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Wischt sich Stirn und Nacken ab, legt es zurück.

      16 Uhr 35. Er macht sich wieder ans Beschlagen. Auch der Gehilfe setzt seine Arbeit fort.

      »16 Uhr 45. Senanche kommt zurück. Er geht um den Kastenwagen herum. Die Vordertür steht noch offen. Er beugt sich hinein. Was er im Wagen macht, kann ich nicht sehen. Er richtet sich wieder auf und geht. In den Händen hat er die leeren Flaschen, sonst nichts. Der Schmied ist immer noch am Arbeiten.«

      »Okay, die Lieferung ist erfolgt.« Le Dem ist skeptisch. »Wir machen weiter, deswegen sind wir hier. Aber ich sage dir, wir haben eben die Lieferung miterlebt. Und das war nicht die erste. Der Schmied ist auch auf dem Gebiet ein echter Profi.«

      Le Dem beobachtet weiter, wie die Pferde kommen und gehen, und Romero schreibt ohne große Überzeugung von Zeit zu Zeit etwas auf.

      17 Uhr 20. Ein unbekannter Jugendlicher um die zwanzig taucht bei der Schmiede auf.

      Romero blickt von seinem Block auf. »Sieht seltsam aus, der Junge. Gib mir das Fernglas. Und schreib mit. Der Schmied bearbeitet ein Hufeisen. Sie reden. Achtung, der Schmied hat sich aufgerichtet. Er packt den Jungen am Hemd, hebt ihn mit einer Hand hoch. Das gibt’s doch nicht … Er hat seine Zange genommen … Scheiße!«

      Vom Hof des Rennstalls erschallt ein Schrei.

      »Der Schmied hat dem Jungen ein heißes Eisen in den Oberschenkel gebrannt! Der Junge liegt am Boden. Der Schmied tritt ihn, damit er aufsteht.«

      »Hin, Romero!«

      »Keine Panik. Der Junge kriecht auf allen vieren weg, er steht auf, er haut ab. Schreibst du noch mit?« Er blickt auf seine Uhr. »Es ist 17 Uhr 24.« Sieht wieder durchs Fernglas. »Nirgends rührt sich was. Grauenhafter Typ.«

      »Hin jetzt!«

      »Warte kurz. Der Junge flüchtet stark hinkend zur Straße, Richtung Chantilly. Jetzt können wir. Aber nicht zum Rennstall. Du holst unauffällig den Wagen und wir treffen uns auf der Straße.«

      Dann rennt Romero los, zwischen den Bäumen durch, um den Jungen einzuholen. Er bleibt zunächst auf der anderen Straßenseite und wartet, dass Le Dem auftaucht. Als der Wagen in Sicht ist, überquert er die Straße, schließt zu dem schluchzend dahinhumpelnden Jungen auf, greift seinen Arm, öffnet die hintere Wagentür, schiebt ihn hinein und setzt sich neben ihn.

      »Los, Le Dem, fahr, wohin du willst, aber fahr. Und kurbel deine Scheibe hoch.«

      »Was wollen Sie von mir, lassen Sie mich, Sie haben kein Recht … Halten Sie an, ich will aussteigen.« Von Schluchzern unterbrochen.

      Romero sieht ihn an und schnuppert an ihm. In seinem Schockzustand riecht er säuerlich nach Entzug. Der Moment ist günstig. »Polizei. Sag mir, worüber du mit dem Schmied geredet hast.«

      »Das ist meine Sache. Lassen Sie mich raus.«

      Romero legt ihm die Hand auf den Oberschenkel mit der gelb-braun geriffelten Wunde, die Blasen bildet und in deren Fleisch verkohlte Stofffetzen eingebrannt sind. Die aber offenbar nicht besonders tief ist. Der Schmied ist maßvoll brutal.

      »Ich frage nochmals: Worüber hast du mit dem Schmied geredet?«

      Er drückt den Schenkel. Der Junge heult auf. Le Dem gerät ins Schleudern. Romero funkelt ihn drohend im Rückspiegel an und wendet sich wieder dem Jungen zu.

      »Ich weiß, dass du an der Nadel hängst, und das ist mir scheißegal. Ich will den Schmied.« Er legt ihm erneut die Hand auf den Oberschenkel. »Soll ich noch mal?«

      »Nein!« Das schreit er.

      »Na los«, Hand noch auf dem Schenkel, »raus damit.«

      »Ich wollte, dass er mir Schnee zum Dealen gibt.«

      »Und warum hat er abgelehnt?«

      »Ich schulde ihm Geld.« Der Junge schluchzt laut. »Ich wollte finanziell wieder auf die Füße kommen …«

      »Er hat dich verbrannt, als du ihm gestanden hast, dass du die Kohle nicht hast.«

      Kaum hörbar: »Ja.«

      »Du hast sie für Heroin ausgegeben. Und jetzt bist du voll auf Entzug. Du sagst mir, wem du das Koks weiterverkaufen wolltest, und ich geb dir deine Dosis, gleich hier im Auto.«

      Leichter Druck auf den Schenkel. Stöhnen. Der Junge ist schweißgebadet.

      »Morgen Abend findet hier in Chantilly eine Party statt, bei Massillon, dem Jockey, und auf diesen Partys wird man immer was los.«

      Romero holt ein gefaltetes Papier aus der Innentasche seiner Jacke. »Fahr etwas langsamer«, sagt er zu Le Dem, der starr auf die Fahrbahn blickt.

      Der Junge taucht hinter die Vordersitze ab, holt sein Besteck hervor. Er zittert am ganzen Leib. Romero faltet das Papier auseinander, hält den Löffel. Der Junge legt los, macht das Koks heiß, zieht es auf, sticht ein, pumpt, spritzt, atmet langsam und tief durch und lehnt sich mit geschlossenen Augen in die Polster der Rückbank.

      Romero legt Le Dem die Hand auf die Schulter. »Jetzt zum Krankenhaus, aber nicht zu schnell, damit der Stoff erst mal wirkt. Die Brandwunde muss versorgt werden.«

      »Ich will da nicht hin.«

      »Wie heißt du?«

      »Man nennt mich Blascos.«

      »Du gehst dahin, Blascos, du musst verarztet werden, das kann sich infizieren. Du wirst keinen Ärger kriegen. Darum kümmere ich mich.«

      Als sie bei der Notaufnahme ankommen, hilft Romero dem Jungen beim Aussteigen. Hält ihn einen Moment am Arm fest und sagt leise: »Ich werde morgen Abend um zehn auf der Party sein. Du wirst auch kommen und mich deinen Freunden vorstellen. Und ich sorge dafür, dass du was zum Verkaufen hast. Einverstanden?«

      Er nickt.

      »Ich will’s hören.«

      »Ich bin einverstanden.«

      »Du weißt, was du riskierst, wenn du mich hängenlässt?«

      »Ja.«

      »Jetzt geh.«

      Le Dem wollte nicht mit. Romero hat nicht insistiert. So steht er jetzt mit Lavorel vor Massillons Villa auf der Straße und wartet. Beide haben ein kleines Aufnahmegerät am Gürtel versteckt. Romero trägt ein geblümtes Sommerhemd, Lavorel ein weißes Hemd und einen leichten Blazer. Ein paar Autos fahren langsam durch das weit geöffnete Tor und parken im Garten. Zwei Porsche, ein gelber Ferrari. Und dann alle möglichen Durchschnittswagen. Lavorel schlendert unauffällig in den Garten und notiert die Kennzeichen.

      Kurz vor zehn erscheint Blascos, zu Fuß, proper, schick in Schale. Er hinkt noch leicht, scheint aber in besserer Verfassung zu sein. Romero reicht ihm einen Umschlag, den er mit einem Papiertaschentuch umfasst hält. »Da drin ist ein bisschen Koks für dich. Gute Qualität. Du kannst es verkaufen oder etwas strecken. An die Arbeit.«

      Romero pfeift, Lavorel kommt zu ihnen herüber. Zu dritt betreten sie die große Villa aus dem 19. Jahrhundert, an der Frontseite ein überdachter breiter Treppenaufgang, offenstehende Türen, Entree, links ein im Moment noch leerer Salon, rechts das Esszimmer, in dem sich etwa vierzig Personen, junge Frauen und Männer, mit Gläsern in der Hand bei ohrenbetäubendem House unterhalten. Hinten im Raum ein ausladendes Buffet. Blascos grüßt alle und jeden. Lavorel bemerkt sechs Männer, klein, drahtig, lebhaft, sehr gepflegt, Maßanzüge, Luxustreter, Armbänder mit Namensgravur und Halsketten aus Gold. Bestimmt die Jockeys. Ganz anders als die übrigen Gäste, reiche Sprösslinge wie Deluc und junge Leute mit deutlich bescheidenerem Einkommen, mehr oder weniger so wie Blascos. Ein Dutzend richtig schöne Mädchen. Romero spürt leise Erregung. Und noch ein paar andere, Mittelmaß.

      Blascos nimmt Romero am Arm. Lavorel folgt ihnen.

      »Massillon, ich habe dir zwei sehr gute Freunde mitgebracht

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