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verdiente er sich beim Pokern regelmäßig ein paar hundert Euro dazu. Sein Pokerface funktionierte beim Spielen so lange erfolgreich, wie er keine größeren Summen setzen musste. Bis vor zwei Wochen – jenem unheimlichen Abend, an dem drei Figuren das Hinterzimmer betraten und viel Geld auf den Tisch legten. Mollenhauer wurde das Opfer seiner Geldgier und seiner Angst, Geld zu verlieren. Er hätte natürlich nie mit diesen Typen spielen dürfen. Die Angst, womöglich seinen Einsatz zu verlieren, hatte ihn mental blockiert und zu verräterischen körperlichen Signalen geführt: Sein Deo hatte versagt, und er hatte geschwitzt bei einem schlechten Blatt. Das war sein Untergang. Nun stand er in der Schuld des »Kleinen Paten«, dessen Einfluss auf der Insel aber gar nicht klein war. Dieser ausgesprochene Verehrer italienischer Vorbilder sprach stets mit italienischem Akzent. Mollenhauer wusste, dass er diesem Mann nicht entkam. Morgen sollte er ihm 50 000 Euro zurückzahlen, die er nicht hatte und von denen er auch nicht wusste, woher er sie außer durch einen Banküberfall – bei dem ihn der Kassierer kurz vor der Geldübergabe garantiert nach seinem Namen gefragt hätte – bekommen sollte. Aus der Geschäftskasse bezahlte seine Frau den laufenden Betrieb, die vorhandenen Ersparnisse waren für die Rente fest angelegt und unerreichbar. Die Versicherung würde nie zahlen, weil es sie nicht gab, und der Spanier mit italienischem Akzent hörte sich zwar spaßig an, war aber auch schuld an einem schmerzhaften blauen kleinen Finger. Er hatte es »Warmklopfen, bevor es richtig losgeht« genannt.

      Davon wusste seine resolute Gattin natürlich nichts. Margarita versuchte seit Stunden schon, mit Unmengen von Farbe und Geschick wenigstens einige ganz schlimme Ecken optisch herzurichten. Gerade als Mollenhauer auf die Toilette gehen wollte, kam ihm Margarita mit Farbtopf und Pinsel entgegen.

      »Pinkel ja nicht die frische Farbe an, das gibt Blasen«, zeterte sie.

      »Danke, mir ist es soeben vergangen.«

      »Prostata, auch das noch«, dachte Margarita.

      »Deine Pinselkünste werden nichts nützen«, gab Mollenhauer trotzig zurück. Mit seiner hageren Statur und den dicken Brillengläsern machte er nicht gerade eine respektable Figur neben seiner kräftig gebauten Gattin.

      »Das Beste wäre immer noch ein schneller, guter Verkauf«, versuchte Mollenhauer die ihm bisher einzig denkbare Alternative ins Gespräch zu bringen, die ihn vor einem grausamen Tod oder einer Seebestattung in Zementschuhen retten konnte.

      »Untersteh dich«, zischte Margarita, »dann steck’ ich dir diesen Pinsel abwechselnd zweitausendmal in die Nase und in die Ohren!«

      Mollenhauer war froh, dass sich Margarita in ihren Gewaltphantasien auf seinen Kopf beschränkte, winkte ab und verließ das Lokal. Als er ins Freie trat, beschäftigte ihn nur noch ein Gedanke: »Wo treibe ich einen Käufer für mein Lokal auf, der gleichzeitig blind, taub und gutgläubig ist, nichts riecht und bereit ist, gut zu zahlen, weil er die Kohle nachts zum Vergnügen in seinem Keller von einem Haufen auf den anderen schaufelt?«

      Solche Leute waren auch auf Mallorca dünn gesät und heiß begehrt.

      *

      Hugo Schnaller hatte seinen Schützling nicht aus den Augen verloren. Ernie folgte den SMS, die minütlich eintrafen und ihn ins »Lost Paradise« führten, ein modern designtes Hotel, das wohl hauptsächlich das Disco-Publikum anzog.

      Ernie betrat die grellbunt beleuchtete Hotellobby, und seine Blicke irrten zwischen den aufgebrezelten Blondinen herum, die sich für die Nacht fertig gemacht hatten.

      Gucci-Imitate, iPhones und Piercings schienen die Standardausrüstung für die spitzen Blondies zu sein.

      Plötzlich hielt jemand Ernie von hinten die Augen zu.

      »Rat mal, wer ich bin?«

      »Wärst du ich, hättest du jetzt deine Hände auf meiner Brust«, antwortete Ernie.

      Die Hände ließen ihn los.

      »Dann mach doch!«

      Ernie sah sich verdutzt um.

      »Na los!«

      Seine neue Bekanntschaft drehte sich provokativ um. Ernie fackelte nicht lange. Er griff zu.

      »Erkennst du mich?«, fragte sie.

      »Ja deutlich. Ich glaube, du bist Mopsi.«

      »Wie romantisch. Die anderen nennen mich immer Hupi.«

      »Lässt du dich von vielen Männern erkennen?«

      »Bist du verrückt? Natürlich nicht. Nur ab und zu mal, wenn wieder Verkehrskontrolle angesagt ist.«

      Ernie fasste sich ans Ohr, als würde ihm gerade etwas durchgesagt.

      »Ich höre gerade, dass auf deinem Zimmer eine Verkehrskontrolle angemeldet wurde.«

      »Mit Alkoholkontrolle?« Ernie schaute sie ratlos an.

      »Ja, wahrscheinlich.«

      »Dachte ich mir’s doch. Ohne Blasen geht’s nicht.« Bei Ernie klickte es im Gehirn.

      »Nein, auf keinen Fall. Das muss vorsichtshalber am Anfang geklärt werden.«

      Sie zog Ernie in Richtung Fahrstuhl.

      *

      Inzwischen preschte Hugo Schnaller mit offenem Hemd in die Lobby.

      »Wo ist dieser kleine geile Bastard?«, fragte er sich etwas zu laut und bemerkte die irritierten Blicke einiger Teenies.

      »Was ist los? Ich meine nicht euch Luschen.«

      An der Lobbybar hing eine Traube als Blue Men Kostümierter, die dabei war, den Inhalt ihres Kopfes in dieselbe Farbe zu trinken.

      Nach ein paar Minuten sinnlosen Suchens wedelte Hugo mit einem 20 Euro-Schein vor dem Gesicht eines Jünglings herum, der ihn die ganze Zeit seelenruhig beobachtet hatte.

      »Das Scheinchen, wenn du mir sagst, wo ein Mädchen mit Zöpfen und ein Junge, der hier reinspaziert ist, hin sind.«

      »Die mit den Mordsmöpsen?«

      »Ja, genau die, mein Junge. Wohin?«

      »Zweiter Stock. Zimmer 36.«

      Hugo gab ihm den Schein. Riss ihn dem Jungen aber gleich wieder aus den Händen.

      »Nicht so eilig. Woher weißt du das so genau?«

      »Ich bin Spanner.«

      Hugo schaute ihn angewidert an.

      »In dem Alter schon? Mein Gott, grauenhaft.«

      »Geht so.«

      »Hier hast du dein Geld.« Hugo gab ihm den Schein.

      »Andererseits kannst du noch eine große Karriere vor dir haben. Aber wechsle die Branche. Werde Detektiv.«

      »Nö, Verräter bringt mehr.«

      Hugo dachte sich: »Verdammt, ist der clever. Wer will schon als Verräter Karriere machen. Echte Marktlücke.«

      Dann fragte er interessiert: Gibt’s denn hier so viel zu verraten?«

      »Man fängt klein an. Mehr verrate ich nicht, das kostet.« Hugo zückte noch einen Zwanziger.

      »Hör mal, ehe du irgendwann neben der Bundeskanzlerin stehst und ich mich ärgere: Ich nehm dich unter Vertrag. Ich bin Agent, und ich baue ich auf.«

      »Haben Sie Erfahrung im Verrat?«

      »Junge, ich habe schon Leute verraten, die haben Geschichte geschrieben. Schlagergeschichte.«

      »Okay, Promierfahrung ist gut. Wir kommen ins Geschäft. Ich bin Sascha, 16 Jahre alt.«

      Hugo drückte ihm die Hand.

      »Da du jetzt bei mir unter Vertrag stehst, kannst du gleich mal anfangen. Ich möchte, dass du mir jeden Tag etwas über diese Zopfschnepfe verrätst.«

      Der hagere Sascha nickte.

      »Wie lange bis du

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