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wahre darzustellen. Was im Endeffekt die richtige Entscheidung gewesen sein wird? Zu dieser Weisheit werden wir wohl erst mit 86 Jahren gelangen. Doch bis dahin genießen wir das Gefühl von Freiheit, den Hauch von Abenteuer und Zeit … Zeit satt!

       Klaus Vierkotten (46), Ex-Manager

       Life is for living

      Einleitung

      Liebe Leserin, lieber Leser,

      »Hört zu, ich will euch von einem guten Lande sagen, dahin würde mancher auswandern, wüsste er, wo selbes läge. Wer nichts kann, als schlafen, essen, trinken, tanzen und spielen, der wird dort zum Grafen ernannt. Jede Stunde Schlafens bringt einen Gulden ein und jedes Gähnen einen Doppeltaler.«

      Vielleicht haben Sie schon von diesem – leider nie entdeckten – Land gehört, dem Schlaraffenland, von dem Ludwig Bechstein in einem Märchen berichtet. Stellen Sie sich vor, Sie erwachen morgens vom leisen Plätschern der Wellen, die Wedel der Kokospalmen wiegen sich sanft im warmen Wind. Das Frühstück auf der Terrasse besteht aus knusprigen Pfannkuchen und einem exotischen Obstsalat. Ihr Blick wandert hinaus auf das smaragdgrüne Meer, während Sie der Duft von Frangipani umgibt. Schon kehren die ersten Fischer mit ihrem Fang zurück und im Geiste malen Sie sich Ihr Abendessen aus … Doch dazwischen liegt noch ein aufregender Tag, vielleicht Schnorcheln in der türkisfarbenen Lagune, Kanu fahren und dabei eine unbekannte Insel entdecken, ein Plausch mit den Eingeborenen …

      Doch die Realität sieht anders aus: Jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe klingelt uns der Wecker erbarmungslos aus unseren Träumen. Nieselregen, die üblichen verstopften Straßen, jeden Tag der gleiche Büro-Mief, dazu die muffigen Gesichter der Kollegen.

      Dabei ist die Sehnsucht danach, sich einfach mal aus dem Alltag auszuklinken und die Seele baumeln zu lassen, größer denn je. Ob Almhütte oder Atlantiküberquerung, Pilgern auf dem Jakobsweg oder mit den Kindern auf dem Spielplatz, laut einer Forsa Umfrage wünschen sich 38 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland eine Auszeit.

      Allerdings ist die Zahl derer, die es freiwillig wagen, die alltägliche Tretmühle anzuhalten, noch klein. Zu groß ist die Angst, nicht mehr an den ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Zu mächtig noch immer die Vorurteile, die in unserer Gesellschaft den Menschen entgegengebracht werden, die nicht arbeiten.

      Dabei stehen die Chancen auf ein »Sabbatical« heutzutage so gut wie nie zuvor. Dieser heute gängige Begriff entstammt einem biblischen Brauch, der im Zweiten Buch Mose beschrieben wird:

      »Sechs Jahre sollst du dein Land besäen und seine Früchte einsammeln. Aber im siebten Jahr sollst du es ruhen lassen«, heißt es dort. Professoren in den USA waren die ersten, die sich die Bibelstelle zu Herzen nahmen. Sie führten an den amerikanischen Universitäten Sabbaticals ein: Auszeiten von einem halben Jahr, in denen die Professoren dem Lehrbetrieb den Rücken kehren können, um sich völlig ihrer Forschungsarbeit zu widmen.

      Auch hierzulande machen inzwischen in vielen Betrieben Arbeitszeit- und Urlaubskonten eine solche Pause möglich. Der Arbeitnehmer spart dazu Urlaubstage an, die er dann für eine Auszeit an einem Stück nimmt. Oder aber er bekommt über einen festgelegten Zeitraum reduzierte Bezüge, arbeitet aber voll und nimmt anschließend eine Auszeit, in der das Gehalt gleich bleibt.

      Da Auszeiten dem »Burn-out« vorbeugen und die Mitarbeiter oft hochmotiviert an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, stößt diese Form des Langzeit-Urlaubs bei den Chefs inzwischen nicht mehr durchwegs auf taube Ohren.

      Allerdings sollte ein »Sabbatjahr«, egal ob drei oder zwölf Monate, gut vorbereitet und geplant sein. Tipps, wie Sie Ihren Chef überzeugen und wie auch Ihr Ausstieg auf Zeit gelingt, finden Sie im Anhang dieses Buches.

      Und nun, Arbeit adé, lassen Sie sich von den vielfältigen Berichten der in diesem Buch versammelten »Auszeiter« überraschen und inspirieren.

      Viel Spaß dabei und bei Ihrer Auszeit wünscht Ihnen Ihr

       Alexander Reeh

       Sie war eine erfolgreiche TV-Moderatorin in München. Vor 13 Jahren stieg sie aus - von jetzt auf gleich - kündigte ihre Festanstellung per SMS, buchte spontan den zehnten Flug auf der Anzeigetafel des Münchner Flughafens und landete in der Karibik. Die unglaubliche Geschichte der Lara Sanders

       © Nepomuk Karbacher Bilder.n3po.com

      Einer dieser Tage. November-Nieselregen aus schweren Wolken, Temperaturen um vier Grad, Gesichter unter Kapuzen, Autos spritzen durch die Straßenpfützen. Reisebüros werben für Last-Minute-Flüge in die Sonne, irgendwohin, raus aus dem Grau, der Kälte, den Kapuzen. Irgendwohin. Es könnte so einfach sein. Lara Sanders, zierlich, blond, blaue Augen, sitzt im Schneidersitz auf dem Sofa einer Schwabinger Wohnung; sie trinkt grünen Tee, fingert in Sushi-Röllchen und sagt aus dem Fenster blickend: »So ein Tag war das damals.«

      Sanders ist gerade 41 Jahre alt geworden, und was sie in den vergangenen zehn Jahren erlebt hat, ist Stoff für einen Film, den sie gedreht hat, »Über allen Horizonten«, und ein Buch, das sie veröffentlicht hat, »Einfach davongeflogen.«

      Die zehn Jahre im Zeitraffer gehen so: Die junge TV-Journalistin Sanders leidet unter der Routine des Jobs und Alltags, steigt von jetzt auf gleich aus und flieht auf die winzige Karibikinsel Dominica, um zu sich selbst zu finden. Sie findet aber nicht nur sich selbst, sondern Glückes Geschick, auch einen alten Schweden, der die jemenitische Königsfamilie und afrikanische Prominenz als Privatpilot durch die Welt flog, irgendwann –gleichfalls auf Selbstsuche- in der Karibik landete, um dort auf die alten Tage seinen Traum zu verwirklichen: gemeinsam mit einem jungen Karibe-Indianer ein eigenes Flugzeug zu bauen und zu fliegen. Die Deutsche beschließt, über diesen interessanten Kauz einen Dokumentarfilm zu drehen – acht Jahre und viele Ups and Downs später wird der Film mit internationalen Preisen überschüttet. Und nun ist sie auf dem Weg nach Hollywood, wo Clint Eastwood und Kevin Costner an der Geschichte Interesse signalisiert haben.

      In etwa so sähe vermutlich der Beitrag aus, wenn die Fernsehfrau Lara Sanders vor Jahren einen Film über den Menschen Lara Sanders hätte schneiden müssen. Eine Minute dreißig, Klappe – Ende. Denn das war mal ihr Leben vor dem großen Schnitt. Schnell, flüchtig, gehetzt, immer auf dem Sprung. Sie ist da Anfang 30, moderiert nach dem Studium der Kommunikations- und Betriebswirtschaften in Köln Radiomagazine für den WDR, dann auch fürs Fernsehen in München. Sie verdient gutes Geld, hat aber kaum Zeit, es auszugeben. Sie ist beliebt bei den Kollegen und Chefs. Sie hat einen kreativen, jungen Musiker zum Mann und liebevolle Eltern. Stöckelt durch die Bussi-Bussi-Gesellschaft Münchens - Ärzte, Rechtsanwälte, Promis und Semipromis-, »weil ich damals dachte, dass das dazugehört«. Lara ist ein bisschen wie Carrie aus »Sex and the City«. Sie sammelt Schuhe, ist picobello gekleidet und frisiert, mani- und pedikürt und hat außerdem ein gewisses Faible für jüngere Männer. Von außen betrachtet ist sie eine Karrierefrau – selbstbewusst, attraktiv, das flüstern ihr alle, die Freunde, der Mann, die Eltern, die Kollegen. Aber irgendwas an diesem Leben stimmt nicht, das ahnt sie, und das nagt an ihr.

      Die Frau im Schneidersitz, zehn Jahre reifer nun, nennt diese Phase rückblickend »Hamsterrad« oder »goldener Käfig« oder »auf eingefahrenen Schienen fahren, nicht links, nicht rechts« oder »innere Versklavung« oder »Monotonie«. Sie hat erstaunlich viele Synonyme parat für ein Gefühl: unglücklich sein. Dahinter, das weiß sie heute, loderte Sehnsucht. Sie wollte Geschichten erzählen, wie früher mit acht oder neun, als sie den Eltern kleine Drehbücher und Hörspiele zu Weihnachten schenkte. Sie wollte kreativ sein und nicht nur funktionieren. Sie sagt: »Ich war wie ein rotes Licht, auf Sendung. An und aus. Auf Knopfdruck. Wie am Fließband. Und dann die Partys, die Einladungen, das Gequatsche. Alles so wichtig, und alles so hohl …«

      Cut, Schnitt, Rückblende. November 1999, einer dieser Tage, Nieselregen aus grauen Wolken,

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