Umweg zu machen und nicht gleich zu Fifillas Hütte zu gehen. Sie lief zum Apfelhain

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