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Christine nickte ihm zu. Und dann schloß sie müde die Augen und träumte, ihr Bübchen im Arm, von kommenden Zeiten.

      Herr Anthoine aber verließ das Haus, er stieg den abwärts führenden Weg hinab und gelangte an des Baches Quelle, er wollte ein wenig nach den Forellen sehen, denn eine gute Forellenfischerei war des Gutes Stolz. Und wie er an dem schmalen Wasser stand, das hell über große Steine rann, vergaß er die Fische. Er dachte an das stolze Schloß an der Loire, an der Charreards einstigen Besitz. Kein Charreard hatte wohl noch um den Taufschmaus für den Erben sorgen müssen. Bei Gott, dachte der Herr Anthoine wieder, ich bin in ein recht klägliches Leben hineingeraten. Möge meinem Sohn es besser ergehen, unser König wird es wohl besser mit seinen treuen Untertanen im Sinn haben, als der böse Kardinal Richelieu, dann soll mein Sohn wieder den Namen Charreard zu Ehren bringen.

      Der Gutsherr vergaß die Fische, aufrecht, hochmütig ging er dem Hause zu, und als er mit der Feierlichkeit früherer Tage an das Bett seiner Frau trat, die ihr Bübchen im Arme hielt, fand er ihr Gesicht ganz überströmt von Tränen.

      Über diesen Tränen vergaß Herr Anthoine das Schloß an der Loire und allen Glanz der Charreards. Betroffen fragte er nach dem Kummer der kleinen Frau Sophia Christine. »Ach,« schluchzte sie, »ich bin ja so froh, so froh, nun brauchen unsere Küchlein nicht geschlachtet zu werden.«

      Das war wirklich nicht nötig. Am nächsten Tage kamen die Schorbaer Bäuerinnen mit nicht minder reichen Gaben, und so konnte man denn auf Pösen dem Sonntag Rogate mit Ruhe entgegensehen. Denn die alte Röse führte den Hausherrn selbst in den allerletzten Keller. Tief im Winkel verborgen lag da, aus guten Zeiten stammend, noch ein Fäßchen Wein, an ihm war aller Kriegslärm vorbeigezogen. »Gut, daß es zuletzt die Schweden nicht auch noch durch ihre höllischen Gurgeln gejagt haben,« sagte die Alte. »Denn ob Wein aus protestantischem Hause oder aus einem katholischen Keller, denen ist das so gleich gewesen, wie es ihnen war, woher sie raubten, wen sie mordeten.«

      Herr Anthoine de Charreard bezeigte wenig Lust, sich von den vergangenen Kummertagen erzählen zu lassen, er stieg vergnügt ans Tageslicht empor, um seiner Frau von dem Fund zu berichten, und er fand wieder ein betrübtes, verzagtes Weiberseelchen. Ein wenig Aprilwetter war schon die kleine Frau in diesen Tagen. Frau Sophia Christine hatte, so gut sie es konnte, Gäste und Eßgeschirr nacheinander an den Fingern abgezählt, und es fehlten mehr Teller als im Dornröschenschloß, ach, es fehlte so viel. Ihr Mann sah ein, daß dies schon eine Not war. Er wußte aber Rat. Am nächsten Morgen fuhr er selbst nach Jena, um bei seinem Schwiegervater und den übrigen Verwandten seiner Frau das notwendige Hausgerät zu erborgen. Er bekam alles, ja sogar die schweren, einst mit eigener Lebensgefahr erretteten, silbernen Prunkleuchter gab eine Muhme her, denn die Kunde, daß das fürstliche Paar selbst zur Taufe kommen wollte, erregte ganz Jena. Sämtliche Frauenzimmer redeten nur von der Taufe. Und Sophia Christine wurde so viel und mit solcher Ehrerbietung von allen Vettern, Muhmen und Basen genannt, daß diese Überfülle von Hochachtung die kleine Frau gewiß sehr bedrückt hätte.

      Doch glücklicherweise ahnte sie nichts davon. Sie hielt mit Röse und der Rabenmutter eine sehr eindringliche Eßberatung ab. Das Ergebnis war, nachdem Sophia Christine ein noch von ihrer Mutter stammendes Rezeptbüchlein zugezogen hatte, daß man trotz aller Spenden ein speckfettes Ferkel schlachten müsse. In dieses sollte eine Gans gesteckt werden, in diese ein Huhn, in das Huhn eine Taube, in die Taube, was gerade daherflog, auch ein Spatz, wenn es sein mußte. Und dann ein Zungenmüßlein, Torten und Pasteten. Frau Sophia Christine tat bei jedem Gericht, das ihr einfiel, einen bitterschweren Seufzer, aber glücklicherweise sagte die alte Röse immer: »Es langt zu. Da bruche wir niche bange zu sein.«

      Und es reichte und wurde ein prächtiges Mahl. Ein Tauftag voll Erdenpracht und Himmelsglanz. Nur ein paar weiße Flatterwolken wehten über den blauen Himmel. In der kleinen Pösener Hauskapelle dufteten große Sträuße, ein buntfarbiges Kranzgewinde schlang sich um die Sessel, die für den Herzog Bernhard und seine Gemahlin hingestellt worden waren. Die Herzogin staunte über das festliche Gepränge, das nach Reichtum ausschaute. Die scheue heimliche Armut, das bange Sorgen der Eheleute, die Quellen der Hilfe ahnte sie nicht. Sie sah nur, was da war, und weil sie den stolzen Landsmann in einer kärglichen Armseligkeit geglaubt hatte, war sie doppelt überrascht.

      Dazu Sophia Christine! Die war nicht mehr scheu und ungewandt wie einst, sie fühlte sich auf sicherem Heimatboden stehen, dies Gefühl und ihr junges Mutterglück verliehen ihr eine anmutige Würde. Sie war freilich einfach gekleidet, aber sie sah doch festlich und schön aus, und die Herzogin Marie in ihrer dunklen Schönheit, die das neueste Pariser Gewand trug und so gekleidet war wie die Damen am Hofe des jungen Königs Ludwig XIV., vermochte nicht die junge Madame de Charreard zu verdunkeln.

      Dazu der Sonnenglanz draußen, die Schönheit des stillen Tales. – Der Herzog Bernhard sagte sein Wiederkommen zu, aber die Herzogin kniff ein wenig die dunklen Augen zusammen. Scharf zogen sich die Falten am Mund herab. Da wußten ihre Damen, sobald wurde der Besuch nicht wiederholt. Sie drängte auch zum Aufbruch und übersah dabei das leise Aufleuchten in den braunen Augen der jungen Frau. Vielleicht wäre sie sonst geblieben. Da hätte sie dann freilich an manches, was im Hause fehlte, ihren Spott hängen können.

      Als der Abend sank, eine Mondnacht mit lindem Glanz heraufdämmerte, rollten die Wagen mit den Gästen davon; nur ein paar Verwandte Sophia Christines blieben noch. Die aber waren so geblendet von dem fürstlichen Glanz, daß die alte Base Anna Sabine – jene, die die Silberleuchter hergegeben hatte – ihrer Nichte diese für künftige Zeiten als Erbe versprach.

      Ein paar Tage später herrschte wieder die alte Stille in Pösen, aber auch wieder der Mangel. Nach reichen Tagen gab es sehr knappe Mahlzeiten und Herr Anthoine de Charreard freute sich mehr als über den fürstlichen Besuch über den des Herrn Heinrich Rudolph, der von Leuchtenburg her an einem Nachmittag in den Hof einritt und das versprochene Darlehen brachte. Ja, er war nicht ohne Stolz, als Herr Rudolph lobte, wie gute Ordnung unter dem neuen Herrn herrsche. »Ich bin an den Schlägen am Eselsberg vorbeigeritten,« sagte der, »dort wächst ein gutes Korn, das gibt kein Notjahr.«

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