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da war keine andere Frau. Ich war einfach sehr viel bürgerlicher als er. Aber er wäre beinahe zu mir zurückgekommen, wir hatten uns versöhnt, und als unsere zweite Hochzeit gefeiert wurde, passierte der Unfall! Er ging fort und hinterließ mir einen Brief, in dem er alle Schuld des Zerwürfnisses auf sich nahm, er wolle mich nicht an sich fesseln. Du warst schon unterwegs, obgleich ich es erst ein paar Wochen später merkte. Es hat mich fast den Verstand gekostet.“

      Peter hatte seine Mutter mit keinem Wort unterbrochen. Er drückt ihre Hände, um sie jetzt loszulassen und langsam aufzustehen.

      „Mir ist so eigenartig zumute, als könnte ich diesen Mann verstehen. Ich glaube, ich habe das Foto, das du mir gestern Abend gegeben hast, ein paar Stunden lang angesehen. Er ist mir auf eine seltsame Art vertraut geworden.“

      Er unterbricht sich selbst, starrt vor sich hin, um sich dann zu seiner Mutter umzudrehen.

      „Mutter, ich weiß, dass ich diesen Mann, der mein Vater ist und von dem ich bis gestern Abend nichts wusste, finden muss!“

      „Aber er hat nie mehr etwas von sich hören lassen!“, antwortet sie mit einem bangen Gesichtsausdruck.

      „Dann muss ich ihn eben suchen. Ich weiß, dass das nicht leicht sein wird. In Amerika und Kanada gibt es keine polizeiliche Meldepflicht wie hier. Aber hattest du nicht den Namen des Farmers, bei dem er während des Krieges gearbeitet hat?“

      „Ja, der Name muss irgendwo sein, aber ich hatte keine Adresse. Ich weiß nur, dass es irgendwo in einer Provinz im Westen war, ich glaube sie heißt Saskatchewan oder so. Aber, Peter, das war vor mehr als fünfunddreißig Jahren. Ob es diesen Farmer überhaupt noch gibt?“

      Peter bekommt einen entschlossenen Gesichtsausdruck.

      „Ja, es wird viel Zeit kosten, in so einem Land einen Menschen zu finden. Aber die Zeit werde ich mir nehmen.“

      Er dreht sich wieder zu ihr um.

      „Ich habe heute Nacht einen Entschluss gefasst, Mutter. Ich werde nicht Betriebswirtschaft studieren. Nein, bitte, unterbrich mich jetzt nicht! Und ich werde auch Vaters Betrieb nicht übernehmen!“

      „Um Gottes Willen, Peter, tu ihm das nicht an!“ sagt sie mit fahl gewordenem Gesicht.

      „Verstehe mich nicht falsch, ich liebe ihn, wie ich dich liebe. Aber eigentlich wollte ich das alles nie so richtig, mich, wie ihr das alles genannt habt, in ein gemachtes Nest setzen! Und ich habe immer gesagt, wenn es nach mir geht, möchte ich Journalist werden. Die Welt ist so aufregend und interessant, das kann man in einem Büro wie dem von Vater ja gar nicht spüren, da geht es nur um Geld.“

      „Aber Geld macht frei, sagt man“, wirft Inge Harder ein.

      „Wirklich? Ich sehe immer nur, wie es euch alle in den Bann schlägt und versklavt. Nein, Mutter, ich habe mich heute Nacht entschlossen, Journalist zu werden! Da gibt es in München die Deutsche Journalistenschule. Dort werde ich mich bewerben. Und wenn ich auf eigenen Beinen stehen kann, werde ich nach Kanada gehen und den Mann suchen, der mein Vater ist!“

      Uwe Breuer schiebt den Gashebel voll hinein, als er mit dem Wasserflugzeug in niedriger Höhe über das Motel donnert. Er lacht, als er Mabel dort unten aus dem Coffee Shop stürzen sieht. Sie winkt herauf, als er in einer großen Kurve zum See hinüber gleitet und das Gas zum Landeanflug zurücknimmt.

      Mabel Benson springt entschlossen in den offenen Jeep und fährt wie eine Besessene zum Landesteg hinunter, eine dichte Staubwolke aufwirbelnd. Sie mag die Vierzig überschritten haben. Schlank, aber nicht mager, mit braunem Haar, macht sie mit ihren entschiedenen Bewegungen am Steuer des spritzigen Geländewagens einen zupackenden Eindruck. Ihre Züge sind ebenmäßig, wenngleich ihr Gesicht durch eine tiefe Stirnfalte beherrscht wird. Modisch kann man ihr T-Shirt und die ziemlich groben Jeans nicht nennen. Aber hier oben im Norden sind Modepuppen ohnehin nicht gefragt.

      Uwe hat gerade die Maschine vertäut, als Mabel aus dem Wagen springt.

      „Du meine Güte, Uwe, habe ich mir vielleicht Sorgen gemacht! Einfach drei Tage ohne Nachricht wegzubleiben! Hättest du mich denn nicht durch die Flugsicherung verständigen lassen können?“

      Für einen Augenblick hat sie sich in seiner Umarmung völlig verloren. Aber jetzt kommt der scheue Ausdruck einer fast mädchenhaften Verlegenheit in ihre Miene zurück. Uwe löst sich von ihr.

      „Nein, da war keine Chance. Ich hatte die beiden Yankees mit ihrem Jagdführer gerade auf dem See abgesetzt, als plötzlich das Wetter zumachte. Da wollte ich nichts riskieren und bin dort geblieben. Keine Chance, über VHF-Radio durchzukommen. Es war eine richtige Waschküche. Fürs Jagen war die Sicht zu schlecht. War ganz schön langweilig, aber ausgeschlafen bin ich wenigstens.“

      „Hier war allerhand los“, sagt Mabel, während sie ihm hilft, seine Ausrüstung aus dem Flugzeug in den Jeep umzuladen.

      „Wir haben ein Menge Benzin verkauft und alle Cabins bis auf zwei sind besetzt. Einer von den Gästen hat offenbar einen Vergaserschaden an seinem Wagen, der wartet ziemlich verzweifelt auf dich. Ja und richtig, vor einer knappen halben Stunde ist Bill Collins hereingeschneit und hat nach dir gefragt. Er ist nochmals weggefahren, aber er will gegen Abend hier anrufen. Sobald du zurück seist, wolle er sich mit drei anderen Männern hier treffen, die alle mit dir sprechen möchten. Ich weiß nicht, um was es sich handelt, aber Bill tut so geheimnisvoll. Wenn die dann nicht mehr heimfahren wollen, – ich meine, die trinken dann ja meist ziemlich viel! – dann sollen sie meinetwegen in einer der leeren Cabins schlafen, hab ich Bill gesagt. Ist dir doch recht, oder?“

      „Natürlich.“ Aber er schüttelt den Kopf, weil er sich beim besten Willen nicht denken kann, was die Männer von ihm wollen.

      „Ja und, das hätte ich beinahe vergessen, Bruce hat angerufen, dass er sich heute mit dem Geologen und den beiden Indianer-Scouts auf den Weg mache, den Liard River hinunter. Du wüsstest Bescheid, dass du ihn morgen an der Cabin abholen sollst. Was ist denn das?“

      „Na ja, die wollen das Flussbett des Liard vermessen, weil sich mit dem Hochwasser nach dem letzten Winter ziemliche Veränderungen ergeben hätten. Die Kanus lassen sie an der Cabin unterhalb des Hell Gate, weil sie später noch weiter herunterfahren wollen.“ Uwe klärt Mabel über das Vorhaben genauestens auf.

      Ein letzter Blick auf die Vertäuung der Maschine am Landesteg. Uwe setzt sich ohne Umstände ans Steuer des Jeeps und lässt den Motor an.

      „Oder wolltest du fahren?“, fragt er noch.

      Mabel lacht. „Das hättest du früher fragen müssen, du alter Chauvinist!“

      Uwe grinst. Sie fahren hinüber zum Motel. Mabel mustert Uwe während der Fahrt von der Seite. Man sieht ihr an, dass sie mit dem Ergebnis der Prüfung zufrieden ist. Er sieht gut und gestrafft aus, braungebrannt und selbstsicher. Die vier Jahre hier oben mit ihr haben ihm offensichtlich gut getan. Ein feines Lächeln geht über ihr Gesicht, wie es nur eine glückliche Frau zieren kann.

      Junger Mann, Sie haben einfach kein Sitzleder!“

      Der Chefredakteur der Rheinischen Post ist ärgerlich.

      „Glauben Sie denn, Sie wissen schon alles, was man in diesem Beruf wissen muss? Nach ganzen zwei Jahren? Zugegeben, Sie haben sich hier recht geschickt angestellt, was ich von Ihrem Ressortleiter so mitbekommen habe.

      „Aber“, er blättert in der Personalakte herum, „nach ganzen vier Jahren, wenn man die Zeit in der deutschen Journalistenschule in München mitrechnet schon als freier Mitarbeiter ins Ausland zu gehen, ist einfach zu früh! Sehen Sie, Harder, in unserem Beruf ist solide Redaktionsarbeit die Grundlage. Bei Ihren Anlagen haben Sie gute Chancen, aber nur wenn Sie klar Ihren Weg gehen. Übrigens – richtig! – da fällt mir ein, ich habe im Industrieclub vor einiger Zeit Ihren Vater getroffen. Er war nicht gerade begeistert, dass Sie Journalist geworden sind! Warum waren Sie so abgeneigt, sein Beratungsunternehmen

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