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eine Schwatzbase geheißen, sie unterließ es aber. Mit wenigen Schritten war sie bei dem Hausmeister. Die Menschen waren nun mal neugierig und wollten wissen, was ein Absperrband und Polizeipräsenz bedeuteten. Ein anderer wusste etwas, in dem Fall Nüsslein, und er wollte sein Wissen weitergeben. Dadurch wurde er wieder ein Stückchen wichtiger. Er hatte die Leiche Meiers schließlich aufgefunden. Stattdessen fragte ihn Belu: »Was ist mit dem Schlüssel zur Turnhalle?«

      »Ähm, der Schlüssel lag im Kasten.«

      »Nun denn, wie’s ausschaut, hatten Sie also nicht alleine die Schlüsselgewalt. Wenn der Schlüssel dieser Dozentin im Kasten lag, dann musste Herr Meier selber einen gehabt haben.«

      Nüssleins Gesichtsfarbe wechselte. Das ging wohl gegen seine Hausmeisterehre, denn er polterte los. »Ich froch mich wergli, was dann Protokolle und Verordnungen nützen, wenn man sich ned dro häld. Und der Meier, des wor a bsonders Schlauer.« Nüsslein presste die Lippen fest aufeinander. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, die er schnell in den Taschen seines Kittels verschwinden ließ. Auf seinen Wangen zeigten sich rote Flecken.

      »Warum ärgert Sie das so?« Belu sah den Hausmeister herausfordernd an.

      »Wie ich scho gsocht hob, warum beschließt ma, dass nur ich an Schlüssel hobn soll und dann schwirrn a boar umanander.« Nüsslein putzte so heftig an der Heizung, dass Belu schon fürchtete, die Farbe würde abblättern.

      »Danke vorerst, Herr Nüsslein.«

      »Schüler befragen …?« Klaus machte eine Kopfbewegung Richtung Treppe.

      »Später.«

      Während die beiden Kommissare zum Haupttor der Schule gingen, sagte Belu: »Ich möchte wirklich wissen, warum Nüsslein wegen des Schlüssels so aufgebracht ist.«

      »Ich vermute mal«, antwortete Klaus, »das ist eine Frage der Ehre. Etwas ist ohne sein Wissen passiert. Schließlich ist er der Herr über alle Türen im Schulhaus. Weiß, was sich dahinter verbirgt. Nur er kann überall rein. Und man muss ihn fragen, wenn man etwas will. Dieser Meier, den er sowieso für einen Arrogantling hielt, machte ihm das Schlüsselprivileg abspenstig. Wenigstens da wollte er doch ein bisschen Macht demonstrieren. Und das hat ihm Meier wohl auch weggenommen. Wollen wir jetzt zur Ehefrau des Opfers fahren?«

      Belu nickte. »Je früher wir das machen, umso eher haben wir es hinter uns. Aber halt.« Belu blieb mit einem Mal stehen, so dass Klaus ihr in die Hacken lief. »Sagte der Direktor nicht, dass Meiers Klasse noch im Schulhaus ist? Auf der Tafel stand, in welchen Zimmern sich die Klassen aufhalten.«

      »Gerade wollte ich das von dir wissen.« Klaus war beleidigt.

      »Ist ja gut, hast recht, wenn wir schon hier sind, sollten wir die Kids gleich befragen.«

      Belu machte kehrt und folgte den Pfeilen. Natürlich sprach es sich wie ein Lauffeuer in der ganzen Schule herum, dass man Studiendirektor Meier tot im Turnsaal aufgefunden hatte. Die Klassentüre der 10a war nur angelehnt. Belu blieb erneut abrupt stehen. Klaus konnte gerade noch einen Satz zur Seite machen, sonst wäre er ihr wieder in die Ferse gelaufen. Sie drehte sich um und legte den Finger an den Mund, lauschte.

      *

       Die Suppe ist zu heiß! Himmel, bist du zu dämlich, um Suppe zu kochen? Mit einem Ruck packte er den Teller und schüttete den Inhalt auf den Boden. Sie bekam einige Spritzer auf die nackte Haut ihrer Wade. Es tat höllisch weh. Am liebsten hätte sie laut geweint, aber mit Blick auf ihn unterließ sie es wohlweislich. Sein Haar stand ab. Im Zimmer machte sich Zwielicht breit. Der Gummibaum in der Ecke warf gespenstische Schatten auf sein Gesicht. Es sah aus, als wenn ihm ein Horn auf der Stirn wachsen würde.

      3

      Aufgeregtes Stimmengewirr drang aus der angelehnten Tür der Klasse 10a. Wortfetzen wie Scheiße, wer macht jetzt … und kein Wunder …, so ein … drangen heraus. Belu klopfte kurz, gefolgt von Klaus trat sie ein. Es wurde schlagartig ruhig. Die Kommissarin stellte sich der Klasse vor. Deutete auf Klaus. »Mein Kollege Hofmockel. Lassen Sie sich nicht stören«, meinte sie ironisch. »Sie waren eben im Gespräch?«

      »Ich sagte gerade, dass es zum Glück Nüsslein war, der den Meier gefunden hat. Stellt euch mal vor, es wäre unser Trutscherle gewesen. Die hätte doch glatt einen Schreianfall bekommen.«

      »Würden Sie sich vorstellen, bitte?« Klaus mischte sich ins Gespräch ein, sah den jungen Mann an.

      »Matze Bohl, Klassensprecher. Und du, Nico, sag nicht Depp zu mir.« Der Angesprochene hatte Matze einen leichten Schlag mit dem Heft auf den Kopf gegeben.

      Die Tür öffnete sich und ein mittelgroßer Mann mit einer modischen Kurzhaarfrisur kam in das Klassenzimmer. Belus erster Gedanke: ein eitler Pfau mit seinem Seidenschal und modernem Outfit.

      »Ich wollte mal nach der Klasse sehen. Es war auf einmal so unnatürlich ruhig. Ich nehme an – Polizei?«

      Belu nickte und murmelte ihrer beider Namen. Ich hänge mir jetzt bald ein Schild um, so oft habe ich mich heute schon vorgestellt, dachte sie.

      »Mein Name ist Johannes Petermann. Geschichte, Geografie.«

      Ist schon komisch, dachte Belu, dass sich Lehrer immer gleich mit ihrem Fachgebiet vorstellen. Sie lächelte den Herrn freundlich an.

      »Sie waren nicht im Lehrerzimmer gewesen?«

      »Ich musste noch eine Klassenarbeit vervielfältigen. Nachdem der Kopierer mal wieder Papierstau meldete, habe ich mich gar nicht lange damit beschäftigt und bin gleich ins Sekretariat. Fräulein Kleinert hat mir die Kopien gemacht.«

      Er fuhr an die Klasse gewandt fort: »Ich glaube, an Unterricht ist jetzt nicht zu denken. Die Schulleitung überlegt noch, ob wir in dieser Woche den normalen Schulalltag überhaupt so fortführen. Auf jeden Fall werden wir Psychologen vom örtlichen Schulamt ordern. Und dann wären da auch noch die Religionslehrer, die euch für Gespräche zur Verfügung stehen. Wenn ihr das wünscht, natürlich nur«, fügte der Lehrer an. »Am besten geht ihr für heute nach Hause.« Er schaute dabei von einem Jugendlichen zum anderen. Einige saßen auf den Bänken, andere hatten sich an die Wand gelehnt, wieder andere hatten an den Fenstersimsen Platz genommen. Ein paar Schüler senkten die Köpfe, andere nickten, die meisten verneinten. Sie wollten noch in der Schule bleiben. Es waren wohl eher Neugierde und die Befürchtung, etwas zu verpassen, die die Schüler in der Schule und im Klassenzimmer verharren ließen, als das Pflichtbewusstsein.

      »Wissen Sie«, Petermann wandte sich den beiden Kommissaren zu, »die Klasse von Studiendirektor Meier ist vor lauter Polizei im Haus beinahe in Vergessenheit geraten. Direktor Dressler hat angeregt, den psychologischen Dienst einzuschalten. Wozu haben wir ihn? Die unteren Klassen wirken leicht verstört. Sie wissen ja, wie das ist. Zu jedem geflüsterten Satz kommt ein noch geheimnisvollerer hinzu. Wie ich eben hörte, munkelt man, dass Meier in einem Blutsee gefunden wurde.« Petermann presste die Lippen aufeinander und nestelte nervös an einem Knopf. Dann öffnete er den Knoten seines Seidenschales und wischte sich damit über die Stirn. Er knüllte ihn zusammen und steckte ihn in die Hosentasche. Aufgeregtes Gemurmel machte sich breit. Als Matze Bohl zu sprechen begann, wurde es wieder still.

      »Nüsslein wollte ihn noch wiederbeleben, munkelt man – aber bei einem Kopf, der nur noch Brei ist? Jedenfalls wäre unser Hauswart dadurch blutverschmiert gewesen, als man ihn sah.«

      »Und? War er das?«, fragte Hofmockel.

      »Ich habe jedenfalls nichts gesehen«, antwortete Matze. »Wir mussten laut der Order Nüssleins ja dableiben, falls die Bullerei uns befragen wollte. Sein Kittel hatte alle möglichen Flecken. Wie immer halt. Aber Blut habe ich nicht gesehen.«

      Eine Schülerin begann hysterisch zu schluchzen. Sie sah aus, als wenn sie tagelang nicht geschlafen hätte. Käseweiß war sie im Gesicht, ihre Sommersprossen auf der Nase sahen aus wie kleine Dreckspritzer.

      »Reiß dich zusammen, Katharina!«, sagte Ben, ein anderer Junge aus der Klasse. Und grienend

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