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„Mehrsprachigkeit und Mehrsprachigkeitsdidaktik“ und c) das Thema „(Sprach)bewusstheit“ (cf. Abschnitt 3-4). Mehrsprachigkeit und Sprachkontrast, das sei vorab festgehalten, bedingen einander auf vielen Ebenen. Diese Bedingtheit hebt die Bedeutung von sprachvergleichender Arbeit in den Vordergrund und macht sie zu einer wertvollen didaktischen Strategie in der Auseinandersetzung mit Sprache(n).

      2 Sprachwissenschaftliche Grundlagen

      Mit Rekurs auf die curricularen Vorgaben ist es notwendig, einen Blick auf das Arbeitsfeld der Sprachwissenschaft zu werfen, konkret auf die „Vergleichende Sprachwissenschaft“. In dieser werden Disziplinen subsummiert, die sich mit dem Vergleich von Einzelsprachen auf diachroner und/oder synchroner Achse beschäftigen. Die im Laufe der Geschichte allmählich ausdifferenzierten Forschungsstränge werden heute als Subdisziplinen der theoretischen und angewandten Sprachwissenschaft betrachtet und nach Lehmann (2013) in drei Arbeitsbereiche unterteilt, die er wie folgt beschreibt:

1. Wenn die allgemeine Sprachwissenschaft typologischen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie allgemein-vergleichende Sprachwissenschaft.
2. a) Wenn die historische Sprachwissenschaft historischen/genetischen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie historisch-vergleichende Sprachwissenschaft.
b) Wenn die geographisch-vergleichende Sprachwissenschaft arealen Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie Areallinguistik.
3. Wenn die angewandte Sprachwissenschaft den kontrastiven Vergleich von Sprachen betreibt, ist sie kontrastive (oder konfrontative) Linguistik.

      Abb. 1:

      Schematische Darstellung nach Lehmann (2013).

      Das Schaubild visualisiert die differenten Arbeitsfelder der vergleichenden Sprachwissenschaft und unterstreicht die enge Vernetzung und ihre daraus resultierende Komplexität nach Lehmann. Während die ersten beiden Subdisziplinen (cf. oben 1-2) nach den typologischen, historischen und geographischen Zusammenhängen von Sprache fragen, beschäftigt sich die Kontrastive Linguistik (cf. 3) als Teildisziplin der Angewandten Linguistik mit dem Vergleich von mindestens zwei Sprachen (L1 und L2)1. Sie ist zudem in der Fremdsprachendidaktik2 und in der Mehrsprachigkeitsdidaktik verortet (cf. Abschnitt 4).

      Zur besseren Einordnung des komplexen, aus vielen Teildisziplinen bestehenden Geflechts soll im nächsten Abschnitt ein kurzer Exkurs in die Sprachgeschichte dienen und mit folgendem Zitat eingeführt werden:

      Die historische Perspektive ist […] in wissenschaftlicher Hinsicht absolut notwendig für das Verständnis der Fragestellungen innerhalb der Disziplinen. Denn die Fragstellungen einer Wissenschaft stehen nicht in einem leeren Raum. Sie sind nicht absolut, und sie sind nicht unzeitlich. Vielmehr entspricht jede Fragestellung einer geschichtlichen Situation und kann nur im Rahmen dieser und von dieser her richtig verstanden werden. […]. In dieser Hinsicht ist die Geschichte eines jeden Gegenstandes Kontinuität und Änderung zugleich, d.h. Entwicklung. (Coseriu / Meisterfeld 2003, 3)

      2.1 Von der traditionellen Grammatik zur vergleichenden Philologie. Ein historischer Streifzug

      Angefangen bei der bereits in der Antike gestellten Frage, was eine Sprache überhaupt konstituiere, bis zur Prognose für die Kontrastive Linguistik für das Jahr 2020 (v. Stutterheim 2018) kann für die Sprachwissenschaft ein Weg nachgezeichnet werden, der noch lange nicht beendet ist.1 Grammatiktheoretische Grundlagen – Basis von sprachvergleichender Arbeit – differenzierten sich im Laufe der Jahrhunderte immer stärker aus, bis alle Erkenntnisse gebündelt im beginnenden 20.Jahrhundert in die Disziplin Linguistik mündeten. Von den zahllosen sprachhistorischen Meilensteinen, die im Laufe der Zeit gesetzt wurden, können hier nur einige wenige angeführt werden, was der sehr umfangreichen Materialfülle geschuldet ist. Mit Rekurs auf die Antike sind für die frühe Zeit Philosophen und Grammatiker wie Protagoras, Platon und Aristoteles prominent zu nennen. Basierend auf ihren Erkenntnissen (bspw. Beschreibung der Syntax) entwickelte der griechische Grammatiker Dionysios Thrax die erste bisher bekannte systematisch aufgebaute Grammatik Τέχνη γραμματική (Technē grammatikē) (Jungen / Lohstein 2007, 47sqq.; Wildgen 2010, 7sqq.)2, bestehend aus der heute als Teildisziplinen der Linguistik bezeichneten Phonologie, der Morphologie und den Wortarten. Darauf aufbauend sollten noch weitere Grammatiken folgen, die einem Lehrer als Vorlage, nicht nur für den muttersprachlich orientierten Unterricht, zur Verfügung stehen sollten. Der Philosoph und Grammatiker Ambrosius Theodosius Macrobius (360–425 n.Chr.) sticht neben vielen anderen wegen seiner auf wissenschaftlicher Basis gestellten Grammatik besonders hervor. Er prüfte die griechische und lateinische Sprache nicht nur nach ihren Gesetzmäßigkeiten, sondern betrachtete sie auch unter sprachkontrastiven Gesichtspunkten (Jungen & Lohstein 2007, 66, 73). Macrobius war offensichtlich nicht nur mehrsprachig sozialisiert, er besaß neben den mündlichen Fähigkeiten auch schriftsprachliche Kompetenzen. Mehrsprachige Kompetenzen, dieser Einschub sei an dieser Stelle erlaubt, spiegeln eine gewisse Selbstverständlichkeit antiker Gesellschaften wider. Im Zuge ihrer geographisch weitreichenden Handelsbeziehungen, aber auch aufgrund kriegerischer Auseinandersetzungen sowie kultureller Kontakte standen sie in einem regen Austausch mit Sprechern fremder Sprachen und/oder Sprachvarietäten. Boschung und Riehl (2011, iiisqq.) bemerken hierzu:

      Schöne Beispiele für historische Mehrsprachigkeit in der Antike liefern etwa das Anatolien des 1.Jahrhunderts v.Chr. oder das römische Imperium, das in weiten Teilen eine Diglossie-Situation zwischen der lateinischen Staatssprache und den jeweiligen Sprachen der beherrschten Gebiete zeigt. D.h. die Sprachen waren auf verschiedenen Domänen verteilt: Es gab in der Regel eine oder mehrere gesprochene Sprachen, und eine geschriebene Sprache, nämlich Latein. Dabei spielt aber das Griechische eine Sonderrolle, war es doch im gesamten Ostteil des Imperium Romanums bestimmend.

      Die Beschäftigung mit den antiken Sprachen verliert auch in den folgenden Jahrhunderten nicht an Intensität. Im Zuge frühmittelalterlicher Didaktisierungen (Jungen / Lohnstein 2007, 83sqq.) entstanden schubweise differente theoretische Ansätze, um Sprache sowie ihre Funktion zu erklären. So waren Anhänger der scholastischen Philosophie (13.Jahrhundert) „an der Sprache als Werkzeug zur Analyse der Struktur der Wirklichkeit“ interessiert (Lyons 1995, 15). In ihrer Essenz ergab sich ein Bild von Sprache als universellem Medium: „[…] alle Sprachen haben Wörter für dieselben Begriffe, und alle Sprachen weisen dieselben Teile der Rede und andere allgemeine grammatische Kategorien auf.“ (Lyons 1995, 16). Der allmählich weiter fortschreitende Umbruch bestehender geopolitischer Gegebenheiten, das heliozentrische Weltbild, die Neuformierung von Staaten und deren allmählich erwachendes Nationalbewusstsein, die missionarischen Aktivitäten (bspw. der Jesuiten) auch außerhalb der damaligen europäischen Welt und viele weitere Entwicklungen warfen ein neues Licht auf die Sprachforschung. In der Folgezeit stieg das Interesse daran, das Wissen über das bisher bekannte Sprachenrepertoire hinaus zu erweitern. Der Schweizer Naturforscher und Universalgelehrte Konrad Gesner3 erlangte aufgrund seines im Jahre 1555 verfassten Werks „Mithridates“4 Berühmtheit. Hierbei handelt es sich um eine erste europäische Sprachenenzyklopädie, die unter Berücksichtigung der Verschiedenheit von Sprachen und Dialekten (darunter afrikanische und indische Sprachen) konzipiert wurde. Die berücksichtigten Sprachen sind alphabetisch geordnet und „es werden Vokalbellisten erstellt und das ‚Vater Unser‘ in möglichst vielen Sprachen aufgeführt“ (Elberfeld 2014, 26). Auch über die sprachverwandtschaftlichen Beziehungen wurde nachgedacht, sodass von Sprachfamilien oder von genetischer (Sprach-)einheit (Kausen 2010, 1sqq.) die Rede war. Mit der etwa zwei Jahrhunderte später angelegten Arte (1627), einer „Dreifach-Grammatik" mit den Sprachen Spanisch, Griechisch und Latein (Trilingue de tres artes), erhoffte sich der Spanier Gonzalo Correas (1570–1631) nicht nur eine höhere Effektivität in der Sprachvermittlung, sondern das Erreichen des pädagogischen Ziels „durch ein genaues Verständnis der

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