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Jakob der Letzte. Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Jakob der Letzte
Год выпуска 0
isbn 9783990404843
Автор произведения Peter Rosegger
Издательство Автор
In denselben Tagen war’s, daß er und der Bauer Dreisam zu Altenmoos aneinander gerieten.
Der Waldmeister war mit der Herrschaft Rabenberg käuflich an den Kampelherrn übergangen, er hörte seither nur mehr auf den Titel: Herr Oberförster.
Der Dreisam arbeitete an seinem Waldrain, wo er dran war, mit der Haue den zähen Rasen umzukehren, dem man mit dem Pfluge hier nicht beikonnte und der doch auch als Kornacker urbar gemacht werden sollte. Der Dreisam hatte eine große Glatze, dafür aber einen sehr langen flachsfalben Bart, der schier bis an den Gürtel hinabhing. Damit dieser Bart beim Rasenumgraben nicht hindern konnte, so steckte er ihn am Halse hinter den braunen Brustfleck hinab.
Da kam der Waldmeister gegangen.
„Ihr Altenmooser Bauern seid Trotteln!“ mit diesem schönen Wort grüßte er den arbeitenden Mann.
„Auch so viel, Herr Waldmeister!“ dankte der Dreisam. „Gescheiter wäre es freilich, alleweil im Feiertag umzugehen mit der Büchsen und sich das Futter von anderen Leuten bringen zu lassen, als selber sein Brot mit harter Müh’ aus dem Boden zu graben.“
„Korn bauen, das ist dumm“, belehrte der Waldmeister, „seit durchs Land draußen die Eisenbahn geht, könnt ihr Bergbauern im Getreidebau mit den Ungarn und Kroaten nicht mehr konkurrieren.“ „Die Kroaten wollen wir auch nicht kurieren“, verdrehte der Dreisam, „wir wollen unseren Magen kurieren.“ „Viehzucht!“ rief der Waldmann, „Viehzucht müßt Ihr betreiben.“
„Ja, und Ihr versagt uns dafür die Hochweiden!“
„Den Pflug in Scherben schlagen. Das Korn kaufen. Brauchst keine Dienstboten. Das Gras wächst von selber auf dem Boden.“
„Schau“, meinte der Bauer so halb für sich und stützte sich breit auf seinen Haustiel, „das wissen meine Ochsen besser wie der Herr Waldmeister. Die Ochsen wollen kein Gras fressen von einer Trift, die jahraus, jahrein nicht umgebrochen wird mit dem Pflug, und nicht manchmal Hafer oder Korn darauf angebaut. Die Ochsen sagen, so ein Ödgartgras wäre sauer und voller Moos. Nun, dem Herrn schmeckt’s vielleicht besser.“
„Mein lieber Bauer“, entgegnete der Waldmeister nun in sehr höflicher, aber sehr überlegener Weise, „wenn Ihr über Landwirtschaft mit mir reden wollt, da müßt Ihr ein wenig weiter in der Welt herumgekommen sein, als von Altenmoos bis Sandeben. Ein wenig weiter, mein lieber Bauer!“
„Glaub’s schon“, sagte der Dreisam, „daß der Herr recht weit gelaufen ist.“
„Gott sei Dank, ja. Ich bin an einem einzigen Tag weiter gekommen, als so ein Waldbauer sein Leben lang springt!“
Dachte bei sich der Dreisam: Mit dem ernsthaft zu streiten, ist mir zu dumm. Er schaukelte sich auf seinem Haustiel und warf plötzlich das Wort hin: „Weiter, als der Herr Waldmeister an einem Tag laufen kann, weiter ist mein Bart schon gewachsen.“ Er riß den langen Bart aus dem Brustfleck hervor.
Wie das gemeint sei?
„Nicht schlecht. Wetten wir eins miteinander, Herr, mein Bart ist länger gewachsen, als er an einem Tag laufen kann!“
„Ist ein Unsinn!“ sagte der Waldmeister.
„Gilt’s?“ rief der Bauer. „Abgemacht. Am Sonntag beim Steppenwirt unten messen wir. Mit Zeugenschaft, Herr Waldmeister! Zehn Maß Unterländer, wenn’s dem Herrn nicht zu viel ist?“
„Zwanzig Maß!“ schrie der Waldmeister, „abgezapft muß er einmal werden, Euer Übermut.“
„Vielleicht zapfen wir auf dreißig Maß“, meinte der Dreisam.
„Gut, auf dreißig! Sehrrr gut!“ schnarrte der Oberförster. „Am nächsten Sonntag beim Steppenwirt. Und jetzt adieu, Bauer. Es tut mir eigentlich leid.“
„Was tut ihm?“ fragt der Dreisam.
„Leid tut es mir, daß ich das Geld wieder davontrage, welches ich für Euch im Sack hab’. Vielleicht mag’s der Nachbar Reuthofer.“ „Ja, ist schon recht“, sagte der Bauer und grub emsig weiter.
Der Oberförster ging davon. Fast unmutig packte er einen Fichtenbaum, schüttelte ihn, daß dürre Zapfen herabfielen und knirschte: „So muß man es schütteln, dieses Altenmoos. Was reif ist, fällt, was heut’ nicht fällt, fällt morgen. Fest anpacken.“ – Er ging gegen den Reuthof.
Der Jakob war eben dabei, seinen Angerzaun, der das Gehöfte umfriedete, auszubessern. Er trieb frische Stecken je zu zweien in den Boden, legte lange Querstangen dazwischen und befestigte sie mit Weidenbändern. Er rüttelte nun an einem solchen Steckenpaar und sagte: „Halten mußt!“ Da stand der Waldmeister vor ihm.
Dieser reichte ihm sogleich biedermännisch die Hand, in die der Jakob die seine ohne viel Gegendruck legte.
Zaun machen, das könne der Reuthofer, lobte der Oberförster, indem auch er einmal und mit Kennermiene an den Stecken rüttelte. Und er denke, der Reuthofer würde auch in anderen Stücken klüger sein, als manch’ anderer Altenmoos-Bauer.
„Ja“, sagte der Jakob, „ich will’s probieren und gleich die Gelegenheit beim Schopf packen.“
„Recht hast“, entgegnete der Waldmeister rasch und griff nach seiner Geldtasche.
„Ah na“, sagte der Jakob abwehrend, „zahlen werd’ schier ich müssen. Um die Viehweide auf der Breitalm, wenn ich wieder bitten dürfte.“
„Mit dem besten Willen nicht, Reuthofer“, beschied der Waldmeister. „Es ist unglaublich, was die Viecher den jungen Baumpflanzungen schaden.“
„Ich treibe ja keine Ziegen und keine Schafe hinauf“, sagte der Jakob, „und die Rinder rühren kein Bäumel an, wenn sie Gras haben. Ehrlich sein, Herr Waldmeister. Er hat’s ja selber schon gesagt, daß wir der Hirschen wegen abgewiesen werden.“
„Nun, wenn du’s weißt, wozu noch anfragen?“ lachte der Oberförster. „Es ist so, die Ochsen sprengen uns den ganzen Wildstand. Können nichts mehr verstatten. Sei klüger, Steinreuter, wie dein Nachbar, der Dreisam, der Narr hat mich mit dem Gelde wieder davongehen lassen. Mußt wissen, ich habe Geld bei mir!“
Er solle es nicht verlieren, meinte der Jakob.
Ob er es nicht da lassen dürfte? fragte der Waldmeister.
„Bedank’ mich schön“, sagte der Jakob, „wir brauchen keins.“
Der Waldmeister stutzte. Er begriff nicht, wie auf der weiten Welt ein Mensch leben könne, der kein Geld braucht. Ja nicht einmal welches haben wolle! Das müsse doch schon eine ganz verkommene Kreatur sein.
Für den Kampelherrn gehe er um, erklärte der Förster. Vorhin sei er auch beim Klachel-Bauer gewesen. Der sei ein kluges Köpfel, der Klachel, und verstehe seinen Vorteil. Dem habe er das Haus abgekauft.
„Der Reuthof ist nicht feil. Behüt’ Gott!“ Mit diesen Worten des Jakob war der Mann abgefertigt, der nun kopfschüttelnd wieder seines Weges ging. Ging diesmal aber nicht weit, ging nur ins Haus hinein, wo Maria, die Bäuerin, am Herde stand und das Mittagsmahl kochte. Zum Vorwand nahm er, daß er am Herd eine Zigarre anbrennen wolle, sagte hierauf der Bäuerin einige Artigkeiten über ihr junges gesundes Aussehen. Es wäre erstaunlich, schon so große Kinder und noch so glatt beisammen! Na, draußen auf der Ebene erst, wenn sie von harter Arbeit frei wäre und sich nichts abgehen lassen müsse, da würde sie erst sehen! – Sie, die Frau, würde diesmal hoffentlich vernünftiger sein als der Mann, der sich eben einmal in den steinigen Boden hinein verbissen habe. Der Jakob würde sich noch alle Zähne ausbeißen, und es sei schade drum.
„Bei so was red’ ich nichts drein“, sagte die Maria, „er wird schon selber wissen, was ihm taugt oder nicht.“
Es